Frankreich-Expertin Ronja Kempin von der SWP in Berlin beobachtet, dass sich derzeit für Paris verschiedene außenpolitische Interessen im Südkaukasus vermengen. Für eine friedliche Lösung suche Staatspräsident Emmanuel Macron ein vertrautes Verhältnis zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Beide gehören der Minsk-Gruppe an, die seit den 1990er-Jahren im Konflikt um die Region Berg-Karabach vermittelt.
Kempin: "Mit Moskau die Türkei in die Schranken weisen"
Zum anderen werde diese Annäherung durch die Intervention der Türkei im Südkaukasus befördert. "Paris versucht mit Hilfe Moskaus die Türkei ein wenig in die Schranken zu weisen," so Kempin. Ihr zufolge betrachtet Frankreich mit Argwohn, wie die Türkei Aserbaidschan im Konflikt unterstützt. Macron deute die Intervention als Machtambition in der Region und führt aus:
"Für Paris ist ganz klar, dass sich die Türkei zu einem Akteur entwickelt, der zunehmend antieuropäische Politik betreibt und den europäischen Interessen in der unmittelbaren Nachbarschaft zuwiderläuft."
Dies zeige sich daran, dass Ankara keine Gelegenheit auslasse, um Konflikte zu befördern oder friedliche Lösungen aktiv verhindere. Das zeige sich auch daran, wie die Türkei Europa in der Migrationspolitik erpresse, wie sie sich an den Konflikten in Syrien und Libyen beteilige - und neuerdings: wie sich Ankara im Gasstreit im östlichen Mittelmeer positioniert.
Intervention aus einer historischen Verantwortung gegenüber Armenien
Innenpolitisch agiere Macron im Südkaukasus aus einer historischen Verantwortung gegenüber Armenien. Kempin verweist auf eine armenische Minderheit in Frankreich, die rund 500.000 Menschen umfasse. "Wir haben es hier mit einer aktiven Diaspora zu tun, die aber eben auch auf die Unterstützung Frankreichs zählen kann", betont Ronja Kempin.
Die französisch-armenische Beziehung reicht dabei in die 1920er-Jahre zurück. Damals habe Frankreich Menschen aus Armenien zur Flucht verholfen, als das Osmanisches Reich Gebietsansprüche in Südanatolien stellte. Aufgrund dieser gemeinsamen Geschichte habe Paris bereits 2001 den Völkermord an den Armeniern anerkannt.