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Frankreich und der Brexit
Transportunternehmen wappnen sich für No-Deal

Im Hafen von Calais sind längst alle Vorbereitungen für einen Brexit getroffen: Neue Parkplätze und Flächen für Grenz-Kontrollen wurden gebaut, um zu erwartende Staus zu verringern. Der Hafenbetreiber blickt gelassen auf die Brexit-Abstimmung heute. Andere Unternehmer sind weitaus besorgter.

Von Anne Françoise Weber |
    Flüchtlinge stehen am Rande einer Autobahn, auf der Lkws fahren. Über der Straße weist ein Schild Richtung Eurotunnel.
    Stehende LKW werden von Geflüchteten genutzt, um illegal nach Großbritannien einzureisen. In Calais bereitet man sich auf ein Grenzkontroll-Debakel vor. (PHILIPPE HUGUEN / AFP)
    Im Büro von David Sagnard hängt eine große Straßenkarte von Großbritannien an der Wand. Nur ganz im Südosten ist noch ein kleiner Zipfel von Frankreich zu sehen – vor allem die Hafenstadt Calais, in der Sagnards Transportunternehmen Carpentier mit rund hundert Angestellten das größte seiner Art ist. Bei schönem Wetter kann man vom Hafen bis nach Dover sehen. Doch momentan ist die Fernsicht gar nicht gut, besonders auf politischer Ebene, klagt Sagnard:
    "Wir stecken heute im echt britischen Nebel. Wir wissen überhaupt nicht, was passieren wird. Erstmal warten wir auf die politische Entscheidung des britischen Parlaments über den Vertragsentwurf von Frau May und der Europäischen Union. Und dann muss noch das Europäische Parlament ihn ratifizieren."
    Er selbst glaube kaum noch an einen geordneten Brexit, gesteht Sagnard. Deswegen spricht er auch schon mit seinen Kunden über die verschiedenen Szenarien. Denn:
    "Der Güterverkehr ist flexibel und kann sich anpassen. Nur nicht von heute auf morgen, dazu braucht man etwas Zeit, um all das vorzubereiten."
    Transportkosten könnten kräftig steigen
    Zwischen 2 Minuten und einem Tag zusätzlicher Wartezeit sei alles möglich, meint Sagnard, der auch lokaler Verbandsvertreter des französischen Güterkraftverkehrs ist. Er veranschlagt als Kosten ganz grob einen Euro pro Minute für jeden seiner Lastwagen. Die Transportpreise könnten also kräftig in die Höhe gehen. Und es könnten auch wieder mehr Migranten ohne Papiere versuchen, sich für die Überfahrt nach Großbritannien in den Lastwagen verstecken, wenn diese lange im Stau stehen.
    Sagnard hofft zwar, mit seinem gut ausgebildeten Personal die Billig-Konkurrenz aus anderen Ländern auszustechen und mehr Aufträge zu bekommen, wenn es Zollformalitäten zu erledigen gilt – unklar bleibt für ihn aber, wie diese technisch abgewickelt werden sollen:
    "Es soll jetzt ein System per Smartphone geben. Als ob die Lastwagenfahrer alle Smartphones hätten. Wir sind das größte Unternehmen vor Ort, wir kommunizieren digital mit unseren Fahrern – aber mit einem System, das direkt in die Fahrzeuge eingebaut ist. Wird das mit ihrem System kompatibel sein? Das weiß man nicht, denn die Leute vom Hafen bleiben unter sich, sie besprechen sich nicht mit uns, den Transportunternehmern."
    Fragt man im Hafen von Calais nach, genauer gesagt beim Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, dann sieht die Sache ganz anders aus. Stolz präsentiert Jean-Marc Puissesseau bei der jährlichen Pressekonferenz nicht nur die beachtlichen Umschlagszahlen - fast 46 Millionen Tonnen Güter und über 9 Millionen Reisende 2018 – er legt auch großen Wert auf die Vorbereitungen und Investitionen für den Brexit.
    "Ich sehe ab dem 29. März überhaupt kein Problem, egal ob mit oder ohne Vertrag. Großbritannien verlässt die Europäische Union, der Hafen von Calais ist vorbereitet, damit der Güterverkehr genauso läuft wie heute."
    Neue Flächen für Kontrollen geschaffen
    Sechs- bis zehntausend Lastwagen kommen täglich durch den Hafen von Calais, da könnte jedes Stocken schnell zu endlosen Staus führen. Doch solche Szenarien weist Puissesseau weit von sich. Er bemüht sich, das Wort Kontrolle zu vermeiden, als er Journalisten durch den Hafen führt. Man prüfe lediglich am Eingang des Hafens, ob die Fahrer ihre Zollerklärung haben; in diesem Fall sei die Weiterfahrt gleich möglich. Ansonsten müsse ein neu geschaffener Parkplatz angesteuert werden, um erst noch die Papiere zu besorgen.
    Auch für Veterinärkontrollen seien neue Flächen geschaffen worden, ebenso für die Stichprobenkontrollen der Zollbehörden. 6 Millionen Euro wurden hierfür im Hafen von Calais investiert. Und was, wenn es doch gar nicht zum Brexit kommen sollte? Für diesen unwahrscheinlichen Fall bleibt Hafenchef Puissesseau nur noch sein Humor:
    "Dann lassen wir das zur Erinnerung. Mit einer schönen Gedenktafel, die wir den Briten in Rechnung stellen. Inschrift: Hier ruht der Brexit."