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Frantisek Kupka
Das Gesicht der Prager Moderne

Schon Jahrzehnte vor der Neuen Sachlichkeit hatte eine andere ästhetische Strategie den im Europa des 19. Jahrhunderts grassierenden Genie- und Innerlichkeitskult den Kampf angesagt: Das ist die Behauptung einer Ausstellung im Wiener Museum Belvedere.

Vom Beatrix Novy |
    "Alle Künstler der Donaumonarchie basieren auf einer ähnlichen Grundlage. Es wurde hier sehr dezidiert auf die Ausbildung der Zeichenlehrer geachtet, sehr viel mehr als in den deutschen Ländern. Insofern war hier ein einheitlicher Bildungsraum."
    Alexander Klee vertritt eine Idee, mit ihr hat er die Ausstellung zusammengestellt, die nur mit dem Titel "Klimt, Kupka, Picasso und andere" das Blockbuster-Prinzip bedient. Ja, Klimt und Picasso sind hier auch zu sehen, aber nicht zufällig steht in der Mitte der drei Namen Frantisek Kupka: Der tschechische Einzelgänger, der 1912 ein erstes ungegenständliches Bild ausstellte, womit er zwar im Trend lag - aber in welchem?
    Verdankte sich der tschechische Kubismus vor allem den Anregungen aus Paris oder hatte er eine eigene Quelle, die ihn wiederum an die zeitgleichen Strömungen der Wiener Secession oder die Entwicklungen in Ungarn band? Warum zog es so viele Künstler in den Ländern der Monarchie zu ungegenständlichen Formen?
    Für Kurator Alexander Klee ist die Bildungspolitik des Habsburgerreichs mit ihrer vom Philosophen Herbart übernommenen Betonung eines geordneten Weltbilds der Hintergrund: Statt der individuellen Suche nach dem innersten Kern der Dinge, statt Genie- und Innerlichkeitskult eine Ästhetik der Form, versachlichende Objektivierung als geistiger Kitt im Vielvölkerreich. Ein Bild, in das sich nun auch der als Einzelgänger gehandelte Frantisek Kupka einfügen lässt. Er hatte, wie alle Schüler der Monarchie, ob in Olmütz, Budapest oder Czernowitz, intensiven Zeichenunterricht genossen; Zeichnen war, man mag das in Zeiten marginalisierter musischer Schulfächer kaum glauben, versetzungsrelevant.
    "Es gibt keine ungarische, tschechische oder deutsche Mathematik. Diese Kunst hat sich als kosmopolitisch verstanden. Es war die Forderung für den Zeichenunterricht, dass die mathematischen Grundlagen erkundet wurden."
    Eine These, deren historische Her- und Ableitungen sich von Leibniz über den deutschen Idealismus bis zum Wiener Kreis bewegen, zur Basis einer Ausstellung zu machen: Das kann man gewagt nennen. Aber die Idee von einer K.-und-k.-Formkunst schärft den Blick auf die Werke der ausgestellten Künstler der Donaumonarchie.
    Wunderschöne Beispiele der Gebrauchskunst
    Wunderschöne Beispiele der Gebrauchskunst aus den Wiener Werkstätten – bekannt – und – nicht so bekannt - Artél, ihrem Pendant in Prag: eine achtkantige verkupferte Tabakdose, ein gestufter Aschenbecher, ein kristallförmiges Kästchen, eine Vase, deren geometrische Form - zwei aufeinandergesetzte Kegel - die auf sie applizierten Dreiecke hervorbringt. Dreiecken begegnet man überall in der Ausstellung, unterbrochen nur von der Quadratlust der Wiener Werkstätten: etwa die klassischen gerasterten Vasen und Blumenkörbchen der prominenten Vertreter Josef Hoffmann und Koloman Moser.
    Seltener gesehene Gebrauchskunst sind die zauberhaften Spielzeuge, Holzpuppen, Schachfiguren, Personen- und Tierdarstellungen, Kombinationen aus einfachsten Formen, raffiniert-naiv, oft in kräftigsten Farbkombinationen. Aber auch ein Löwe, der sich mit einem sandigen Gelb begnügt, zeitlos gebildet aus Rechteck, Kreis, Zylinder, fertig. Auch diese Figuren sind - neben Stillleben, Porträts, Landschaftsbildern und Möbeln -Kronzeugen in dieser Ausstellung: Dafür, dass aus den Bildungsvorgaben für einen ganzen Kulturraum der Weg zu Abstraktion und Moderne sozusagen naturwüchsig geebnet war.
    "Die Tschechen wussten sofort, was der Kubismus will."
    Nur war, um der Ausstellungsidee zu folgen, ihre Grundlage die pragmatische Formkunst und nicht die Suche nach dem Absoluten. Nicht, dass der Unterschied beim Anschauen des Picasso-Stillebens "Töpfe und Zitrone" gleich ins Auge fiele. Aber das macht nichts.
    Ausstellungsinfos:
    "Klimt, Kupka, Picasso und andere - Formkunst"
    bis 19. Juni 2016
    Museum Belvedere in Wien