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Frankreichs Afrikapolitik
Warum die Ex-Kolonien so wichtig sind

In den vergangenen Jahren haben mehrere französische Präsidentschaftskandidaten und Präsidenten versprochen, die Afrikapolitik zu verändern: Weg vom Hegemonial-Verhalten hin zu einem Verhältnis auf Augenhöhe. Umgekehrt plädieren Afrikas Mächtige gerne für mehr Eigenständigkeit gegenüber der Ex-Kolonialmacht. Viel passiert ist allerdings nicht.

Von Jens Borchers |
    Kakaofarm in der Nähe des Nationalparks Tai in der Elfenbeinküste
    Uran aus Niger und Gabun, Kakao von der Elfenbeinküste - es gibt immer noch viele Verbindungen zwischen Paris un den ehemaligen Kolonien. (imago/epd)
    Tiken Jah Fakoly ist einer der einflussreichsten Musiker Westafrikas. Und er hat eine klare Meinung zur Rolle Frankreichs auf dem Kontinent: Frankreich reiße Witze über Afrika, singt Tiken Jah sinngemäß. Und Frankreich töte Afrikaner, stehle die Rohstoffe und liefere Waffen, damit die Bürgerkriege nicht aufhören.
    Frankreichs offizielle Position zu seiner Afrikapolitik klingt in den Worten von Präsident François Hollande so:
    "Frankreich interveniert nicht in Afrika, um eigene Interessen zu verfolgen. Auch nicht, um die politischen Regeln oder einzelne Regierungen zu verändern. Frankreich unterstützt Afrika, weil wir glauben, dass es großes Potenzial hat."
    Frankreich hat nie die eigenen Interessen aus den Augen verloren
    Frankreich ist vor allem in seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien präsent. Die "Grande Nation" hat beim oft schmerzhaften Prozess der Entkolonialisierung in den 60er- und 70er-Jahren nie die eigenen Interessen aus dem Auge verloren: Französisch blieb als Sprache Pflicht. Und auch heute noch existieren zwei Währungsverbünde mit insgesamt 15 afrikanischen Staaten. Deren Reserven liegen bei der französischen Zentralbank. Wem die gemeinsame Währung des Franc-CFA mehr Vorteile bietet – Frankreich oder den afrikanischen Staaten – ist ziemlich umstritten.
    Und Frankreichs Konzerne sind massiv präsent in den Ex-Kolonien: die Baufirma Bolloré, der Erdöl-Riese Total oder der Telekomm-Konzern Orange. Stefan Brüning, der sich bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik mit der französischen Afrika-Politik befasst, sagt dennoch über den Einfluss der Franzosen:
    "Ich glaube, er ist tendenziell eher zurückgegangen. Aber es gibt nach wie vor ausgeprägte, klientelistisch organisierte Verbindungen zwischen Paris und den ehemaligen Kolonien."
    Uran aus Niger und Gabun, Kakao von der Elfenbeinküste, Aufträge für französische Firmen in vielen verschiedenen Staaten West- und Zentralafrikas. Etwa 9.000 französische Soldaten sind auch dort stationiert. Offizieller Auftrag: Kampf gegen Terroristen und Ausbildung afrikanischer Truppen. Aber auch Philippe Hugon, französischer Afrika-Spezialist, weist darauf hin, dass das Engagement Frankreichs teilweise zurückgeht:
    "Frankreich engagiert sich weniger bei Handel, Finanzen und Investitionen. Im Gegensatz dazu hat es seinen Einfluss in der Währungspolitik und bei der Militärpräsenz beibehalten."
    Frankreichs Großmacht-Rolle kostet Geld
    Die Konkurrenz wächst allerdings: China arbeitet eng mit vielen afrikanischen Staaten zusammen. Die USA haben sich in den vergangenen Jahren stärker engagiert. Und: Frankreichs Großmacht-Rolle kostet Geld. Militär-Interventionen und Entwicklungszusammenarbeit sind teuer. Frankreich hat angesichts seiner andauernden wirtschaftlichen Probleme zunehmend Schwierigkeiten, dieses Geld aufzubringen. Schrittweise rückt die Europäische Union in der Afrikapolitik in den Vordergrund. Stefan Brüne von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sagt:
    "Aber das würde bedeuten, dass ein Teil der Pariser Elite seine bisherigen Einflussmöglichkeiten verlieren würde. Und ich sehe nicht ab, dass die dazu bereit sind."
    In den vergangenen Jahren haben mehrere Präsidentschaftskandidaten und Präsidenten versprochen, die Afrikapolitik zu verändern. Vom Hegemonial-Verhalten herunterzugehen auf Augenhöhe mit den afrikanischen Staaten. Davon war dann in der praktischen Politik in aller Regel wenig zu sehen.
    Umgekehrt plädieren Afrikas Mächtige vor heimischem Publikum gerne für mehr Eigenständigkeit gegenüber der Ex-Kolonialmacht. Der amtierende Präsident der Staatengemeinschaft Afrikanische Union, Guineas Staatschef Alpha Condé, tat genau das kürzlich mal wieder:
    "Wir sind nach wie vor zu stark mit der ehemaligen Kolonialmacht verbunden", sagte Condé. "Lassen Sie uns diese Nabelschnur kappen." Nur zwei Wochen später war Condé zu Besuch in Paris und bedankte sich dort bei Präsident Hollande, der viel für Afrika getan habe.
    Sturm der Entrüstung
    Emmanuel Macron, der politische Komet im französischen Präsidentschaftswahlkampf, erweckt in seiner Kampagne auch wieder mal den Eindruck, Frankreichs Politik gegenüber den ehemaligen Kolonien verändern zu wollen. Bei seinem Besuch in der ehemaligen französischen Kolonie Algerien im Februar sagte er:
    "Die Kolonialisierung ist Teil der französischen Geschichte. Sie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, eine wahre Barbarei. Diesem Teil der Vergangenheit muss man sich stellen und sich bei denen entschuldigen, denen wir das angetan haben."
    Der Präsidentschaftskandidat sorgte damit für einen ziemlichen Sturm der Entrüstung in Frankreich. Und ruderte deshalb rasch zurück in die angestammten Gewässer französischer Afrikapolitik.