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Französisches Arbeitsrecht
Die Regierung wirbt um Zustimmung

Die Franzosen gehen auf die Barrikaden, denn der im Februar von der Regierung Hollande eingereichte Gesetzentwurf des Arbeitsrechtes sieht drastische Einschnitte vor. Die 35-Stunden-Woche und der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer stehen auf dem Spiel: Daher fordern Gewerkschaftsbund, Demonstranten und Kritiker den kompletten Verzicht dieser Reform.

Von Jürgen König |
    Der Französische Premierminister Manuel Valls und Arbeitsministerin Myriam El Khomri höre eine Rede währed eines Besuchs bei Solvay's am 22. Februar 2016 in Chalampe.
    Der Französische Premierminister Manuel Valls und Arbeitsministerin Myriam El Khomri (AFP / Sebastien Bozon)
    Es ist ein französischer Rekord: Mehr als eine Million Menschen haben die erst im Februar lancierte Internet-Petition gegen das geplante Gesetz zum neuen Arbeitsrecht schon unterschrieben. Nicht Änderungen werden da verlangt: der gesamte Text soll zurückgezogen werden – fordern so gut wie alle Kritiker, es wird auch die Forderung der Demonstranten sein.
    "Ja, ich werde demonstrieren – es ist das skandalöseste Gesetz der gesamten Amtszeit von Präsident Hollande!"
    "Die Sozialen Netzwerke spielen eine große Rolle, wenn man verstehen will, was im Moment auf der Straße passiert! Aber die Straße selber ist auch wichtig, und die Straße muss sich Gehör verschaffen!"
    Neun von zehn Arbeitsverträgen in Frankreich sind befristet
    Der Gesetzentwurf sieht –unter anderem - innerbetriebliche Vereinbarungen zur Lockerung der 35-Stunden-Woche vor, er macht es Unternehmen in wirtschaftlich heikler Lage einfacher, Mitarbeiter zu entlassen - und er schreibt eine Obergrenze für Abfindungen nach Entlassungen fest. Protestiert wurde bereits, nachdem auch nur erste Gedanken der Reform auf dem Meinungsmarkt zu finden waren. Schnell wurden die Proteste laut, schnell erbat sich die Regierung Bedenkzeit und kündigte "Gespräche" an: mit den Kritikern aus den eigenen Reihen, mit den Gewerkschaften. Nacheinander empfängt Premierminister Manuel Valls seit Montag deren Führungsriegen – über die Inhalte haben alle Beteiligten Stillschweigen vereinbart – und viel Neues ist auch wirklich nicht durchgesickert. Arbeitsministerin Myriam El Khomri und Wirtschaftsminister Emanuel Macron nahmen an den Treffen teil und sprachen hinterher von "offenen, direkten und konstruktiven Gesprächen": dass Reformen nötig sind, sei allen Beteiligten klar, nur über die konkreten Maßnahmen sei man halt oft zweierlei Meinung. Emanuel Macron:
    Vergessen wir nicht: Neun von zehn Arbeitsverträgen, die in Frankreich jedes Jahr unterschrieben werden, sind befristete Arbeitsverträge. Das ist das Bittere, das ist das Prekäre!
    Junge Leute, Geringqualifizierte und Frauen sind vorallem betroffen
    Arbeitsministerin El Khomri:
    In unserem Land gibt es leider sehr viele prekär Beschäftigte: junge Leute, Frauen, Geringqualifizierte. Sie alle leiden unter einem Arbeitsmarkt, der inzwischen hyperflexibel ist und damit hyperprekär! Die Hälfte der befristeten Arbeitsverträge umfasst Laufzeiten von weniger als einer Woche! Diese Unsicherheiten, die sich daraus ergeben, müssen wir beenden, wir müssen endlich zu mehr unbefristeten Einstellungen kommen!
    Ratschläge brauche sie keine, "von niemandem", hatte Myriam El Khomri in Anspielung auf Martine Aubry gesagt, die Bürgermeisterin von Lillie und frühere Chefin der Sozialistischen Partei: Martine Aubry hatte die Ministerin und Parteifreundin in ihrem Büro aufgesucht.
    Forderung auf Verzicht der Reform
    "Ich habe versucht, Myriam El Khomri zu erklären, dass diese Reform des Arbeitsrechts weder eine Reform zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen ist noch die Angestellten schützt, sondern außerordentlich gefährlich ist. Ein Land, das nicht auf sein Parlament hört, hat auch so seine Probleme - wir müssen sehr daran arbeiten, dass dieses Gesetzesprojekt ein wirkliches, ein moderne Projekt wird."
    Unbeweglich und unbewegbar scheinen sich beide Seiten gegenüber zu stehen. Am Wochenende hat Premierminister Valls angekündigt, er sei zu "Verbesserungen" der Pläne bereit. Doch - als könne man über die 35-Stunden-Woche oder den Kündigungsschutz gar nicht mehr verhandeln, fordern Gewerkschaftsführer wie Jean-Claude Mailly vom mächtigen Gewerkschaftsbund CGT nurmehr den völligen Verzicht auf die Reform – die das Kabinett gleichwohl am 24. März beschließen will. Kompromisse deuten sich derzeit nicht an.