Als sich Franziska Schreiber im Sommer 2013 bei der sächsischen AfD meldete, war die Partei unter Führung des wirtschaftsliberalen Hochschulprofessors Bernd Lucke noch eine Europa-kritische Gruppierung. Fünf Jahre später haben völkische Nationalisten das Sagen. So jedenfalls sieht die Buchautorin Schreiber es heute, nachdem sie eine zeitlang als junge Aktivistin willige Propagandahelferin für Frauke Petry war. Petry hatte in einem ersten Rechtsruck die Lucke-Liberalen aus der Partei gedrängt und die Macht übernommen. Zwei Jahre später erlitt Petry selbst auf dem Kölner Parteitag eine vernichtende Niederlage. Daraufhin verließ Franziska Schreiber die AfD. Die Autorin meint:
"Heute besteht die AfD schon zu 15 Prozent aus Neonazis, 20 Prozent Nationalromantischen mit Kaiserreichsaffinität und 15 Prozent Mitläufern. Dem steht ein gebeuteltes, zerstrittenes liberales Lager ohne charismatische Führung gegenüber. Wer soll die Rechten aufhalten?"
Wut und Welthass
Die Autorin beschreibt in ihrem "Bericht einer Aussteigerin", so der Untertitel, wie es in der Partei jenseits des offiziellen Programms zugeht. Da wurde gelogen und betrogen, diffamiert und mit der extremen Rechten kooperiert, mit NPD-Anhängern, Nazi-Schlägern, Aktivisten der rassistischen "Identitäten Bewegung". Alles im Dienste einer Idee, die Schreiber anfangs toll fand.
"Hier stand die wahre FDP, eine, dem Staat, dem System kritisch begegnende frische Partei. Sie wollte Bürgerbeteiligung einführen, Korruption bekämpfen, sie plädierte für Volksbefragungen."
In ihrer sächsischen Umgebung sei die AfD gewachsen als:
"Ein Aufschrei derer, die nicht einverstanden sind mit dem Geschehen der vergangenen 28 Jahre, ein Hilferuf. […] Ohne Scham, ohne Rücksicht auf politische Korrektheit stellt die AfD sich dem übermächtigen arroganten System und den von ihr kontrollierten Medien."
Doch in den Polit-Werkstätten dieser angeblich frischen Bewegung trifft Franziska Schreiber schon sehr bald auf Leute, die vor allem Wut und Welthass verbindet. Recht eindringlich beschreibt die damalige Jurastudentin, wie rasch sie ihrer Verbindungen zur Realwelt verliert und sich ausschließlich in einem abgeschlossenen Betrieb befindet, dessen Geschäft es ist, mit Ängsten politische Prozente zu erwirtschaften. Besonders gut darin ist über eine zeitlang Frauke Petry, wie Schreiber skizziert:
"Der Halt der Ängstlichen ist die Partei und umgekehrt. 'Wir brauchen die Ängstlichen', sagte Frauke Petry immer wieder, um Mehrheiten zu bewegen. 'Die Ängstlichen sind nicht unsere Gegner, sondern unsere Verbündeten.' Und weil Angst die Geschäftsgrundlage der AfD ist, gaben wir dem Publikum, was es verlangte."
"Wir sehnten Shitstorms nahezu herbei"
Und das waren dann ab 2015, aus Anlass der großen Flüchtlingsankunft, vor allem Schreckensnachrichten über die Islamisierung des Abendlandes, Gewalt gegen Frauen, die "Merkel-Diktatur". Schreiber machte da als Pressesprecherin fleißig mit und illustriert in ihrem Buch anhand einiger Beispiele, wie in der AfD Berichte oder Statistiken verdreht und gefälscht werden. Bernd Lucke wird gestürzt, indem seine innerparteilichen Gegner seine Kommunikationsnetze und letztlich ihn systematisch zerstören. Vor allem aber herrschte unter den Funktionären ein scharfer Wettbewerb um die maximalste Tabuverletzung. Immer drastischer wurde geredet. Dagegen empörten sich zwar viele, aber, so Schreiber:
"Wir sehnten Shitstorms geradezu herbei […] Wer trifft den provokantesten, gerade noch verfassungskonformen Ton? Wer erntet das lauteste Empörungsgeschrei? Es ging darum, ein Thema so auf die Spitze zu treiben, dass unsere Anhänger jubelten, die Presse sich maximal echauffierten […] und die Justiz keinen Anhaltspunkt fand."
Dieses System vertilgte allerdings auch sich selbst. Die Autorin beschreibt, wie sich auch Petry bis nahe an den inneren Hitler-Gruß radikalisierte, aber eben doch nicht ganz. Deshalb musste sie gehen. In dieser ruhelosen Spirale der Radikalisierung, kann sich nur halten, wer mitmacht. Das betrifft, so beschreibt es die Autorin, auch Alexander Gauland oder Alice Weidel. Bei Gauland endet das vorläufig beim Dritte Reich "als Vogelschiss" und Weidel schrieb nach den jüngsten Ereignissen in Chemnitz: "Das Abschlachten geht immer weiter. Syrer und Iraker machen Opfer mit 25 Stichen nieder". Vom tatsächlichen Tatablauf wusste sie nichts.
Parteiaustritt abfällig kritisiert
Das Buch "Inside AfD" der 28 Jahre alten Autorin ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen der Partei, die längst sichtbar die Grenzen zur Verfassungsfeindlichkeit überschreitet. Ihre Aufzeichnungen sind gleichwohl interessant, auch wenn nicht zu klären sein wird, was es mit der Behauptung auf sich hat, Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen habe Frauke Petry öfters getroffen und in Sachen rechter Flügel geradezu freundschaftlich beraten. Mit dieser These, wahr oder falsch, machte Franziska Schreiber jedenfalls auf ihr Buch aufmerksam. Als sie die Partei im vorigen Sommer verließ und zur Wahl der FDP aufrief, bekam sie ein Schreiben des Dresdner AfD-Vorsitzenden Günzel. Der schrieb nach ihren Worten:
"Du hast mit Deinem Übertritt kurz vor der Wahl nicht nur uns und Deinem Vaterland geschadet. Wenn Du ein wirklich liberaler Mensch bist und nicht schon vom Kollektivismus verseucht oder vom Machthunger innerlich zerfressen, so wirst Du in Deiner neuen politischen Heimat viele ätzende Kröten schlucken müssen. Es wird Dir den Magen umdrehen und die Gedärme zerfressen."
Schon diese Wortwahl, gerichtet an eine junge Frau, die sich politisch umorientiert, charakterisiert die AfD als eine radikale Polit-Sekte, die zunehmend nur noch fanatische Anhänger und Volksfeinde kennt.
Franziska Schreiber: "Inside AfD. Der Bericht einer Aussteigerin" Europa Verlag, 221 Seiten 18,00 Euro.