Seit Tagen wird spekuliert, was die Regierung unternehmen werde, um die Kaufkraft der Französinnen und Franzosen zu stärken. Die hohen Energiepreise haben diese erheblich geschwächt. Das könnte sozialen Brennstoff im anlaufenden Präsidentschaftswahlkampf liefern. Nun hat Premierminister Jean Castex präzisiert: "Wir werden eine Art Inflations-Vergütung für die Mittelschicht beschließen von 100 Euro. Sie wird an Franzosen ausbezahlt, die weniger als 2.000 Euro netto pro Monat verdienen. Sie werden nichts tun müssen, es wird automatisch gehen. Wir werden alles dafür tun, damit das Geld schnell auf den Lohnzetteln oder den Gehältern der Leute ankommt."
Die 100 Euro sind steuerfrei und sollen ab Ende Dezember über die Arbeitgeber an Angestellte ausbezahlt werden. Rentner, Selbstständige oder Studenten, die Anspruch auf das Geld haben, sollen es zwischen Januar und Februar erhalten. Insgesamt 38 Millionen Menschen im Land werden von der finanziellen Hilfe profitieren. Außerdem kündigte Premierminister Castex an, die Gaspreise über das gesamte kommende Jahr konstant zu halten.
Viel zu wenig, sagen Kritiker
Kritik an der 100-Euro-Beihilfe kommt von der Opposition sowie von Verbraucher- und Automobilverbänden. Jordan Bardella, Parteivorsitzender des extrem rechten Rassemblement National, wirft der Regierung vor: "Die Regierung versteht gar nichts vom Leid der Franzosen und der sozialen Not von Millionen unserer Mitbürger, die am Monatsende nicht mehr über die Runden kommen. Einer von vier Franzosen schafft es nicht mehr, seine Gas-, und Stromrechnung zu bezahlen. Obwohl 60 Prozent des Energie-Preises Steuern sind, verspricht die Regierung einen lächerlichen Scheck von 100 Euro. Das ist Wahnsinn."
Bardella schlägt stattdessen eine Senkung der Mehrwertsteuer von nun 20 Prozent auf 5,5 Prozent für alle Energieprodukte wie Benzin, Gas oder Elektrizität vor. Zwölf Milliarden Euro, so sagt er, würde das kosten. Das wäre allerdings mehr als dreimal so viel im Vergleich zu dem, was die Regierung nun für den 100-Euro-Scheck kalkuliert.
Auch für Alain Bazot, Präsident der Verbraucherorganisation UFC, ist die Regierungsmaßnahme viel zu wenig. "Das ist ein Scheck, der nicht gerecht ist und nicht gezielt. Es gibt Leute, die praktisch kein Auto nutzen. Andere brauchen es sehr viel. Die 100 Euro entsprechen nicht den Mehrkosten, die sie haben."
"Problem wird sich in zwei bis drei Monaten neu stellen"
Auch Michel Fournier, Chef eines Zusammenschlusses von Bürgermeistern im ländlichen Raum ist von den Ankündigungen des Premierministers enttäuscht. Eine Einmal-Auszahlung von 100 Euro sei nicht das, was man erwartet habe.
"Zumindest kommt diese Hilfe schnell. Sie wird alles ein bisschen beruhigen. Sie ist so etwas wie ein Weihnachtsgeschenk für 38 Millionen Menschen. Aber das Problem wird sich in zwei bis drei Monaten neu stellen, und der ländliche Raum ist der erste, der unter diesen Preiserhöhungen leidet, weil wir keine Wahl haben. Wir haben keinen öffentlichen Transport. Es muss also eine Priorität für diese Gebiete geben und die Leute, die sich dort bewegen."
Pierre Chasseray von der Vereinigung "40 Millionen Autofahrer" prophezeit, die Diskussion um die Energiepreise werde den Präsidentschaftswahlkampf bestimmen. "In einem oder zwei Monaten werden die Benzinpreise noch teurer sein. Wir gehen auf die Präsidentschaftswahl zu mit einem Kernthema, auf das wir keine Antwort haben."