Strauß sei ein vorausschauender Politiker gewesen, sagte Aust, der heute Herausgeber der Zeitung "Die Welt" ist. Als Beispiel nannte er die Ostpolitik und die Tatsache, dass der CSU-Politiker einen Milliardenkritik für die damalige DDR einfädelte. Doch seine Sprache habe viele Menschen zurecht frösteln lassen. "Wenn man sich heute seine Reden zur Sowjetunion oder der Verteidigungspolitk anhört, sind die nicht so viel anders, als das, was Adenauer gesagt hat", so Aust. "Aber vom Ton her steckte eine Aggressivität drin, die einen wirklich dazu brachte, wie Augstein gesagt, geschrieben und gehandelt hat: Dieser Mann darf niemals Kanzler werden."
Denn damals habe man sich mitten im Kalten Krieg befunden, die Kuba-Krise schwelte. "Da standen wir wenige Zentimeter vorm Atomkrieg", so Aust. "Wenn da Politiker das politische Geschäft der Deeskalation nicht beherrschen, sondern weiter eskalieren, kann es sehr gefährlich werden." Auch die Tatsache, dass Strauß eine große Energie, gehabt, aber "vom moralischen Rückgrat her nicht so ganz stabil" gewesen sei, habe ihn zu einer Bedrohung gemacht. Der damalige Ministerpräsident habe beispielsweise "ein ziemlich lockeres Verhältnis dazu, Geld einzunehmen" gehabt. Parteispenden seien auf ein privates Konto gegangen und Strauß habe nach eigenem Ermessen entschieden, für wen er das Geld ausgab. Ob dies stets für Parteizwecke geschehen sei, sei noch immer nicht geklärt.
Stefan Aust war von 1994 bis 2008 Chefredakteur des "Spiegels". Seit 2014 ist er Herausgeber der Tageszeitung "Die Welt". Wegen der so genannten "Spiegel"-Affäre in den 1960er-Jahren verbindet Strauß und das Nachrichtenmagazin eine besondere Beziehung. Damals wurden Ermittlungen wegen Landesverrats gegen Mitarbeiter des Nachrichtenmagazins aufgenommen. Unter anderem gegen den damaligen Herausgeber und Chefredakteur Rudolf Augstein erging ein Haftbefehl. Hintergrund war ein kritischer Artikel über die Rüstungspolitik des damaligen Verteidigungsministers Strauß. In der deutschen Öffentlichkeit hagelte es Proteste wegen der Ermittlungen. Das Vorgehen der Justiz wurde als politisch motiviert und als Angriff auf die Pressefreiheit gewertet. Strauß trat im Zuge der Debatten von seinem Amt zurück.