Franziska Giffeys Charmeoffensive entgeht niemand. Mit der notorischen Muffigkeit der Berliner und den heruntergezogenen Mundwinkeln im Roten Rathaus ist Schluss. An der Spitze der Stadt steht ab heute Mittag die personifizierte gute Laune: „Ich finde, dass wir eines brauchen in dieser tollen Stadt: Zuversicht, Stolz und auch mal ein Lächeln im Gesicht“
Gute Laune, gepaart mit Tatkraft und einem unbedingten Willen zur Macht: So lässt sich die 43-jährige Sozialdemokratin beschreiben. Aufgewachsen ist Franziska Giffey in Brandenburg, die Mutter Buchhalterin, der Vater Kfz-Meister - Aufstieg durch Bildung. Giffey verkörpert dieses sozialdemokratische Ideal. Wegen Stimmproblemen kann sie nicht Lehrerin werden, wechselt in ein Verwaltungsstudium.
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Sie arbeitet anschließend in der Bezirksverwaltung Neukölln, bekommt einen Sohn. Parallel dazu promoviert sie - eine Dreifachbelastung. Führt dieser Stress dazu, dass Franziska Giffey in ihrer Doktorarbeit so massiv plagiiert, dass die Freie Universität Berlin ihr später diesen Titel entziehen wird?
Die Antwort auf Fragen zu ihrer Promotion lauten immer so: „Ich habe sie nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Dazu stehe ich bis heute. Ich habe nicht bewusst getäuscht, und ich bin davon ausgegangen, diese Arbeit ist so korrekt.“
Plagiatsvorwürfe scheinen kein Thema in Berlin
Im Mai dieses Jahres tritt Franziska Giffey von ihrem Amt als Bundesfamilienministerin zurück. Im Juni entzieht ihr die Freie Universität den Doktortitel. Das hält sie nicht davon ab, als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf zu ziehen: „Ich habe hier in Berlin auch mein Wort gegeben - der Berliner SPD und den Berlinerinnen und Berliner. Dazu stehe ich.“
Der Wahlkampf gibt ihr Recht. Das Wahlergebnis von 21,4 Prozent ist mager. Trotzdem landet die SPD auf Platz eins. Für die meisten Berlinerinnen und Berliner scheint die Plagiatsaffäre kein Thema. Sie haben andere Probleme, wollen eine Stadt, die funktioniert, bezahlbaren Wohnraum, eine bürgerfreundliche Verwaltung, eine Regierung, die anpackt und die Probleme löst. Und dafür steht Franziska Giffey. Sie ist bodenständig und redet verständlich.
„Menschen müssen verstehen, behalten, gut finden. Wir gehen hin, wir hören zu, wir packen an. Das ist das, was gute Politik aus meiner Sicht auch ausmacht: beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit mit der Anschauung vor Ort. Und das ist ein Prinzip, das wir uns als Sozialdemokraten ganz klar auch auf die Fahnen schreiben sollten.“
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Unter Giffey wird nichts dem Zufall überlassen
Franziska Giffey – übrigens ein Fan von Helene Fischer – choreografiert ihre Auftritte, damit nichts dem Zufall überlassen wird. Die Kulissen für die Fotografinnen und Fotografen sind immer sorgfältig ausgewählt. Natürlich beginnen die Koalitionsverhandlungen am Brandenburger Tor, und selbstverständlich stellt sie das sozialdemokratische Personal nicht in einem schnöden Büro der Landespartei vor, sondern in den denkmalgeschützten Gebäuden der historischen AEG-Zentrale – jetzt ein schicker Co-Working-Space.
Inszenierungen, die dem bisherigen Stadtoberhaupt Michael Müller, völlig fremd sind. Als die designierte regierende Bürgermeisterin ihre neue Staatssekretärin Anna-Maria Trass näher präsentiert, wird klar: Franziska Giffey hat da eine Frau ausgewählt, die ihr ganz ähnlich ist.
„Sie war fleißig. Sie hat gearbeitet mit unermüdlichem Einsatz, mit Beharrlichkeit und hat durch ihre nahbare Art, ihre Verbindlichkeit, ihre Beständigkeit und Bodenständigkeit, sich in sehr jungen Jahren schon wirklich eine beeindruckende Biografie erarbeitet.“
Weiblicher Berliner Senat
Mit Franziska Giffey steht nun nach Luise Schröder 1947/48 zum zweiten Mal eine sozialdemokratische Frau an der Spitze Berlins. Und auch ihr rot-grün-roter Senat ist mehrheitlich weiblich. „Es wird tatsächlich auch der weiblichste Senat in der Geschichte Berlins werden - mit sieben Frauen insgesamt und vier Männern. Ich glaube, das ist auch ganz gut so.“