So hört sich eine Redaktionskonferenz bei "Guiti News" normalerweise an. Seit mehr als zwei Wochen gilt in Frankreich nun aber eine Ausgangssperre. Die wöchentliche Redaktionskonferenz findet deshalb nicht mehr in einem großen Bürogebäude im 20. Arrondissement statt, sondern online bei Skype.
Wie Migranten die Corona-Krise erleben
Gerade in der Corona-Krise will "Guiti News" weiter über die Schicksale von Migranten und Flüchtlingen berichten. Denn gerade sie werden von den herkömmlichen Medien häufig vergessen, sagt Chefredakteurin Nina Gheddar.
"Diese Woche haben wir zum Beispiel einen Artikel über die Vergessenen in der Corona-Krise veröffentlicht: Migranten auf den Straßen. Allein in Paris sind mehr als 3.500 Menschen obdachlos. Sie sind natürlich auch stark von der Ausbreitung des Coronavirus betroffen. Außerdem bereiten wir gerade ein Stück über Sozialarbeiter in Auffangzentren vor. Wir wollen wissen, wie ihr Alltag aussieht und wie sie mit den Menschen dort umgehen, die ja sowieso schon leiden."
Gemeinsam mit einem afghanischen Exil-Journalisten hat Nina Gheddar "Guiti News" vor etwas mehr als einem Jahr gegründet.
Diskussion über Migration verändern
"Ich glaube, wir befinden uns in einer Notfallsituation: Wir müssen die öffentliche Diskussion über Migration verändern – und zwar jetzt. Unser Ziel bei 'Guiti News' ist es, dieses Thema, das von Angst und Ideologie überschattet wird, greifbar zu machen. Wir wollen das führende Medium sein, das das schafft."
Die Redaktionsmitglieder von "Guiti News" kommen unter anderem aus Syrien, Pakistan oder dem Tschad. Viele von ihnen wissen selbst genau, wie es sich anfühlt, aus dem Heimatland fliehen zu müssen.
Interkultureller Experten-Pool
So auch der türkische Journalist Beraat Gökkus: "Am Anfang wollte ich eigentlich aufhören, als Journalist zu arbeiten. Dann habe ich aber gesagt: Ich sollte wieder anfangen zu schreiben. Ich kann also die Stimme der Journalisten sein, die jetzt im Gefängnis sitzen und keine Stimme mehr haben."
Zwei Jahre lang musste Beraat Gökkus auf sein Asyl warten. Doch auch mit einer Arbeitserlaubnis war es schwer für ihn, in Frankreich Kontakte zu Medien aufzubauen.
"Für einen Exil-Journalisten ist es nicht einfach, einen Job in dem Land zu finden, in dem man jetzt lebt. 'Guiti News' gibt uns aber die Chance, als Journalisten zu arbeiten. Denn so hat 'Guiti News' Experten, die über die Situation in den verschiedensten Ländern berichten können."
Arbeit in Zweierteams
Besonders gut gefällt Beraat Gökkus, dass bei "Guiti News" immer zwei Journalisten gemeinsam an einem Artikel arbeiten: ein Exil-Journalist und ein französischer.
"Wenn man zu zweit auf eine Geschichte schaut, bedeutet das, dass man verschiedene Ideen hat. Auf diese Weise können wir bessere Artikel schreiben."
Lob von Reporter ohne Grenzen
"Guiti News" hat für seine Arbeit bereits einen französischen Innovations-Preis gewonnen. Lob gibt es aber auch von Nichtregierungsorganisationen. Zum Beispiel von Victoria Lavenue, die für Reporter ohne Grenzen arbeitet und verfolgte Journalisten unterstützt.
"Ich finde, dass das ein sehr interessanter Ansatz ist. All die Arbeit, die Organisationen wie Reporter ohne Grenzen machen, wäre umsonst, wenn diese Leute nicht als Journalisten weiterarbeiten können."
In der Corona-Krise sieht Nina Gheddar eine große Chance für ihr Portal: Jetzt sei es wichtiger denn je, Migranten und Flüchtlingen in Frankreich eine Stimme in den Medien zu geben.
Noch keine Honorare für die Redaktion
Bald sollen Leser auf der Website die Möglichkeit bekommen, eine Mitgliedschaft abzuschließen, die ihnen die Teilnahme an Veranstaltungen des Portals ermöglicht. Bisher finanziert sich "Guiti News" vor allem über Spenden, Honorare für die Redaktionsmitglieder gibt es noch nicht.