Es sind nicht die üblichen Bilder von Rechtsextremen, die im April 2018 über die französischen Bildschirme laufen. Bei einer ähnlichen Aktion wie der, die jetzt den Ärger des Innenministers auf sich zieht, standen damals Anhänger der "Identitären Bewegung" an der italienischen Grenze. Statt Springerstiefel und Bomberjacke leger gekleidet in Jeans, blauen Daunenjacken und dazu passenden Kappis. Nur der weiße Schriftzug auf dem Rücken "Defend Europe", also: Verteidigt Europa, verriet ihre Geisteshaltung. Mehrere Tage patrouillierten an die 30 von ihnen durch die Umgebung in der selbstdefinierten Mission, illegale Einwanderer am Grenzübertritt zu hindern.
Die Aktion, die sie mit großen weißen Pickups und ausgerüstet mit Ferngläsern in Szene setzten, zog die Medien an. Romain Lechant, einer der selbsternannten Grenzschützer, nutzte die Gelegenheit: "Wir sind hier als Bürger. Jeder gute Bürger, der Zeuge einer Straftat wird, benachrichtigt die Behörden. Nicht mehr und nicht weniger machen wir. Illegal über eine Grenze zu gehen, kann mit Gefängnis bestraft werden."
Innenministerium soll Beweise für ein Verbot sammeln
Nun haben die Rechtsextremen ihre Aktion an der spanischen Grenze wiederholt. Hinter dem vermeintlich staatsbürgerlichen Engagement steckt eine Gruppierung, die Analysten als neofaschistisch, rassistisch und islamophob einstufen. In Frankreich hat sie mehrere hundert Anhänger.
Innenminister Gérald Darmanin macht keinen Hehl daraus, welche Pläne er hat: "Ich war vor allem schockiert von der Unterwanderung der Republik durch die Aktivisten der "Identitären Bewegung". Das ist nicht ihr erster Eklat. Ich habe die Dienste des Innenministeriums angewiesen, die Elemente zu sammeln, die es dem Ministerium erlauben würden, die Auflösung der Bewegung vorzuschlagen."
Wenn das entsprechende Material gesammelt ist, will Darmanin nicht zögern, bekräftigt er noch. Dabei handele sein Ministerium selbstverständlich im Rahmen des Gesetzes. Die Gruppe könne Widerspruch einlegen, sollte eine Auflösung eingeleitet werden. Es ist zum ersten Mal, dass der Innenminister die Aktionen der Bewegung öffentlich verurteilt und deren Verbot anstrebt. Seit Jahren gelingen den "Identitären" immer wieder öffentlichkeitswirksame Inszenierungen. 2012 besetzten sie die Baustelle einer Moschee in Poitiers, blockierten 2016 Zufahrten zum berüchtigten Flüchtlingslager in Calais, genannt der "Dschungel", oder demonstrierten 2017 vor dem Konzertsaal Bataclan, dem tragischen Ort des Terroranschlags im November 2015.
2018 kommt es nach der Grenzaktion zu Zusammenstößen mit Gegendemonstranten und einem harten Polizeieinsatz. Michel Rousseau vom Kollektiv "Tous Migrants", was so viel bedeutet wie: alle sind Migranten, kritisierte ein staatliches Unvermögen im Umgang mit der "Identitären Bewegung". "Uns schockieren nicht am meisten die Aktionen der "Identitären", sondern die Tatsache, dass der Staat keine andere Antwort findet als Polizisten in gewaltiger Zahl zu schicken – aber gegen die Ehrenamtlichen, die demonstrieren und die Prinzipien Solidarität und Brüderlichkeit vorleben. Das schockiert uns!"
Mitglieder bisher nicht verurteilt
Nach der erneuten Inszenierung der "Identitären-Grenzkontrollen" an der spanischen Grenze in der vergangenen Woche sind es lokale Mandatsträger, die sich entrüsten. Die illegale Operation solle nur einen Medien-Hype herbeiführen und den Extremisten ermöglichen, ihre Hassreden zu verbreiten, schreiben die sozialistische Präsidentin der Region, Carole Delga, und andere in einer Pressemitteilung. Die Stimmen mehren sich, die eine Auflösung der "Identitären Bewegung" verlangen.
Ob Innenminister Darmanin dieser Schritt gelingen wird? Der Präsident der "Identitären", Clément Gandelin, gibt sich gelassen. Es gebe schon viele Studien mit dem Ziel seine Bewegung zu verbieten, sagt er, man könne ihr aber nichts vorwerfen. Die Anhänger seien auch nie für Aktionen verurteilt worden.
Tatsächlich hat erst vergangenen Dezember ein Berufungsgericht die für die sogenannten Grenzkontrollen 2018 Angeklagten freigesprochen. Innenminister Darmanin setzt jetzt auf die Gesetze zur inneren Sicherheit – wie die gegen den Aufruf zu Hass oder Gewalt. Sicherheitsexperten glauben dennoch, dass das Vorhaben juristisch schwierig wird.
Politisch können sich die "Identitären" der Sympathie des extrem rechten "Rassemblement National" sicher sein. Auch wenn sich einzelne Partei-Mitglieder immer wieder von der Bewegung distanzieren, bescheinigte Louis Aliot, Bürgermeister von Perpignan, deren Aktionen Symbolkraft: Aliot äußerte Verständnis für die Grenzpatrouillen. Schließlich versage hier der Staat. Und sein Parteikollege, der Europa-Abgeordnete, Gilbert Collard, empörte sich auf Twitter: Der Innenminister wolle statt der radikalen Moscheen im Land die "Identitäre Bewegung" auflösen. Das seien gefährliche Prioritäten.