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Französische Komödien
Erstarrte Klischees

Der Film "Monsieur Claude und seine Töchter" reiht sich ein in das Genre der französischen Sozialkomödie. Die spricht zwar immer wieder gesellschaftliche Tabuthemen an, am Ende bleiben jedoch leider oft nur Klischees, die von der Realität weit entfernt sind.

Von Hartwig Tegeler |
    Szene aus dem Film "Monsieur Claude und seine Töchter" mit Christian Clavier (vorn) als Vater von vier Töchtern
    Szene aus dem Film "Monsieur Claude und seine Töchter" mit Christian Clavier (vorn) als Vater von vier Töchtern (dpa / picture alliance / A Borrel/Neue Visionen)
    Im Prinzip geht's so: Hier ist das Problem, basteln wir drum herum eloquent, vergnüglich, ein wenig böse, aber nicht zu böse, eine Geschichte aus dem Leben, dem Alltag, der Gesellschaft, den Rassismus beispielsweise, rühren die Konflikte hin und her, beobachten präzise eigene Vorurteile. Die gegen die Fremden:
    "Da war nicht ein einziger Franzose auf der Straße."
    Oder die gegen Behinderte:
    "Ein Behinderter hat mir den Posten weggenommen."
    Oder gegen Frauen oder bestimmte Regionen des Landes mit miesem Image. Also, benennen und dann natürlich negieren. Und fertig ist ... tja, die französische Sozialkomödie. Ob "Willkommen bei den Sch´tis" oder "Ziemlich beste Freunde" oder jetzt "Monsieur Claude und seine Töchter" - allesamt riesige Publikumserfolge.
    Monsieur Claude Verneuil also. Notar in der Provinz. Französischer Katholik mit vier Töchtern.
    "Das wird ein Gemetzel werden."
    Und jetzt die Beschneidung des Enkels.
    "Er wird am Schniedel meines Enkels herum schnippeln."
    "Was haben wir dem lieben Gott bloß getan?"
    Denn drei der vier Töchter Claudes haben geheiratet: einen Muslim, einen Juden und einen Chinesen. Der Muslim und der Jude bekämpfen sich immer wieder beim Familienessen, der Chinese lächelt über alles hinweg. Irgendwann stellt Marie, Claudes Frau, Mutter all dieser Töchter, die Frage: "Was haben wir dem lieben Gott bloß getan?", was die Übersetzung des französischen Originaltitels von Philippe de Chauverons Komödie ist. Eine Frage, die so auch Philippe stellen könnte, der Postbeamte, der so gerne an der Côte d'Azur arbeiten würde, aber in den Norden strafversetzt wird.
    "Im Sommer geht´s einigermaßen, da hat's um null Grad."
    Es ist schließlich der [...]
    "... der Norden!"
    [...] also eine Art Sibirien Frankreichs, wie uns Dany Boon 2008 vergnüglich wie in perfektem Komödien-Timing weismachte in "Willkommen bei den Sch´tis". "Sch..." statt "s"!
    "Das sind Irre! Irre!"
    Ja, irgendwie sind sie's alle, ein wenig irre, und deswegen haben wir sie auch lieb im Kino: der bürgerliche Notar, seine Schwiegersöhne, der Postbeamte im Norden Frankreichs. Aber natürlich auch der schwerbehinderte und reiche Franzose in "Ziemlich beste Freunde", dem ein schwarzer Pfleger vor die Nase gesetzt wird, der es mit der Pflege nun ganz und gar nicht hat:
    "Und welche Motivation haben Sie? - Ich brauche drei Absagen. Ist für's Arbeitsamt."
    Der Weg vom Diskurs zur mulitkulturellen Brücke ist weit
    Am Ende, nach allen Irrungen und Wirrungen, die uns das Drehbuch präsentiert - in, wie gesagt, perfektem Komödientiming -, ist der Süd- zum begeisterten Nordfranzosen geworden, Monsieur Claude wie seine Gattin lieben nicht nur ihre Töchter, nicht nur ihre Schwiegersöhne, sondern auch die afrikanischen Eltern des Gatten von Töchterchen 4. Und klar, bekannt, der schwarze Pfleger wird zum "ziemlich besten Freund" des reichen, schwerbehinderten Franzosen. "Monsieur Claude und seine Töchter"-Regisseur Philippe de Chauveron scheut den Vergleich mit "Ziemlich beste Freunde" ein wenig, aber nur ein wenig.
    "'Ziemlich beste Freunde' ist ein absoluter Rekord und wir sind doch weit davon entfernt. Aber es hat in der Tat ein Phänomen gegeben. Viele Politiker haben über den Film gesprochen, Soziologen, Journalisten, es ist ein Gesellschaftsthema geworden, das den Menschen auch Gelegenheit gab, über andere Sachen zu sprechen, über die gemeinschaftlichen Probleme. Das war in der Tat die wirkliche Überraschung."
    Meint Philippe de Chauveron.
    Überraschung vielleicht. Aber der Weg vom kurz aufflackernden gesellschaftlichen Diskurs zur multikulturellen Brücke ist weit. 25 Prozent hat die fremdenfeindliche Front National bei den Europawahlen gewonnen. Naiv zu glauben, dass diese französischen Sozialkomödien wirklich mehr schaffen, als zu unterhalten. Die rassistischen Stereotypen - um bei "Monsieur Claude und seine Töchter" zu bleiben - werden sozusagen gelistet, wenn Schwiegersohn Nummer 4 von der Elfenbeinküste lamentiert:
    "Ein Chinese, ein Jude, ein Araber werden akzeptiert, aber ein Schwarzer. Heirat für alle, bloß nicht für Afrikaner".
    Und der afrikanische Vater von Schwiegersohn Nummer 4 setzt noch einen drauf:
    "Sie übernehmen die Kosten für die Hochzeit. Das ist doch wohl selbstverständlich. Der weiße Mann hat Afrika geplündert."
    Glaubwürdigkeit? Pah!
    Doch in der Eleganz und Leichtigkeit dieser neuen Sozialkomödien ist am Ende kein Platz für gesellschaftliche Dissonanzen. So erweisen sich am Ende Monsieur Claude und der afrikanische Schwiegervater als Brüder im Geiste.
    "Ich bin Gaullist, Monsieur! - Ach, das bin ich auch."
    Das dramaturgische Prinzip in "Monsieur Claude" ist das gleiche wie im Buddy-Movie "Ziemlich beste Freunde". Dort erledigt der schwarze Pfleger Driss die Drogenprobleme des Viertels mit einem bösen Blick, den er dem Dealer zuwirft. Ende gut, alles gut! Glaubwürdigkeit? Pah! Ist doch nur Kino! - Eben! Nicht mehr! Tiefe wird gerade nicht abverlangt. Die französische Sozialkomödie ist erfolgreich, weil sie den Zuschauern den Spiegel vorhält. Aber bitte nicht zuviel. Die gesellschaftlichen Widersprüche allerdings, die schmunzelnd benannt werden, sie wischt die allumfassende Feelgood-Geste des Happyends in der Riesen-Umarmung weg und singt von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Als erstarrtes Klischee, das mit Realitat gar nichts zu tun hat.