Hausnummer 10, 7. Arrondissement, also eines der besseren Viertel, ein Stadtpalais unweit der Seine in Paris. Die Zentren der Macht sind nicht weit. Hier steht "Solfé", wie die Sozialisten liebevoll sagen - ihre Parteizentrale.
Das Eisentor fällt schwer ins Schloss. Ein Innenhof, der zur Straße hin nur durch das Gitter getrennt wird, zwei Bäume, hohe Mauern, ein zugleich offener und geschützter Raum.
Es wirkt wie das erste Zeichen des Niedergangs. Die Frau am Eingang will weder Ausweis noch Tascheninhalt sehen. Jedes gewöhnliche Kaufhaus in Paris wird intensiver kontrolliert und bewacht.
Zwei Drittel der Mitarbeiter sind weg
Kartons stehen herum, Gänge sind verwaist, Zimmer leer. Der Stammsitz der einst stolzen Partei ist verkauft, für 45,5 Millionen Euro. Schulden tilgen, nach vorne schauen, aber wird das Geld am Ende für echte Wahlkämpfe reichen? Keiner kann das derzeit sagen. Ende September jedenfalls müssen die Sozialisten hier raus.
"Es ist ein bisschen wie auf einer Baustelle, ja wir packen, mussten viele Büros verlegen und Mitarbeiter mussten umziehen, hier im Haus, damit die Teams besser zusammenarbeiten können."
Zusammenrücken in schweren Zeiten. Sebastién Gricourt nennt es "Rekonstruktion".
Er ist Koordinator in der Internationalen Abteilung des Parti Socialiste. Alles, was hier gerade geschieht, geschieht aus der Not heraus.
"Um die Wahrheit zu sagen, unser Personal ist massiv geschrumpft, vor einem Jahr waren wir noch 120, jetzt sind wir noch 42. Wir versammeln das restliche Personal möglichst auf ein und derselben Etage."
Der traurige Rest rückt zusammen in diesem Haus, in dem Frankreichs Sozialisten ihre größten Triumphe gefeiert haben.
Zwischen Freudentaumel und Tränen
Hier, in der Rue Solférino Nr. 10 hatte François Mitterrand Anfang der 1980er-Jahre seinen Wahlkampf vorbereitet, hier taumelte die Partei vor Freude, als er 1981 erster sozialistischer Staatspräsident Frankreichs wurde. Und hier flossen 1995 Tränen, als der vom Krebs gezeichnete Mitterrand der Parteizentrale einen letzten Besuch abstattete.
Heute ist von der Kraft solcher Momente in der Rue Solférino wenig zu spüren. Immerhin bemüht sich Sébastien in seinem Büro um Zuversicht. Nur die Fakten spielen da nicht mit, wie er einräumt: Dramatischer Wahlverlust 2017, nachdem die Partei fünf Jahre den Präsidenten gestellt hatte, kaum noch Sitze im Parlament, Mitgliederschwund – für das Personal in der Parteizentrale hatte das Folgen:
"Ja, es gab einen Sozialplan. Ich meine, es ist ganz gut gelaufen, aber sicher, wenn auch gut verhandelt wurde, für manche war das persönlich sehr bitter. Es gab Leute, die seit fast zwanzig Jahren dabei waren, das war Teil ihres Lebens, und da war es in manchen Fällen schwierig, andererseits fielen soziale Kriterien stärker ins Gewicht, als andere, hat einer Kinder, Familie?"
Die Partei tat, was sie konnte. Auf der Straße sollte keiner stehen, sagt Sébastien, in Härtefällen gab es Übergangslösungen für zwei Jahre.
"Bis September müssen wir also raus sein", sagt der Sozialist dann wird das rote Banner draußen an der Fassade abgenommen. Diese Seite der Geschichte müssen wir umblättern, was will man machen?"
Schwierige Zeiten für die europäische Sozialdemokratie
Der neue Parteivorsitzende, der Fraktionschef der Sozialisten im Parlament, Olivier Faure, wird am 7. und 8. April vom Parteitag in Aubervilliers offiziell ins Amt eingeführt. Er wird die Frage des künftigen Sitzes der Partei klären müssen. Ein nobler Stadtteil wie dieser hier, mitten in Paris, wird es sicher nicht mehr sein. Dazu geht es den Sozialisten zu schlecht:
"Aber es geht ja nicht nur uns in Frankreich so, die europäische Sozialdemokratie hat es ja überall erwischt", sagt Sébastien, neben ihm steht Elisabeth.
In Kürze werde man hier in der Rue Solférino gemeinsam analysieren, was in Italien und anderswo in Europa gerade passiere. Elisabeth Humbert-Dorfmüller ist dafür besonders gut geeignet. Sie hat drei Pässe, durch ihr Elternhaus einen deutschen und einen griechischen, durch ihren Ehemann einen französischen. Sie baut Brücken zwischen Frankreich, Deutschland und Griechenland , ist Mitglied der SPD und des Parti Socialiste.
"Das ist die Etage der Direktion und hier saß Cambadelis."
Elisabeth legt die Hand auf die Klinke der hohen Doppelflügeltür, die zum Büro des Vorsitzenden führt:
"Ist keiner da."
Bis September müssen die Kartons gepackt sein
Zurzeit kein Parteichef, das Vorzimmer leer, alles irgendwie museal. Der Raum trägt den Namen: "François Mitterrand", Erinnerung an bessere Zeiten.
Das Haus, das vormals der Prinzessin-von Orleans-Bourbon gehörte, wirkt kalt und verlassen. Die mächtige Ehrentreppe, die viele berühmte Besucher gesehen hat, führt nach unten, auf zwei Stufen stehen trotzig die roten Initialen der Partei P und S.
"Und das ist die Ahnengalerie der Vorsitzenden."
Bilder an der Wand, darunter auch eines von François Hollande, der – bevor er glückloser Präsident wurde, Parteichef war.
"Viele arbeiten nicht mehr hier, viele Büros werden vielleicht auch nicht mehr geheizt, ich weiß es nicht. Ja, es ist ein Abbau hier …"
Ein Privatunternehmen wird das Gebäude ab September 2018 als Firmensitz nutzen. Bis dahin müssen die Kartons gepackt, die großformatigen Plakate des Parti Socialiste von der Wand genommen sein.