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Frankreich nach den Gelbwesten-Protesten
"Macron muss reden"

Nach den Ausschreitungen am Wochenende setzt die französische Regierung auf Dialog. Heute waren Vertreter der Parteien zum Gespräch geladen, für morgen die sogenannten Gelbwesten selbst. Ob sie das Gesprächsangebot annehmen, ist jedoch ungewiss. Die Opposition sieht den Präsidenten in der Pflicht, die Lage zu befrieden.

Von Marcel Wagner |
    Emmanuel Macron (Mitte) und Innenminister Christophe Castaner (rechts) besichtigen am 2.12.18 den Triumphbogen in Paris nach den Krawallen vom Vortag.
    Emmanuel Macron (Mitte), Innenminister Christophe Castaner (rechts) besichtigen den Triumphbogen nach den Krawallen. (AFP / Geoffroy VAN DER HASSELT)
    In Frankreich und insbesondere in der Hauptstadt, Paris, hat es am Wochenende schwere Krawalle gegeben. Demonstrationen der sogenannten gelbe Westen Bewegung sind aus dem Ruder gelaufen. Es gab zahlreiche Verletzte, Festnahmen, Brände, gar Plünderungen. Die Schäden waren gewaltig. Die Regierung versucht, der Lage irgendwie Herr zu werden. Der Premierminister, Edouard Philippe, hatte heute auf Bitten von Präsident Emmanuel Macron sämtliche Vorsitzenden und weitere Repräsentanten der Oppositionsparteien eingeladen, um mit ihnen über mögliche Auswege aus der Krise zu sprechen. Doch der Druck steigt weiter.
    "Es ist Zeit zum Handeln"
    Immerhin waren sie fast alle gekommen. Den ganzen Tag über hatten sich im Matignon, dem Amtssitz von Frankreichs Premierminister Edouard Philippe die Granden der französischen Politik die Klinke in die Hand gegeben. Im Gepäck nahezu die immer gleiche Forderungen: Die Regierung solle endlich konkret auf die Menschen in den gelben Westen zugehen. Und zwar sofort:
    "Es ist jetzt nicht mehr die Zeit zum Reden, es ist Zeit zum Handeln, es Bedarf umgehend einer Geste des Befriedens", sagte stellvertretend Laurent Wauquiez, Chef der konservativen Republikaner. Wie genau eine solche Geste aussehen könnte, auch da gab es von ganz rechts bis ganz links zumindest erstaunlich große Schnittmengen: Zunächst einmal müsse die geplante Erhöhung der Benzinsteuer ausgesetzt werden, forderten eigentlich alle Besucher, außer den Vertretern der Grünen. Sodann müsse die Regierung umgehend dafür sorgen, dass gerade die ärmeren Menschen in Frankreich wieder mehr Geld in der Tasche haben. Auf konkrete Antworten des Premierministers warteten die Politiker allerdings vergebens. Ohnehin fühlten sich mit der Einladung viele irgendwie abgespeist:
    "Die Macht sitzt ja nicht hier, die Macht und Entscheidungsgewalt sitzt im Élysées. Macron muss reden", befand Bruno Retailleau, ebenfalls Republikaner, ebenfalls stellvertretend für das, was nicht nur Politiker, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger, Kommentatoren, Protestierende mit gelben Westen denken. Doch Emmanuel Macron blieb weiter abgetaucht. Zumindest in der Öffentlichkeit ließ sich der Präsident weder blicken noch hören. Einzig am Mittag tauchte Macron zu einem Überraschungsbesuch in einer Polizeikaserne auf und aß mit den Einsatzkräften.
    Einzelhändler fürchten um das Weihnachtsgeschäft
    "Er hat uns all seine Unterstützung bei diesen Ereignissen zugesagt. Das Essen war nicht vorgesehen. Es war daher immerhin ein starkes Signal", erzählte der Polizeigewerkschafter Thomas Toussaint, der bei dem Essen dabei sein konnte. Die Proteste gingen derweil weiter. Auf der wichtigen Autobahn A9 gab es lange Staus, weil Gelbwesten den Verkehr blockierten. In der Finistère in der Bretagne musste der Sprit rationiert werden, weil Gelbwesten Benzindepots blockieren. Im ganzen Land fürchten Einzelhändler, große Ketten, Hoteliers um das Weihnachtsgeschäft.
    "Wir schätzen, dass einige besonders betroffene Geschäfte 20 bis 50 Prozent Einbußen haben. In Paris, aber sogar auch in anderen Landesteilen", beschrieb Yohann Petiot, Chef der Pariser Händlerallianz, die vorläufige Bilanz. Aber wie herauskommen aus der vertrackten Lage? Premier Philippe setzt weiter auf Dialog. Morgen hat er nun auch Vertreter der Gelben Westen zum Gespräch gebeten.
    Doch ob die seine Einladung annehmen ist völlig offen. Gemäßigte Kräfte der Bewegung beklagen eine zunehmende Radikalisierung. Wer an Lösungen interessiert sei müsse mit Morddrohungen rechnen, schildert selbst eine Mitbegründerin der Gelben Westen. Doch für Lösungen bräuchte es erst einmal Vorschläge. Die sollte Präsident Macron möglichst bald liefern.