Trauerfeier für Franz Beckenbauer
Lichtgestalt mit Schatten

Am 19. Januar nahm der FC Bayern München mit einer Trauerfeier im eigenen Stadion Abschied vom ehemaligen Spieler, Trainer und Präsidenten Franz Beckenbauer. Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung hat die Trauerfeier ebenso wie die Kontroversen um Beckenbauer in den letzten Jahren verfolgt.

Thomas Kistner im Gespräch mit Astrid Rawohl |
    Über dem Schriftzug "Spieler - Kaiser - Mensch FRANZ" prangen Schwarz-Weiß-Fotos von Franz Beckenbauer aus verschiedenen Phasen seines Lebens.
    Gedenkzeremonie für den "Kaiser" in der Münchener Allianz Arena (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Matthias Schrader)
    "Es war sicherlich eine gelungene, professionell und gut durchinszenierte Feier für einen fraglos großen Deutschen und einen der weltbesten Fußballspieler überhaupt", sagt Sportjournalist Thomas Kistner über die Trauerfeier zu Ehren von Franz Beckenbauer im Münchner Fußballstadion. Die Teilnahme von Bundeskanzler Olaf Scholz habe aber zu Problemen geführt. Es habe Befürchtungen gegeben, dass Scholz bei einer Rede ausgepfiffen werden würde. So habe Bundespräsident Steinmeier als Staatsoberhaupt sprechen müssen.
    Der wiederum habe den Sportpolitiker Beckenbauer nahezu unerwähnt gelassen: "Die interessante politische Kunstform der Auslassung ist wohl ein Element, das sehr gut in diese gesellschaftlich aufgewühlte Zeit passt", sagt Kistner.

    Kistner: Heuchelei auf mehreren Ebenen

    Die von Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß in seiner Trauerrede erwähnte "Heuchelei" im Umgang mit dem Verstorbenen sieht Kistner an mehreren Punkten: Bei der Fußball-Prominenz, die über Beckenbauers Überhöhung auch die Überhöhung der eigenen Branchen stützen wolle. Die mediale Berichterstattung, in der Beckenbauer nach seinem Tod nur als Lichtgestalt ohne kontroverse Themen dargestellt wurde. Und dadurch, dass auf der Tribüne auch FIFA-Chef Gianni Infantino begrüßt wurde. "Der ja all die Kräfte verkörpert, die zur dunklen Seite von eigentlich allen Funktionären beitragen, denen sie nicht widerstehen können - nicht einmal Beckenbauer."
    Der Vorwurf der Heuchelei treffe aber nicht zu, wenn es um die Korruptionsaffäre im Zuge der Vergabe der WM 2006 gehe: "Das ist schon deshalb Unsinn, weil offenbar völlig untergegangen ist, dass am 4. März ein Prozess beginnt zur Sommermärchen-Affäre, der sich im Kern auch um die Frage dreht, wofür die Millionen waren, die im Jahr 2002 von Beckenbauers Konten den Weg in die Wüste nach Katar antraten und im Jahr 2005 von den deutschen WM-Organisatoren beglichen worden sind."

    Bewiesen oder unbewiesen? Stimmenkauf für die WM 2006

    Bei Ermittlungen wurde 2015 ein Vertrag mit dem wegen Korruption verurteilten ehemaligen Funktionär Jack Warner gefunden wurde. Dabei sei es mit großer Sicherheit um Stimmenkauf für die WM-Vergabe gegangen. Im Prozess gehe es nun aber um Zahlungen aus dem Jahr 2002, also deutlich nach der WM-Vergabe. Die viel zitierten 6,7 Millionen Euro hätten mit der damals neu gegründeten Sportrechte-Firma Infront zusammen gehangen.
    "Dadurch, dass diese Millionenzahlung bis heute immer wieder und offenbar fälschlich mit dem Stimmkauf-Geschacher in Verbindung gebracht wird, das ja Jahre vorher abgelaufen war, ist für die Fußballbranche selbst ein bequemes Framing entstanden. Denn die kann immer weiter behaupten: 'Nein, dieses Geld war nicht für WM-Stimmenkauf', und dafür gibt es in der Tat keine klaren Beweise."
    Die positive Stimmung aus dem Sommer 2006 trage bis heute zum Ruhm von Franz Beckenbauer bei. Die sei für die EM im Sommer 2024 aber nicht zu erwarten, meint Kistner. Man wolle "die Veranstaltung nur möglichst unfallfrei über die Bühne bringen, ohne der Welt allzu klar demonstrieren zu müssen, wie tief das Land womöglich wirklich gespalten ist. Hier kann, das muss man fairerweise anmerken, der Fußball, der Sport ganz allgemein, auch gar nicht helfen: Ein freundliches Gesicht kann nur eine freundlich gestimmte Gesellschaft zeigen."