Archiv

Frankreich
Macrons Mea culpa

Frankreichs Präsident Macron ist in seiner Fernsehansprache einen großen Schritt auf die Protestler zugegangen: Er kündigte umfassende, finanzielle Erleichterungen an. Außerdem räumte Macron Mitverantwortung an der aktuellen Krise ein. Einigen "Gelbwestlern" gingen die Ankündigungen dennoch nicht weit genug.

Von Sabine Wachs |
    Fernsehübertragung der Rede von Präsident Emmanuel Macron
    Fernsehübertragung der Rede von Präsident Emmanuel Macron (dpa / picture alliance / Jean-Baptiste Quentin)
    Er hat sein bestes gegeben. Der sonst so selbstbewusste französische Präsident wirkte in seiner Fernsehansprache ruhig und klar, trotzdem war ihm eine gewisse Anspannung anzusehen. Den Blick klar in die Kamera gerichtet, dem Zuschauer direkt in die Augen blickend, erklärte Emmauel Macron selbstkritisch:
    "Es sind die Missstände der letzten vierzig Jahre, die gerade hochkommen. Ohne Zweifel haben wir es in den eineinhalb Jahren Regierungszeit nicht geschafft, angemessen und zügig darauf zu reagieren. Dafür übernehme ich meinen Teil der Verantwortung. Ich habe ihnen das Gefühl gegeben, dass es nicht meine erste Sorge war, dass ich andere Prioritäten hatte. Und ich weiß, dass ich einige von Ihnen mit meinen Bemerkungen verletzt habe."
    "Wollen ein Frankreich, in dem jeder von seiner Arbeit leben kann"
    Macron äußerte Verständnis für die Wut und den Ärger der vielen Gelbwestler, die seit vier Wochen Straßen im ganzen Land blockieren. Die heftigen Ausschreitungen, die Gewaltexzesse der letzten beiden Samstage allerdings bezeichnete er als nicht hinnehmbar.
    "Keine Wut rechtfertigt es, einen Polizisten anzugreifen, Geschäfte zu plündern und öffentliche Gebäude zu beschädigen". machte der Präsident deutlich.
    Nach seinem auch von vielen Protestlern geforderten Mea Culpa kam Macron zum Kern seiner Ansprache. Er machte einen großen Schritt auf die Gelbwesten zu, griff Teile ihrer Forderungen nach Steuersenkungen und Lohnerhöhungen auf. Kurzum: lieferte ihnen die Grundlage für einen Dialog:
    "Wir wollen ein Frankreich, in dem jeder würdig von seiner Arbeit leben kann. Der Mindestlohn soll ab 2019 um 100 Euro im Monat steigen, ohne dass die Arbeitgeber mehr zahlen müssen. Die Überstunden sollen ab 2019 wieder steuerfrei honoriert werden. Und ich fordere alle Arbeitgeber, die es können auf, ihren Angestellten Prämien zu zahlen. Für die Arbeitnehmer steuerfrei."
    Die Finanzierung der Maßnahmen bleibt völig offen
    Außerdem kündigte Macron an, für Rentner, die weniger als 2000 Euro im Monat haben, die Erhöhung der Sozialabgaben auszusetzen. Kernforderungen der Gelbwesten, die ab Januar 2019 erfüllt werden sollen. Einzig darüber, wie der Präsident diese Maßnahmen finanzieren will, kein Wort. Ersten Schätzungen zu Folge geht es um rund 15 Milliarden Euro. Die Reaktionen unter den Protestlern fielen gespalten aus. Viele Gelbwesten verfolgten die Rede über Handys und Tablets an ihren Blockadestellen:
    "Ich gebe ihnen mein Gefühl wider: Wir hatten genau darauf gewartet. Die Frage ist nur, warum so lange", sagt Alain Bouchet aus dem Departement Yvelines.
    In der Protestbewegung steckt jetzt ein Keil
    Er fasst die Rede als Gesprächsangebot auf und ist bereit, die Proteste erst einmal einzustellen. Seine Ansicht steht im krassen Gegensatz zu der seines Gelbwestenkollegen Tristan Lozach aus der Bretagne:
    "Ja, er bewegt sich. Wenn wir weiter machen, dann bricht er ein, dann geht er auch auf unsere anderen Forderungen ein. Wenn er Respekt für das Volk hat, dann tritt er zurück. Das ist unsere zentrale Forderung."
    Einen Rücktritt, zwar nicht des Präsidenten, sondern der Regierung forderte die konservative europaabgeordnete Natalie Morano. Und auch Jean-Luc Mélenchon, dem Chef der extrem linken France Insoumise haben die Ankündigungen nicht gereicht. Er fordert die Gelbwesten zu weiteren Protesten, zum fünften Akt am kommenden Samstag auf.
    Ob die Rede des Präsidenten wirklich dazu beitragen wird, die Lage in Frankreich zu entspannen ist noch offen. Deutlich aber ist, dass sie einen ersten Keil in die Protestbewegung getrieben hat. Sie zerfällt in die gesprächsbereiten Gemäßigten und die sturen Radikalen.