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Frankreich und der Konflikt um Bergkarabach
"Türkei entwickelt sich zu einem antieuropäischen Partner"

Im Konflikt um die Region Bergkarabach versucht der französische Staatspräsident Macron zu vermitteln. Er konfrontiere dabei gezielt die Türkei, welche ebenfalls interveniert, sagte Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf. Er wolle zeigen: Die Türkei sei zunehmend ein antieuropäischer Partner.

Ronja Kempin im Gespräch mit Christoph Schäfer |
Macron steht unter Bäumen an einem Rednerpult mit den französischen Farben, spricht in ein Mikrofon und gestikuliert mit der erhobenen Hand. Er ist von der Seite fotografiert.
Vor zwei Wochen hatten Griechenland und Zypern zusammen mit Italien und Frankreich eine Marineübung im östlichen Mittelmeer durchgeführt. Heute endet eine türkisches Manöver vor der Küste Nordzyperns. (Ludovic Marin / AP / dpa)
Frankreich-Expertin Ronja Kempin von der SWP in Berlin beobachtet, dass sich derzeit für Paris verschiedene außenpolitische Interessen im Südkaukasus vermengen. Für eine friedliche Lösung suche Staatspräsident Emmanuel Macron ein vertrautes Verhältnis zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Beide gehören der Minsk-Gruppe an, die seit den 1990er-Jahren im Konflikt um die Region Berg-Karabach vermittelt.
Kempin: "Mit Moskau die Türkei in die Schranken weisen"
Zum anderen werde diese Annäherung durch die Intervention der Türkei im Südkaukasus befördert. "Paris versucht mit Hilfe Moskaus die Türkei ein wenig in die Schranken zu weisen," so Kempin. Ihr zufolge betrachtet Frankreich mit Argwohn, wie die Türkei Aserbaidschan im Konflikt unterstützt. Macron deute die Intervention als Machtambition in der Region und führt aus:
"Für Paris ist ganz klar, dass sich die Türkei zu einem Akteur entwickelt, der zunehmend antieuropäische Politik betreibt und den europäischen Interessen in der unmittelbaren Nachbarschaft zuwiderläuft."
Der Sitz des Präsidenten der nicht anerkannten "Republik Berg-Karabach" in der Hauptstadt
Ein stark historisch aufgeladener Konflikt
Im Kaukasus ist ein seit vielen Jahrzehnten schwelender Konflikt wieder eskaliert. Es geht um Bergkarabach, eine Region zwischen Armenien und Aserbaidschan, auf die beide Seiten Anspruch erheben. Russland und die Türkei haben sich mittlerweile in den Konflikt eingeschaltet.
Dies zeige sich daran, dass Ankara keine Gelegenheit auslasse, um Konflikte zu befördern oder friedliche Lösungen aktiv verhindere. Das zeige sich auch daran, wie die Türkei Europa in der Migrationspolitik erpresse, wie sie sich an den Konflikten in Syrien und Libyen beteilige - und neuerdings: wie sich Ankara im Gasstreit im östlichen Mittelmeer positioniert.
Intervention aus einer historischen Verantwortung gegenüber Armenien
Innenpolitisch agiere Macron im Südkaukasus aus einer historischen Verantwortung gegenüber Armenien. Kempin verweist auf eine armenische Minderheit in Frankreich, die rund 500.000 Menschen umfasse. "Wir haben es hier mit einer aktiven Diaspora zu tun, die aber eben auch auf die Unterstützung Frankreichs zählen kann", betont Ronja Kempin.
Die französisch-armenische Beziehung reicht dabei in die 1920er-Jahre zurück. Damals habe Frankreich Menschen aus Armenien zur Flucht verholfen, als das Osmanisches Reich Gebietsansprüche in Südanatolien stellte. Aufgrund dieser gemeinsamen Geschichte habe Paris bereits 2001 den Völkermord an den Armeniern anerkannt.