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Frankreichs Linke auf Krawall gebürstet

Die französischen Linksfront wettert gegen Staatspräsident Francois Hollande. Die Austäritspolitik der Sozialisten treibe Europa weiter in die Krise. Für Sonntag ruft ihr Chef Jean-Luc Melenchon zum Protest auf.

Von Hans Woller |
    Für diesen Sonntag haben in Frankreich die Linksfront und ihr Chef, Jean Luc Melenchon - der bei den Präsidentschaftswahlen vor einem Jahr elf Prozent der Stimmen erzielt hatte - zu einer Großdemonstration gegen die Austeritätspolitik in Frankreich und Europa aufgerufen, und für eine neue "6. französische Republik" – nach dem Skandal um das Schweizer Schwargeldkonto des ehemaligen Budgetsministers Cahuzac .

    Es ist eine Demonstration von Links gegen Präsident Francois Hollande am Vorabend des Jahrestages seiner Wahl zum Staatspräsidenten, in einem Moment, da auch Teile der sozialistischen Partei Frankreichs Front machen gegen eine Sparpolitik, die Europa noch weiter in die Rezession treibt - wie sie sagen. Immer stärker ins Visier des linken Flügels der französischen Sozialisten geriet dabei im Verlauf dieser Woche die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, deren strikter Sparkurs in der öffentlichen Diskussion Frankreichs zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik gerät.

    "Hat hier jemand ein Konto in der Schweiz? Natürlich niemand – diese Leute nehmen ja nicht die Metro."

    So ein Mitglied der Linksfront während der morgendlichen Rushhour in der Pariser U-Bahn beim Rühren der Werbetrommel für die Großdemonstration am Sonntag.

    "Das ganze System müsse man ändern, ruft die Aktivistin. Auch die Fahrgäste lassen ihrem Frust freien Lauf, all diese Politikertypen gehörten ins Gefängnis, meint einer.

    Ein Jahr nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten schlägt Francois Hollande der Unmut von allen Seiten entgegen. Der Chef der Linksfront, Jean Luc Melenchon wettert unter anderem gegen den sozialdemokratisch- zentristischen Kurs des Präsidenten:

    "Ich werde zeigen, dass nicht die Konservativen und die Arbeitgeber in diesem Land die Wahl gewonnen haben, und auch nicht die, die den Aktionären Geschenke machen wollen. Es gibt noch eine Linke in Frankreich und am 5. Mai wird man das sehen. Wir können nicht bis zur nächsten Präsidentschaftswahl 2017 warten, denn die Menschen in diesem Land leiden und ein Präsident der Linken hat sich um die Menschen zu kümmern, denen es schlecht geht."

    Immer häufiger weht Francois Hollande jetzt aber auch der Wind vom linken Flügel seiner eigenen sozialistischen Partei ins Gesicht. Eine Partei, die mit dem Entwurf eines Positionspapiers zu Europa diese Woche für große Aufregung gesorgt hatte, weil darin die rigide Sparpolitik Europas sowie die - so hieß es wörtlich -"egoistische Unnachgiebigkeit von Angela Merkel" heftig kritisiert wurden. Zudem rief dann auch noch der Parlamentspräsident dazu auf, die politische Konfrontation mit der deutschen Kanzlerin über die Sparpolitik in Europa zu suchen. Der gemäßigte Innenminister Manuel Valls pfiff die Parteifreunde zurück:

    "Diese Debatte muss natürlich geführt werden. Aber es geht nicht an, einen Sündenbock zu suchen, der die Züge von Angela Merkel trägt, Deutschland als Sündenbock hinzustellen, um über unsere eigenen Unzulänglichkeiten hinweg zu täuschen. "

    Und doch werden in Frankreich die Stimmen zahlreicher und lauter, die darauf verweisen, dass mittlerweile neben mehreren Nobelpreisträgern sogar der Internationale Währungsfond, die OECD und selbst die Brüsseler Kommission davor warnen, der von Deutschland auferlegte Sparkurs könne für ganz Europa gefährlich werden.

    Jacques Attali, einst Berater von Präsident Mitterrand und bis heute eine einflussreiche Stimme in der öffentlichen Diskussion, hat jüngst geschrieben, man könne es nicht länger hinnehmen, dass das europäische Flickwerk dank des Wohlwollens von Draghi und Merkel weiterhin Bestand habe. Die beiden übten tagtäglich größeren Druck auf die anderen Regierungen in Europa aus, schränkten deren Souveränität ein, indem sie ihnen ein Defizitniveau genehmigten oder verweigerten. Auch die Arbeitslosigkeit und die Rezession in der EU würden so verstärkt. Jacques Attali:

    "Wir sind in einer absurden Situation. Um da raus zu kommen, muss man sich mit Madame Merkel verständigen, um Bedingungen für Wachstum zu schaffen, z.B. einen europäischen Investitionsfond gründen, der natürlich nur mit deutsch-französischem Einverständnis möglich ist. Dafür braucht es tiefgehende Gespräche mit Madame Merkel. Ich bin aber überzeugt, dass Deutschland verstehen wird, dass es nicht in seinem Interesse ist, Europa in die Rezession zu treiben. "

    Präsident Hollande steht in diesen Tagen angesichts des Zustands der französischen Wirtschaft und der historisch niedrigen Umfragewerte mit dem Rücken zur Wand. Er hat den Franzosen vor der Wahl deutlich gesagt, dass es keine Alternative gibt zu einer Sanierung des Staatshaushalts. Daran wird er auch festhalten, selbst wenn Frankreich angesichts der Quasi – Rezession 2013 dafür ein wenig mehr Zeit braucht, als angekündigt. Frankreichs Präsident kann die Schraube aber auch nicht allzu stark anziehen, denn er weiß: Angesichts täglich neuer Betriebsschließungen, historisch hoher Massenarbeitslosigkeit, fehlender Perspektiven für die junge Generation und eines grassierenden Pessimismus befindet sich in seinem Land, wie in vielen anderen europäischen Staaten, die Extreme Rechte in den Startlöchern. Marine Le Pen und die Nationale Front erfreuen sich zur Zeit bester Umfragewerte, eines spektakulären Zulaufs neuer Parteimitglieder und erklären, anders als in den vergangenen zwei Jahrzehnten, ganz eindeutig: Wir wollen an die Macht.