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Französische Hochschulen
Front National wirbt mit Seminaren

Der Front National ist die französische Partei, die die meisten Jungwähler überzeugt: Rund 30 Prozent haben bei den Europawahlen 2014 für die Partei gestimmt. Nun versucht sie mit Seminaren, auch die traditionell allergisch auf sie reagierenden Studenten zu umwerben - und möchte dabei auch Nachwuchs rekrutieren.

Von Margit Hillmann |
    Marine Le Pen bei einer Ansprache auf einer Bühne des Front National.
    Front-National-Chefin Marine Le Pen: Werben auch an Hochschulen. (imago / PanoramiC)
    Eine Abendveranstaltung in der juristischen Fakultät Assas im Pariser Quartier Latin: Mehrere Dutzend Studenten – überwiegend junge Männer – sitzen im Hörsaal 3. Andächtig lauschen sie den beiden Rednern auf dem Podium: ein Unternehmer aus der Finanzbranche; und dem Ökonomen Jacques Sapir von der renommierten Pariser Hochschule für Sozialwissenschaften, der EHESS. Zwei rechtslastige Experten, die auf den alten Franc und ein souveränes Frankreich schwören. Sie beschuldigen Brüssel und die Deutschen, die Nation in den Ruin zu treiben.
    Wasser auf den Mühlen der Veranstalter des Abends, Assas-Patriots, ein Studentenverein aus dem Dunstkreis des Front National. Die rechtsextremen Studenten organisieren regelmäßig politische Veranstaltung in der Fakultät. Aufklärungsarbeit nennt das ihr Sprecher, ein Jurastudent im klassisch-dunkelblauen Anzug und mit grauer Krawatte, der seinen Namen nicht nennen will:
    "Wir wollen die Studenten darauf aufmerksam machen, dass Frankreich seine staatliche Selbstbestimmung verliert. Dass nicht – wie wir in der Schule lernen – das Volk unser Land regiert, sondern die EU-Kommission."
    50 aktive Mitglieder, darunter zwei gewählte Studentenvertreter, gehören zu diesem rechtsextremen Verein an der Fakultät. Sie wollen die Identität des französischen Volkes verteidigen und verehren den alten Front-National-Chef Jean-Marie Le Pen – für sie ein Held des Widerstands. Und natürlich hegen die Assas-Patrioten große Sympathien für die deutsche Pegida-Bewegung, sagt ihr Sprecher.
    "Ja, wir verteufeln Pegida nicht. Europa hat das Recht, seine Identität zu verteidigen, gegen die Islamisierung zu kämpfen. Wir unterstützen den Kampf gegen die Islamisierung."
    Studentengruppen des Front National organisieren sich
    Die juristische Fakultät ist keine Ausnahme. Studentengruppen, die dem Front National nahe sind, wie das Collectif Marianne oder die Cocarde étudiante organisieren sich auch an anderen Hochschulen. So sorgte Anfang Oktober Sciences-Po für Schlagzeilen. Die Pariser Elite-Hochschule für Politikwissenschaften musste einem Studentenverein des Front National die Türen öffnen, nachdem ihm die Sciences-Po-Studenten per Abstimmung den Statuts repräsentativ zugebilligt hatten. Für uns keine Überraschung, sagt Cornelia Woll von der Sciences-Po-Direktion:
    "Es stimmt zwar, dass der Front-National bis jetzt keine solche Studentengruppe hatte. Allerdings ist der Front National durchaus eine etablierte Partei in Frankreich. Es ist also nicht verwunderlich, dass auch in Sciences-Po ein kleiner Teil der Studenten ein Interesse daran hat, diese Parteienlandschaft nach Sciences-Po hereinzutragen."
    Sorgen mache man sich nicht, heißt es aus der Direktion der Pariser Eliteschule. Von einem Rechtsruck in der Studentenschaft sei man weit entfernt.
    "Innerhalb von Sciences-Po sind die Aktivitäten des Front National sehr viel kleiner, die Treffen und Debatten weniger gut besucht, als es national der Fall sein könnte. Und wir haben jetzt die Möglichkeit, diese Aktivitäten zu beobachten und zu kontrollieren, ob irgendwelche Ausschreitungen, Diskriminierungen, Antisemitismus stattfinden. Das können wir dann natürlich sanktionieren."
    Dass der Front National mit gezielten Kampagnen Frankreichs Studenten umwirbt, habe vor allem einen Grund, sagt der französische Soziologe und Front-National-Spezialist Sylvain Crépon: Die Partei suche händeringend nach fähigen jungen Leuten.
    "Der Front-National-Durchschnittswähler hat eine schlechte Schulbildung und ist beruflich wenig qualifiziert. Das gilt auch für das Parteipersonal: Sie haben nur wenig kompetente Leute, die sich auskennen und managen können. Deshalb ist es für den Front National so wichtig, schlaue Köpfe zu rekrutieren, an den Unis gut ausgebildete Intellektuelle als Führungskräfte zu gewinnen. Mit dem willkommenen Nebeneffekt, dass die Partei in der französischen Öffentlichkeit an intellektueller Legitimität gewinnt, wenn sie an Universitäten wie Sciences-Po Fuß fasst."
    Tatsächlich gewinne die rechtsextreme Partei an den Hochschulen langsam an Terrain, so der Soziologe. Selbst an traditionell linken Universitäten wie der Pariser Sorbonne oder Nanterre.