Die Nobelpreisträgerin verlässt ihren Garten - und ist so überwältigt von dem, was sie in ihrer Küche gerade im Radio gehört hat, dass sie sich nicht in der Lage sieht, den wartenden Journalisten einige Worte in die Mikrofone zu sagen:
„Je ne peux pas. Je suis heureuse, je suis fière“
In diesem Haus in Cergy, gut 30 Kilometer nordwestlich von Paris, wohnt und schreibt die 82-Jährige seit fast einem halben Jahrhundert.
Kurze Zeit danach sitzt Annie Ernaux im eleganten Stadtpalais ihres Verlags Gallimard im Faubourg St. Germain. Mehr pariserisches Kultur- und Literatur-Establishment geht nicht. Die Chronistin der Unterprivilegierten tritt aus einer vornehm verzierten, hohen Altbau-Tür - ganz ähnlich der, die sich um 13 Uhr an diesem 6. Oktober in Stockholm im Börshuset geöffnet hatte: Den Fokus auf soziale Ungerechtigkeiten, den die schwedische Akademie in ihrer Begründung hervorgehoben hatte, greift die neue Nobelpreisträgerin gleich in ihren ersten Sätzen auf. Ebenso wie ihren Einsatz für die Rechte der Frauen.
Die feinen Unterschiede der französischen Gesellschaft
Pierre Bourdieu, der Soziologe der „Distinction“, der „feinen Unterschiede“, ist ihr großes Vorbild. Durch ihn habe sie den Mut gefasst zu schreiben. Sie wurde eine „Transfuge de classe“, wie man in Frankreich sagt - jemand, dem es gelungen ist, durch Bücher und Bildung aufzusteigen, die Klassenschranken zu überwinden. In diesem Fall von der Krämerstochter Annie Duchesne - wie Annie Ernaux mit Mädchennamen hieß - zur gefeierten Schriftstellerin.
Die neue Literatur-Nobelpreisträgerin hat ihr Schaffen stets „zwischen Literatur, Soziologie und Geschichte“ beschrieben. Wer auch nur ein paar ihrer seit 1974 veröffentlichten rund 30 literarischen Texte - die man wegen der radikalen Wirklichkeitstreue eigentlich nicht als Romane bezeichnen möchte - gelesen hat, weiß, was damit gemeint ist:
„Dass bei Annie Ernaux das Partikulare immer auch das Universelle ist. Sie nimmt ihr konkretes Leben und schildert ganz persönliche Erfahrungen, aber es sind alles große Themen, die jeden Menschen betreffen letztlich. Nach den sozialen Verhältnissen, nach Zeit, nach dem Vergehen der Zeit, nach Krankheit und Tod, nach der Erinnerung.“
Sonja Finck hat seit 2017 ein halbes Dutzend von Annie Ernaux’ Büchern ins Deutsche übersetzt. Denn erst seit kurzem ist die Schriftstellerin aus Yvetot in der Normandie, die heute als Ikone des autofiktionalen Schreibens gilt, auch hierzulande ein Literatur-Star.
„Die Jahre“, „Eine Frau“ und „Erinnerungen eines Mädchens“ wurden damals kurz hintereinander in Deutschland veröffentlicht.
Nach einem umjubelten Auftritt bei der Kölner lit.COLOGNE sprach ich mit Annie Ernaux über ihr autobiografisches Buch über ihren Vater, der als Werftarbeiter und Kleinkrämer in prekären Umständen gearbeitet hatte:
Die Scham einer kleinbürgerlichen Herkunft
„In 'Der Platz' nehme ich die Perspektive eines Menschen ein, der die Klassenunterschiede und damit die gesellschaftliche Unterdrückung internalisiert hat.“
Die damit verbundene „Scham“ hat sie ihr ganzes Leben lang begleitet - das Gefühl, ihre kleinbürgerliche Herkunft verraten zu haben. Ihr Aufstieg via katholischer Privatschule - mit strengen Nonnen und zahllosen Pflicht-Gebeten am Tag - an die Universität in Rouen, ihre spätere Tätigkeit als Lehrerin und Hochschuldozentin, all das empfindet sie in gewisser Weise bis heute als Verrat an ihrer Herkunft, ihrer Familie.
„Als der Text in Frankreich erschien, war das für alle eine Überraschung. Wie konnte jemand auf diese Weise über jemanden aus der Arbeiterklasse schreiben? - Heute haben sich die Zeiten geändert. Es gibt jetzt eine große Sensibilität, was gesellschaftliche Unterdrückung anbetrifft. In den 80er-Jahren, als ich das Buch schrieb, war es unangebracht, von einer ,Klassengesellschaft´ zu sprechen.“
Die Bezeichnung „Transfuge de classe“ ist in den vergangenen Jahren im gesellschaftlichen Diskurs in Frankreich zu einem Modewort - und Schlagwort - geworden. Die sozialen Diskrepanzen - real oder gefühlt - werden auch in der Literatur sehr häufig thematisiert.
„Ein Buch schreiben, Literatur, das bedeutet: die Realität aufschreiben“, hat sie in einem Interview mit dem Radio-Sender France Inter am Morgen nach der Verkündung des Nobelpreises gesagt.
Radikale Selbstentblößung
Über ihren Vater, ihre Mutter, vor allem aber über das eigene Heranwachsen in bildungsfeindlicher Umgebung hat sie unerbittlich subjektiv, radikal sich selbst entblößend geschrieben.
Annie Ernaux’ jüngster Text, der jetzt in Sonja Fincks Übersetzung vorliegt, dringt in eine bislang verdrängte Realität vor. Er heißt „Das andere Mädchen“.
„Bei meiner Geburt warst du schon zweieinhalb Jahre tot. Du bist das Kind im Himmel, das unsichtbare kleine Mädchen, über das nie geredet wurde, die Abwesende aller Gespräche. Das Geheimnis.“
Ein Geheimnis. Ein Tabu. Die Zweitgeborene sollte nie erfahren, dass sie ein „Ersatz“ war für das erste Kind, Ginette, das die Eltern, so empfindet es jedenfalls die zurückblickende Ich-Erzählerin, viel mehr geliebt haben.
„Erst dreißig Jahren später, nachdem ich 'Der Platz' geschrieben hatte, brachte ich diese beiden Tatsachen, die in meinem Kopf bis dahin getrennt voneinander existiert hatten, zusammen – deinen Tod und die ökonomische Notwendigkeit, nur ein einziges Kind zu haben –, erst da schlug die Wirklichkeit ein: Ich wurde geboren, weil du gestorben warst, ich habe dich ersetzt.“
Auch in diesen knappen, analytischen Zeilen findet sich die Gnadenlosigkeit, ja Kälte, die Ernaux’ Schreiben ausmacht. „Klinisch“ hat die schwedische Akademie diese Beobachtungsgabe genannt. Annie Ernaux war mehr als 70 Jahre alt, als sie den Bericht über die verheimlichte Schwester zu Papier brachte - 2011 wurde „L’Autre fille“ im Original veröffentlicht. Aber noch immer ist die Erinnerung extrem peinigend:
„Ich mache ihnen keine Vorwürfe. Die Eltern eines toten Kindes können nicht wissen, was ihr Schmerz mit dem lebenden Kind macht.“
Gerade das scheinbar emotionslose Graben, das Notieren der Vergangenheit führt - paradoxerweise - zu todtraurigen Passagen. Und damit ist auch dieses Buch wieder typisch für die Hohepriesterin des autofiktionalen Schreibens: Es reiht sich ein in den großen Klagegesang über die Vergessenen und gesellschaftlich Dominierten - „les dominés“, heute würde man sagen: die Abgehängten -, ein literarisches Lamento, das die Schriftstellerin seit ihrem bislang noch unübersetzten Debüt „Les Armoires vides“ von 1974 anstimmt.
Erst recht seit „Der Platz“, für den sie 1984 den Prix Renaudot bekam. Den noch wichtigeren Prix Goncourt hat sie nie bekommen - wohl auch deshalb, weil dessen Jury dem Genre der „Autofiktion“ traditionell skeptisch gegenüber steht und lieber „echte“ Romane auszeichnet, die eine eigene, konstruierte, fiktionale Welt erschaffen. Ob autofiktionales Erzählen mehr ist als schlichte Abbildung der Wirklichkeit, darüber streitet der Literaturbetrieb nicht nur in Frankreich.
Die Kunst der Verknappung
Anders als ihr Bruder - oder, wenn man das Alter berücksichtigt, besser: Sohn - im Geiste des Autofiktionalen, der Norweger Karl Ove Knausgård, der dicke Wälzer mit seinen Seelenqualen füllt: Annie Ernaux beherrscht die Kunst der Verknappung, der Verdichtung, der absoluten Reduktion. Ihre Bücher sind oft kaum mehr als 100 Seiten dünn.
Ihr bislang letztes Werk hat sogar nur 48 Seiten. „Le jeune homme“, „Der junge Mann“, wird gerade von Sonja Finck übersetzt. In Frankreich liegt das schmale Gallimard-Bändchen schon seit dem Frühjahr überall in den Buchhandlungen, meist auf dem Bestseller-Tisch gleich am Eingang.
Ernaux schildert darin eine Affäre, die sie im Alter von Mitte 50 mit einem 30 Jahre jüngeren - armen - Studenten hatte: „Le jeune homme“.
Ernaux schildert darin eine Affäre, die sie im Alter von Mitte 50 mit einem 30 Jahre jüngeren - armen - Studenten hatte: „Le jeune homme“.
„Il y a trente ans, je me serais détournée de lui. Je ne voulais pas alors trouver dans un garçon les signes de mon origine populaire.“
30 Jahre früher hätte sie sich von ihm abgewendet, schreibt sie, weil sie an ihm die Zeichen ihrer eigenen Herkunft aus der Arbeiterklasse wahrgenommen hätte. Er nennt sie „Tussi“, sagt „stop“ statt „merci“, wenn sie ihm das Weinglas einschenkt. Er schneidet die Spaghetti und schiebt sich Kartoffeln mit der Messerspitze in den Mund - die Erzählerin erkennt in diesen Worten und Gesten die berühmten Bourdieu’schen „feinen Unterschiede“ in Sprache und Habitus, die eine unterprivilegierte Herkunft verraten können. Und die die mittlerweile arrivierte - „privilegierte“ -, im Bürgertum zumindest nach außen hin angekommene Hochschullehrerin an ihre eigene Jugend erinnern, als sie selbst noch von ihrer ländlich-ärmlichen Erziehung geprägt war.
Die leidenschaftliche Affäre scheitert an der stets präsenten Erinnerung der Ich-Erzählerin. Wegen dieser sie verwirrenden Rückspiegelung auf die eigene Jugend beendet sie die erotisch eigentlich prickelnde Beziehung mit dem jungen Mann an einem Tag im Herbst, dem letzten des 20. Jahrhunderts: „On était en automne, le dernier du vingtième siècle.“
Glücklich und allein ins neue Jahrtausend
Das Vergehen der Zeit, man spürt es, spielt auch und gerade in diesem Alterswerk der Nobelpreisträgerin eine entscheidende Rolle. Neben dem Körper, dem Körper der Frau. In diesem Ultra-Kurz-Text scheint sich das gesamte Schreiben der Annie Ernaux noch einmal zu verdichten.
„Je me découvrais heureuse d’entrer seule et libre dans le troisième millénaire.“
Ins dritte Jahrtausend, so lautet der letzte Satz, startet sie alleine, frei - und glücklich. Und so endet Annie Ernaux’ Petitesse über „Le jeune homme“ in erstaunlich heiterer, jedenfalls ungewohnt positiver Stimmung. Fast scheint es, als habe sie kurz vor dem Nobelpreis, mit über 80, einen neuen literarischen Ton gefunden.
In „Der junge Mann“ weicht der oftmals litaneihafte Gestus, mit dem Ernaux ihre radikale soziologische Selbstbefragung über die Jahrzehnte vorangetrieben hat, einem leichteren, ja: sanfteren Stil.
In „Der junge Mann“ weicht der oftmals litaneihafte Gestus, mit dem Ernaux ihre radikale soziologische Selbstbefragung über die Jahrzehnte vorangetrieben hat, einem leichteren, ja: sanfteren Stil.
Annie Ernaux’ Schreiben ist von zwei Grundmotiven geprägt: dem Anprangern sozialer Ungerechtigkeit, dem Denunzieren der „Klassengesellschaft“. Und dem Kampf für die Rechte der Frauen. Die „MeToo“-Debatte ist für sie eine späte Genugtuung in ihrem jahrzehntelangen Kampf für Emanzipation - zu dem ganz entscheidend das Recht auf legale Abtreibung gehört, wie sie auf ihrer Nobelpreis-Pressekonferenz noch einmal betonte:
„Ich habe ,Das Ereignis´ geschrieben, damit die Erinnerung wach bleibt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man zwanzig Jahre später das Recht auf Abtreibung wieder in Frage stellen würde. Ich werde bis zum letzten Atemzug dafür kämpfen, dass Frauen die Wahl haben, ob sie Mutter werden oder nicht. Verhütung und das Recht auf Abtreibung sind die Matrix für die Freiheit der Frauen.“
Solidarität mit den Frauen im Iran
Neben den vielen überwiegend begeisterten Reaktionen auf den 16. Nobelpreis für Frankreich lösten ihre Bemerkungen auf der Pressekonferenz zum islamischen Kopftuch - anlässlich der derzeitigen Proteste im Iran - bei manchen auch ein gewisses Befremden aus.
„Ich unterstütze es absolut, dass die Frauen ihr Kopftuch abnehmen, als Protest gegen diesen absoluten Zwang, gegen dieses Verbrechen, dessen sich die iranische Polizei schuldig gemacht hat. In Frankreich bin ich dafür, dass die Frauen das Kopftuch tragen dürfen. Das ist ein völlig anderer Kontext, niemand zwingt sie dazu oder will sie dazu zwingen. Es ist eine freie Entscheidung, und es ist meines Erachtens falsch, wenn man diese Wahl nicht anerkennen will.“
Ob das Tragen eines Kopftuchs tatsächlich auch ein Zeichen von Freiheit sein kann, darüber streiten in Frankreich, aber auch hierzulande nicht nur Feministinnen; die Meinungen zu der Frage gehen oft entlang parteipolitischer Grenzen auseinander.
Bei der französischen Linken war der Jubel über den Literatur-Nobelpreis ganz besonders groß. Denn Annie Ernaux definiert sich nicht nur als „engagierte“ Autorin, sondern als Unterstützerin der „extrème gauche“, was sie in der Vergangenheit immer deutlich gemacht hat.
Der europafeindliche Anführer der „France insoumise“, des „unbeugsamen Frankreichs“, der Populist Jean-Luc-Mélenchon, war zu Tränen gerührt, als die Nachricht von der Nobel-Ehrung kam. Aber auch die Bestseller-Autorin Virginie Despentes oder ihre Kollegin Delphine de Vigan zählten zu den enthusiastischsten, ersten Gratulantinnen.
Für die Linke, gegen Macron
Ähnlich wie viele andere linke Intellektuelle in Frankreich kultiviert Annie Ernaux seit langem eine offene Feindschaft gegenüber Emmanuel Macron. Ob der Staatspräsident - der eine Lobeshymne twitterte - sie angerufen habe, fragte ein Journalist in der Pressekonferenz:
„J’ai fermé mon téléphone.“ Sie habe ihr Telefon abgeschaltet, antwortete sie mit einem fast schon verächtlichen Gesichtsausdruck. Ernaux’ scharfe Ablehnung der als unsozial gegeißelten Politik Macrons hatte sich schon an der Bewegung der Gelbwesten festgemacht, denen sich Ernaux von Anfang zugehörig fühlte:
„Hinter den Gilets jaunes steht kein intellektuelles Konzept. Von denen hat ganz sicher keiner Pierre Bourdieu gelesen, und wohl auch kaum Didier Eribon oder Édouard Louis. Aber durch die Kraft des Faktischen haben die Gelbwesten ein politisches Bewusstsein entwickelt.“
Dass die Gelbwesten teilweise nicht vor Gewalt zurückschreckten, dass sie durch Fremden- oder Schwulenfeindlichkeit auffielen, hatte sie in einem Interview mit mir als eine Art Kollateralschaden interpretiert:
„Man würde sich sicherlich den idealen Revolutionär wünschen, der in allem perfekt ist. Aber das ist nicht möglich.“
„Man würde sich sicherlich den idealen Revolutionär wünschen, der in allem perfekt ist. Aber das ist nicht möglich.“
Die Unterdrückten, so hat Annie Ernaux häufig betont, hätten das Recht, ihre Wut deutlich zu artikulieren. „In so einer Bewegung kann es natürlich Leute geben, die antisemitische oder fremdenfeindliche Tendenzen haben. Und es ist klar, dass die extreme Rechte, Marine Le Pen, versucht, das für sich zu vereinnahmen. Es gab diesen Vorfall mit dem Philosophen Alain Finkielkraut, der antisemitisch beschimpft wurde. Aber auch sonst in der Gesellschaft grassiert der Antisemitismus, nur wird der nicht so in den Fokus gerückt. Es sind eben alle Mittel recht, um die Gilets jaunes zu diskreditieren.“
Debatte über Ernaux‘ Nähe zur BDS-Bewegung
Nach der ersten Euphorie über den erneuten Literatur-Nobelpreis für Frankreich - nach Jean-Marie Gustave Le Clézio 2008 und Patrick Modiano 2014 - wurden Stimmen laut, die Ernaux’ Unterstützung für die israelkritische BDS-Bewegung skandalisierten. Auch die Literaturkritikerin der linksliberalen Zeitung „Le Monde“ ließ in ihrem ausführlichen, die literarische Kraft Ernaux’ würdigenden Nobel-Artikel nicht unerwähnt, dass die Schriftstellerin Boykott-Aufrufe gegen ein französisch-israelisches Kulturprogramm und gegen die Ausrichtung des Eurovision Song Contests in Tel-Aviv unterzeichnet hatte.
„Annie Ernaux steht seit langem zu ihrem linksradikalen, wie sie selbst sagt, Engagement“, sagte dazu der an der Pariser Sorbonne Nouvelle unterrichtende Literaturprofessor Jürgen Ritte in unserem Programm. Sie sei zwar keine Antisemitin:
„Aber sie unterschreibt Manifeste, die durchaus auch von Antisemiten mitgetragen werden. Der Antizionismus, die Israelkritik ist auch das wohlfeile und, meines Erachtens, etwas löchrige Gewand, in das sich ein alter Antisemitismus einkleidet. Nicht jede Israelkritik ist antisemitisch, aber Annie Ernaux unterschreibt und gibt ihre Stimme einem Manifest, in dem von 'Apartheidsstaat Israel' die Rede ist, und das halte ich doch für eine Infamie“.
Die Diskussion über Ernaux’ - schon länger bekannte - Unterstützung der zum Boykott des Staates Israel aufrufenden weltweiten BDS-Bewegung hat gerade in Deutschland die überwiegend zugewandte Bewertung der Nobelvergabe an die französische Schriftstellerin getrübt. Auch Peter Handkes bizarre Serbien-Affinität wurde 2019 kontrovers debattiert. Anders als bei Handke, lässt sich in Ernaux’ literarischen Texten diese politische Positionierung jedoch nicht finden.
Auch herausragende Schriftstellerinnen können im politischen Raum irrlichtern - selbst wenn sie mit dem Nobelpreis geehrt worden sind. Die Chronistin der sozial und durch ihr Geschlecht an den Rand Gedrängten, die Schriftstellerin, die ihr Schreiben „zwischen Literatur, Soziologie und Geschichte“ einordnet, hat angekündigt, dass sie weiterhin mit Entschiedenheit das Wort ergreifen will: Ihre Rede zur Verleihung des 119. Nobelpreises am 10. Dezember in Stockholm wird auf jeden Fall eine „engagierte“ sein. „Cela sera un discours engagé“.
Annie Ernaux: „Das andere Mädchen“
Aus dem Französischen von Sonja Finck
Suhrkamp Verlag, Berlin. 80 Seiten, 18 Euro.
Annie Ernaux: „Der junge Mann“
Aus dem Französischen von Sonja Finck
Suhrkamp Verlag, Berlin
angekündigt für den 16.01.2023.
Die französische Originalfassung:
Annie Ernaux: „Le jeune homme“
Éditions Gallimard, Paris.
48 Seiten, 8 Euro.
Aus dem Französischen von Sonja Finck
Suhrkamp Verlag, Berlin. 80 Seiten, 18 Euro.
Annie Ernaux: „Der junge Mann“
Aus dem Französischen von Sonja Finck
Suhrkamp Verlag, Berlin
angekündigt für den 16.01.2023.
Die französische Originalfassung:
Annie Ernaux: „Le jeune homme“
Éditions Gallimard, Paris.
48 Seiten, 8 Euro.