Frédéric, 19 Jahre alt, Bäckerlehrling aus Paris:
"Ich wurde hier eingestellt, das erste Jahr war nicht gerade super, aber ich hab das weitergemacht, doch es ist nicht gerade meine Leidenschaft hier zu arbeiten."
Schlechtes Image der Ausbildung
Wer in Frankreich einen Klempner braucht, muss mit wochenlangen Wartezeiten rechnen. Warum ist das so? Margarete Riegler-Poyet von der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer in Paris:
"Weil es eben ganz wenige wirklich ausgebildete Handwerker gibt, meistens sind die angelernt hier, und es gibt viel zu wenig Betriebe, die als Klempner arbeiten. Und auf diesem Niveau sucht man wirklich junge Leute, die sich dafür interessieren, aber da das Image der Ausbildung sehr schlecht ist und auch des Handwerks an sich - also die Ausbildung ist hier eher für schlechte Schüler, die nicht die Leistungen erbringen, um weiterstudieren zu können."
Diesen Eindruck bestätigt Marcel Dupont, ein Klempner aus Saint-Denis.
"Wir brauchen grundsätzlich andere Leute, als die, die wir jetzt bekommen. Das sind vor allem Jugendliche, die irgendwie Schwierigkeiten haben. Wir brauchen aber Lehrlinge, die richtig lesen und rechnen können, die ein bisschen Ahnung von Geometrie haben, also kompetente Leute mit manuellen Fähigkeiten."
Nur drei Prozent der Unternehmen bilden selber aus. Alle anderen zahlen eine Abgabe an den Staat: Die Lehrlingsausbildung wird von den Ministerien für Arbeit und Bildung organisiert, die Regionen sind beteiligt, außerdem die Kammern, die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände.
Keine wirkliche Ausbildung für den Beruf
Es gibt zwei Arten von Berufsschulen: Absolventen der "Lycées professionels" verbringen während ihrer zweijährigen Ausbildung nur 12 - 16 Wochen in einem Betrieb; mit dem deutschen "dualen System" eher vergleichbar sind die "Centres de formation d‘apprentis", doch auch hier wird nur etwa ein Drittel der Lehre in einem Betrieb absolviert.
Margarete Riegler-Poyet:"Man bildet eigentlich einen Jugendlichen nicht wirklich für einen Beruf aus, es ist eher so, dass man für ein Diplom ausbildet. Selbst in der dualen Ausbildung – unter Anführungszeichen – ist es wichtig, dass man eben dieses Zertifikat bekommt und nicht unbedingt die Kompetenzen, die man erwirbt."
Unternehmen mehr in den Mittelpunkt stellen
Mit der Reform zur Berufsbildung soll das System grundlegend geändert werden. Bisher konnten die Regionen als zuständige Verwaltungsebene in großem Umfang mitentscheiden, wo eine Berufsschule eingerichtet wird und wie. Nun sollen Berufsschulen überall da möglich werden, wo Unternehmen Bedarf sehen - ohne besondere staatliche Genehmigung. Und nicht mehr die Regionen, sondern die Branchenverbände der Arbeitgeber sollen über das Gros der zu vergebenden Mittel entscheiden.
Pierre Gattaz, Präsident des Unternehmerverbandes MEDEF: "Es braucht einen Verantwortlichen. Sonst wird es nicht gehen. Und es sind die Unternehmen, die gute Lehrlinge brauchen, die Unternehmen stehen im Mittelpunkt des Systems! Ihnen und den Branchenverbänden muss man die Ausbildung anvertrauen. In Zusammenarbeit mit der Regierung natürlich und mit den Regionen: damit das System besser wird."
Hervé Morin, Präsident der Vereinigung der Regionen Frankreichs, sieht das ganz anders:
"Hören wir doch auf, Geschichten zu erzählen! M. Gattaz will eine Ausbildung nach Angebot und Nachfrage. Das bedeutet: Auf dem Land, wo es wenige Jugendliche gibt, wo es nur wenige Unternehmen gibt, wird es keine Ausbildung mehr geben! Für den Markt sind die schwierigen Vorstädte, sind die ländlichen Gebiete uninteressant – alles wird schwieriger als vorher!"
Der Streit darüber dauert an. Erstaunlich wenig kontrovers wird diskutiert, dass die Ausbildungsverträge flexibler werden: Arbeitszeiten vor 6 Uhr sollen auch für minderjährige Lehrlinge zulässig werden, ebenso die 40-Stunden-Woche.