Kommentar
Regierungssturz in Frankreich: Politische Machtspiele statt Sparhaushalt

Nach einem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen seine Mitte-Rechts-Regierung hat der französische Premierminister Barnier den Rücktritt eingereicht. Dieser ist das Ergebnis politischer Ego-Trips von links und rechts - und hilft niemandem.

Ein Kommentar von Christiane Kaess |
    Michel Barnier in der Nationalversammlung
    Nur drei Monate lang war Michel Barnier Premierminister von Frankreich: Es ehrt ihn, dass er sich schwierigen Aufgaben gestellt hat. (picture alliance / dpa / MAXPPP / Le Parisien / Arnaud Journois)
    Unverantwortlich! Das ist das gerade das einzige Wort für Frankreichs Linke und extreme Rechte. Sie haben Premierminister Barnier und seine Regierung gestürzt. Beiden geht es vor allem um parteipolitische Machtspiele. Denn beim linken Bündnis „Neue Volksfront“ und beim rechtsnationalen Rassemblement National ist der politische Wettbewerb zum politischen Ego-Trip verkommen.
    Die Linken fühlen sich auch ein halbes Jahr nach der Parlamentswahl noch immer um den Wahlsieg gebracht. Sie waren die stärkste politische Kraft nach dem Urnengang im Sommer. Präsident Macron beauftragte sie dennoch nicht mit der Regierungsbildung. Denn sie waren weit entfernt von einer absoluten Mehrheit an Abgeordneten in der Nationalversammlung. Die ist aber zum Regieren nötig. Diese Einsicht fehlt bei den beleidigten Linken bis heute.

    Le Pens Machtdemonstration

    Den Rassemblement National wiederum steuert Marine Le Pen. Sie geht durch eine schwierige Zeit. Der Prozess wegen Veruntreuung von EU-Geldern hängt wie ein Damoklesschwert über ihr. Sie könnte Ende März von den Richtern für unwählbar erklärt werden. Und das würde ihre Pläne durchkreuzen, bei der nächsten Präsidentschaftswahl wieder zu kandidieren. Le Pen stand außerdem unter dem Druck von Partei-Anhängern. Deren große Mehrheit wünschte sich einen Sturz der Regierung. Jetzt hat Marine Le Pen ihre Macht demonstriert und gegen Barnier gestimmt.
    Jetzt gibt sie sich wieder konstruktiv. Sie wird es nur so lange bleiben, bis sie wieder den Eindruck hat, ins Hintertreffen zu geraten. Dann wird sie einer neuen Minderheitsregierung wieder ihre Agenda diktieren.

    Frankreich muss sparen

    Zur Wahrheit gehört aber ebenso, dass das riesige Dilemma, in dem Frankreich jetzt steckt, auch auf die Rechnung von Präsident Macron und den Regierungen seiner mehr als siebenjährigen Amtszeit geht. Frankreichs Schuldenberg ist in dieser Zeit auf über 3.000 Milliarden Euro gewachsen. Auch wenn besonders schwierige Zeiten, wie die Corona-Pandemie, eine Ursache dafür sind: Die Verantwortung müssen Macron und seine Minister tragen. Am wenigsten natürlich der gestürzte Premier Barnier. Er war gerade mal drei Monate im Amt.
    Barnier hat die Quadratur des Kreises versucht. Mit einem Sparhaushalt, der zum Schluss immer weniger aus Sparen bestand und immer mehr aus finanziellen Zugeständnissen an alle möglichen politischen Vertreter. Barnier hoffte, damit das Gesetz doch irgendwie durchs Parlament zu bringen. Es ehrt ihn, dass er sich dieser schwierigen Aufgabe gestellt hat.
    Denn Frankreich muss dringend sparen. Das weiß man auch bei den Linken und dem Rassemblement National. Beide haben ihre Vorschläge dazu vorgelegt. Sie liegen aber weit entfernt von denen der gestürzten Regierung.
    Unklar ist leider, ob auch bei den Französinnen und Franzosen angekommen ist, dass ihr Land den Gürtel enger schnallen muss. Laut Umfragen war eine knappe Mehrheit der Bürger dafür, dass die Regierung und damit der Sparhaushalt fallen. Vielen von ihnen wird wohl jetzt im Nachhinein klar werden, dass der Regierungssturz in Frankreich nicht die Lösung des Problems ist.