Die erste Runde der Präsidentschaftswahl findet zum ersten Mal überhaupt unter den Bedingungen des Ausnahmezustands statt. Nach den islamistischen Anschlägen in den beiden vergangenen Jahren wurde er immer wieder verlängert. Mehr als 50.000 Polizisten und 7.000 Soldaten sollen die Abstimmung schützen. Seit dem Morgen sind die Wahllokale in Frankreich geöffnet.
Wahlberechtigt sind knapp 47 Millionen Bürger. Bis 17 Uhr hatten laut Innenministerium gut zwei Drittel aller Wahlberechtigten abgestimmt. 2012 seien es zu diesem Zeitpunkt 70,6 Prozent gewesen. Damals lag die Beteiligung am Ende bei 79,5 Prozent. Vor vielen Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen, unter anderem in Paris, aber auch vor französischen Auslandsvertretungen etwa in Berlin und London.
Elf Kandidaten treten an
Von den elf Kandidaten haben Umfragen zufolge vier Chancen auf eine Teilnahme an der Stichwahl am 7. Mai. Als Favorit gilt der sozialliberale Ex-Wirtschaftsminister Macron. Der 39-Jährige gilt als Reformer und Anhänger der europäischen Integration. Knapp hinter Macron liegt die rechtsextreme Euro-Gegnerin Le Pen. Sie will die Franzosen über die EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen. In den Umfragen ist auch der konservative Ex-Ministerpräsident Fillon wieder weiter nach vorn gerückt. Dem linken EU-Skeptiker Melenchon werden Außenseiterchancen eingeräumt. Der sozialistische Präsident Hollande tritt nicht mehr an. Die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen ziehen in die Stichwahl ein.
Bis zum Nachmittag gaben alle elf Präsidentschaftskandidaten ihre Stimmen ab, darunter auch die vier Favoriten: Macron und Le Pen wählten im Département Nord-Pas-de-Calais ganz im Norden von Frankreich, Fillon und Mélenchon in Paris.
In der ostfranzösischen Stadt Besancon musste ein Wahllokal aus Sicherheitsgründen vorübergehend evakuiert werden. Ein in der Nähe geparktes verdächtiges Fahrzeug sei von Sprengstoffexperten untersucht worden, wie die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf das Innenministerium berichtet. Kurz darauf sei das Wahllokal wieder geöffnet worden. Weitere Zwischenfälle habe es bis zum Mittag nicht gegeben.
Der offizielle Wahlkampf ist am Freitagabend zu Ende gegangen. Mehrere Kandidaten hatten wegen der Pariser Terrorattacke letzte Auftritte oder Kundgebungen abgesagt. Ein 39-Jähriger hatte am Donnerstagabend in Paris mit einem Sturmgewehr auf Polizisten geschossen und einen Beamten getötet. Zwei weitere Beamte und eine deutsche Passantin wurden verletzt. Die Terrormiliz IS reklamierte das Attentat für sich.
Schicksalwahl für Europa
Bei der Wahl wird ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin von Staatschef Hollande gesucht. Für Unsicherheit unter den Demoskopen sorgt die große Zahl der Unentschlossenen: Knapp ein Drittel der Wähler wusste Umfragen zufolge bis zuletzt nicht, wie sie abstimmen würden. Das könnte Forschern zufolge vor allem dem rechtsextremen Front National von Le Pen nützen.
Die letzten Wahllokale schließen heute Abend um 20.00 Uhr, danach werden erste Hochrechnungen erwartet. Für den französischen Politologen Daniel Vernet sind zwei Szenarien denkbar: Auf der einen Seite traut er neuen politischen Kräften wie Le Pen oder dem Sozialliberalen Macron den Sieg zu. Es sei aber auch eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen denkbar, in der ein Vertreter der moderaten Rechtsparteien wie Ex-Ministerpräsident Fillon gewinnt, sagte Vernet im Deutschlandfunk.
In der Europäischen Union richtet sich das Interesse vor allem auf das Abschneiden der Rechtspopulistin Le Pen sowie des Linksaußen-Kandidaten Jean-Luc Mélenchon. Sollte einer der beiden die zweite Wahlrunde gewinnen, drohen der EU schwere Turbulenzen: Le Pen lehnt den Euro ab und strebt auch einen Austritt ihres Landes aus der EU an. Mélenchon will ebenfalls ein Referendum über den Austritt Frankreichs aus der EU abhalten, sollten Deutschland und andere Mitgliedsstaaten keinen radikalen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik vornehmen.
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot sagte im Deutschlandfunk, Le Pen besetze Themen wie Lohngleichheit, Homo-Ehe und mache insbesondere den Frauen das Versprechen, sie vor dem Islamismus zu schützen. Damit habe sie Erfolg, auch wenn ihre Politik sehr stark ins Emotionale und Symbolische gehe.
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