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Frankreich
Warten auf Taten

Frankreichs Präsident François Hollande will mit einer Reforminitiative die Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen und die Arbeitslosigkeit senken. Davon sind viele im Land nicht begeistert.

Von Ursula Welter |
    Porträtaufnahme von Frankreichs Staatspräsident François Hollande mit verkniffenem Gesichtsausdruck
    Frankreichs Staatspräsident François Hollande: Bei seinen Reformplänen orientiert er sich an Deutschland. (dpa / pa)
    War das noch derselbe François Hollande? Der Mann, der sich seinen Wählern vor zwei Jahren als Freund der Reichensteuer und Feind des Kapitals empfohlen hatte ?
    "Das ist eine gigantische Täuschung", schimpfte am Morgen danach Jean-Luc Melenchon aus der Ecke der Linkspartei. "Er hat mit einer Rede gegen die Finanzwelt begonnen und endet mit Geschenken ohne Gegenleistung für die Unternehmen."
    Die Arbeitslosigkeit in Frankreich liegt im Landesdurchschnitt bei knapp elf Prozent. In manchen Stadtteilen und Regionen steht ein Drittel der Jugend und mehr auf der Straße. Deshalb will Francois Hollande jetzt eine eindeutigere Angebotspolitik als bisher verfolgen. Bis 2017 sollen die Sozialabgaben für Unternehmen und Selbständige um 30 bis 35 Milliarden Euro sinken, entsprechend dem Anteil der Arbeitgeber an den Familienleistungen.
    Allerdings räumte der Präsident gestern, wenn auch erst auf Nachfrage, ein, dass diese Entlastung nicht zusätzlich zum bereits beschlossenen "Wettbewerbspakt" vorgesehen sei. Der 2012 beschlossene Pakt, zu dessen Gegenfinanzierung gerade die Mehrwertsteuer angehoben wurde, sieht Steuererleichterungen bis 2015 von insgesamt 20 Milliarden Euro vor. Die Unternehmen müssten sich dann entscheiden zwischen Steuersenkung und Abgabenkürzung, präzisierte der Präsident.
    Da viele Details in den weiteren Verhandlungen erst noch geklärt werden müssen, reagierte die Arbeitgeberseite entsprechend vorsichtig. Die Vorschläge gingen eindeutig in die richtige Richtung, hieß es im Verband MEDEF. Jetzt aber müssten Taten folgen.
    50 Milliarden Euro müssen gespart werden
    Am 21. Januar sollen Gewerkschaften und Arbeitgeber im Elysée-Palast an einen Tisch kommen und das neue Entlastungsprojekt für die Wirtschaft offiziell aus der Taufe heben. Laurent Berget für die Gewerkschaft CFDT sagte:
    "Uns scheint wichtig, dass der Präsident von überprüfbaren Zahlen für neue Arbeitsplätze gesprochen hat, als Gegenleistung für die Entlastung der Unternehmen."
    Einzelne Firmenchefs klagten jedoch bereits, sollte die geplante "Beobachtungsstelle" sich zu einem bürokratische Monster entwickeln, mache das alle Entlastungen wieder zunichte. Der sozialistische Präsident, der sich nunmehr "sozialdemokratisch" nennt, glaubt, trotz aufkeimender Kritik, an die Mehrheit für sein Projekt im Parlament. Zur Sicherheit will Hollande am Ende des Tages mit dem Thema die Vertrauensfrage verbinden.
    Steinig wird nicht zuletzt der Weg des Sparens, Frankreichs Schuldenstand hat sich im vergangenen Jahr weiter aufgetürmt auf jetzt gut 93 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Neuverschuldung bei 4,1 Prozent im vergangenen und voraussichtlich 3,7 Prozent in diesem Jahr - jedenfalls deutlich oberhalb der Maastrichter Kriterien.
    Deshalb müssten zwischen 2015 und 2017 weitere 50 Milliarden eingespart werden. Dazu will der Präsident Missbrauch in den sozialen Sicherungssystemen bekämpfen, Strukturen verändern, den Staatsapparat entschlacken und die Landkarte Frankreichs neu zeichnen, weniger Regionen, weniger Departements, mithin weniger staatliches Personal. Die ersten Widerstände formieren sich.