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Frankreich und der 11. November

Der 11. November 1918, das Ende des Ersten Weltkrieges, wird in Frankreich feierlich begangen. Nun hat Staatspräsident Sarkozy durch seinen Außenminister Kouchner erklären lassen, es wäre doch schön, wenn der 11. November ein gemeinsamer, ein deutsch-französischer Feiertag würde. Doch wie wurde der Vorschlag aufgenommen?

Von Hans Woller |
    Ein Jugendlicher aus Deutschland, der erstmals in seinem Leben mit wachen Augen ein französisches Dorf wahrnimmt, und sei es noch so klein - er wird über eines erstaunt sein: über das obligatorische Kriegerdenkmal und die oft unvorstellbar langen Namenslisten der Gefallenen unter den Jahreszahlen 1914-18 - allein dies genügt, um zu verstehen, warum Frankreich den Waffenstillstand am Ende des Ersten Weltkriegs bis heute feiert und warum dieser Krieg in Frankreich " La Grande Guerre" , der große Krieg genannt wird - ein Krieg der auf dem flachen Land oft die gesamte männliche Bevölkerung dezimiert und, anders als in Deutschland, im Norden und Osten Frankreichs im Lauf von vier Jahren ganze Landstriche verwüstet hat. Der Historiker, Max Gallo:

    "Dieses Gedenken ist eines der am tiefsten verwurzelten in der Realität der französischen Geschichte und ist aktuell. Und vor allem: es gibt keine französische Familie, die nicht einen ganz persönlichen Bezug zum Ersten Weltkrieg hätte. Man muss bedenken: Man hat damals fast vier Millionen junge Leute mobilisiert, es hat über zwei Millionen Verwundete gegeben, die in den Jahren nach dem Krieg weiterlebten."

    Wie im vergangenen Jahr werden heute an den Gedenkfeiern in 36.000 Gemeinden Frankreichs vielerorts sogar auch Schulklassen teilnehmen. Ein 16-Jähriger:

    "Wir lernen das im Geschichtsunterricht, aber auch in meiner Familie ist dieser Tag noch ein wichtiger Tag, ich bin sehr früh dafür sensibilisiert worden."

    Als im letzten Jahr die Gedenkfeiern zum 11. November erstmals ohne einen noch lebenden Veteranen stattfanden, da zeigten alle französischen Fernsehanstalten nochmals Aufzeichnungen mit dem inzwischen verstorbenen letzten "Poilu" , Lazare Ponticelli :

    "Vielleicht ist es das letzte Mal, aber ich habe eben getan, was nötig war, um meinen toten Kameraden nochmals die Ehre zu erweisen."

    Lazare Ponticelli hatte als letzter französischer Veteran ein Staatsbegräbnis strikt abgelehnt, Nicolas Sarkozy aber ließ sich nicht davon abhalten, nach dessen Ableben im Pariser Invalidendom einen Staatsakt zu inszenieren, beim dem er im März 2008 noch sagte:

    "Jugend Frankreichs, erinnere dich stets, was du den Frauen und Männern schuldest, die in der Not und im Unglück Größe gezeigt haben. Jetzt wird niemand mehr seinen Enkeln und Urenkeln berichten können vom schrecklichen Leben in den Schützengräben, vom Kampf im Argonnenwald oder am Chemin des Dames, und niemand wird mehr den alten Veteranen hören, der zu seinen Enkeln und Urenkeln sagt: Führt nie wieder Krieg! Es ist unsere Pflicht, dass über die Geschichte hinaus die Erinnerung lebendig bleibt, dies ist eine nationale und menschliche Pflicht."

    Seit seinem Amtsantritt 2007 wird Präsident Sarkozy immer wieder kritisiert, mit oft umstrittenen, symbolischen Gesten Momente aus der jüngeren Geschichte Frankreichs für sein eigenes Image zu instrumentalisieren - so mancher verdächtigt den Präsidenten, mit dem heutigen Auftritt unter dem Pariser Triumphbogen an der Seite Angela Merkels ein ähnlich geschichtsträchtiges Bild für die Nachwelt schaffen zu wollen, wie Francois Mitterrand und Helmut Kohl dies getan hatten mit ihrem Händedruck über den Gräbern von Verdun . Sein Ansinnen, darüber hinaus den 11. November nun zum Tag der deutsch- französischen Freundschaft zu erklären und zum gemeinsamen Feiertag in beiden Ländern zu machen, dürfte jedoch misslingen . Die deutsche Seite würde die ökonomische Tragweite eines zusätzlichen Feiertags nur schwer akzeptieren und auch in Frankreich regt sich schon Widerstand. Zwei Vertreter eines Veteranenverbandes in einem lothringischen Dorf:

    "Mein Vater hat elf Monate hier gekämpft und wenn ich an ihn denke, empfinde ich diesen Schritt als Verrat. Dass Sarkozy so was ins Auge fasst, scheint mir unglaublich , aber er ist eben jung und hat selbst keinen Krieg erlebt . Natürlich , die deutsch französische Brüderlichkeit, das ist wichtig, aber man kann ein anderes Datum finden, schließlich gibt es 360 Tage im Jahr, warum kommt er daher und will diesen Tag abschaffen , ich bin seit 40 Jahren Fahnenträger, man kann doch nicht plötzlich all die vergessen, die ihr Leben geopfert haben."

    Im kollektiven Gedächtnis Frankreichs, tief im Herzen der Bürger, wird der 11. November noch lange in erster Linie für den glorreichen Sieg über die Deutschen stehen in einem Krieg, der das Land jedoch ausgeblutet hat. Und der, anders als der Zweite Weltkrieg, nicht mit der Schmach behaftet ist, dass die feindlichen Truppen die Hauptstadt Paris und das ganze Land besetzen konnten.