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Frassoni: Ohne Wechsel kann Italien es nicht schaffen

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Monica Frassoni, bedauert, dass der Wechsel in Italien nicht deutlicher ausgefallen ist. Der Vorschlag Silvio Berlusconis, eine große Koalition zu bilden, sei nicht ernst zu nehmen. Jetzt sei es wichtig, dass die neue Regierung unter Romano Prodi Gesetzesänderungen in den Bereichen Umwelt, Justiz und Medien durchsetze, betonte Frassoni.

12.04.2006
    Simon: Spannend wie ein Krimi war sie, die Wahl zum italienischen Abgeordnetenhaus und Senat, und das lag nicht zuletzt nur an den Vorhersagen der Meinungsforschungsinstitute, denn die hatten anfangs ziemlich daneben gelegen. Sie hatten eine klare Führung von Romano Prodi vorhergesagt. Als es aber an die Stimmauszählung ging, da hatte kurz sogar Silvio Berlusconi wieder die Nase vorne. Schließlich sicherte sich Prodis Mitte/Links-Bündnis mit hauchdünnem Vorsprung von 25.000 Stimmen die Mehrheit im italienischen Abgeordnetenhaus und auch im Senat reichte es schließlich zum Sieg für Prodi. Entscheidend dafür die Stimmen der Auslandsitaliener.

    Ich habe etwas früher in dieser Sendung mit Monica Frassoni gesprochen. Sie ist die Vorsitzende der Grünen im Europaparlament. Und ich habe sie nach dem knappen Wahlausgang gefragt, ob man nicht einen klareren Ausgang, ein deutlicheres Votum für den Wechsel erwartet habe?

    Frassoni: Wir hätten natürlich einen klareren Sieg erhofft, aber man muss sagen, dass dies auch das Ergebnis eines neuen Wahlsystems ist, was nur einige Monate vor den Wahlen in Betrieb genommen wurde. Ich glaube das ist etwas, was man berücksichtigen muss. Wenn wir das alte System gehabt hätten, dann wäre der Sieg auch klarer gewesen. Auf jeden Fall haben wir aber gehofft, dass der Sieg klarer gewesen wäre. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, dass die Italiener keinen Wechsel wollen. Ich glaube vielmehr sie wollen einen Wechsel, aber vielleicht sind es weniger von ihnen als wir dachten.

    Simon: Der Wahlverlierer, Silvio Berlusconi, hat ja große Probleme, den Ausgang der Wahl zu akzeptieren. Er sagt jetzt, bei der Auszählung vor allem der Stimmen der Auslandsitaliener kann es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Glauben Sie, dass es eine Überprüfung der Wahlen geben wird?

    Frassoni: Es ist klar, dass Herr Berlusconi nur siegen will. Das ist auch natürlich so. Ich glaube aber, dass er akzeptieren muss, dass er manchmal verliert.

    Simon: Er hat ja nun ganz überraschend auf einmal eine große Koalition vorgeschlagen, so wie in Deutschland. Romano Prodi hat schon gesagt, das will er nicht. Wird das auch dann nicht kommen?

    Frassoni: Ich glaube, dass die Situationen in Deutschland und Italien sehr verschieden sind. Es ist sehr schwierig, eine große Koalition aus auf jeden Fall einer knappen Mehrheit und dem Sieg einer Koalition zu bilden. Ich glaube nicht, dass es jetzt möglich ist, mit Berlusconi eine große Koalition zu machen. Natürlich weiß man, dass Berlusconi in den letzten Monaten nur sehr, sehr harte Worte für die linke Koalition gehabt hat. Fast alle haben sehr, sehr harte Worte von ihm hören müssen. So glaube ich nicht, dass es viele Leute gibt, die Lust haben, eine Koalition mit ihm zu bilden. Ich wäre wirklich erstaunt, wenn jetzt jemand eine Koalition mit Berlusconi oder seiner Fraktion machen könnte. Auch glaube ich nicht, dass man sehr froh wäre, wenn es eine große Koalition gäbe. Ich sehe nicht, mit wem er eine Koalition machen kann.

    Simon: Frau Frassoni, die Parteien in Romano Prodis Bündnis sind ja sehr unterschiedlich. Wie schwierig wird die Regierungsbildung?

    Frassoni: Erstens glaube ich, dass man sagen muss, dass auch die andere Koalition sehr verschieden ist. Zweitens gibt es schon sehr lange ein Programm der linken Koalition, vielleicht auch sehr detailliert, aber ziemlich klar. Das ist gerade das, was diese sehr breite Koalition vereinigt. Ich habe den Eindruck, dass die Leute nicht mit diesem Programm spielen wollen. So hoffe ich zumindest. Das würde natürlich die Bildung einer Regierung vereinfachen.
    Die Wahlen haben auch eine bestimmte Balance unter den verschiedenen Parteien gebildet und man muss sehen, wie die verschiedenen Parteien sich verständigen können, um eine gute Regierung zu bilden. Ich habe aber den Eindruck, dass dies nicht unmöglich sein wird, weil alle wissen, wenn man sich nicht einig wird, dass Berlusconi dann wieder zurückkommen kann.

    Simon: Es gibt enorme Probleme, vor denen die neue Regierung stehen wird, vor allem wirtschaftlicher Art, Reformprobleme. Sind die Italiener eigentlich bereit für diesen Sparkurs, den Romano Prodi ja bereits angekündigt hat? Ahnen sie was da kommt?

    Frassoni: Es ist natürlich wahr, dass wir große Probleme haben, und es ist auch wahr, dass viele Leute das nicht akzeptieren wollen. Sie verstehen nicht, dass die Situation wirklich schlimm ist und dass man sich jetzt wie ein Italiener verhalten muss, das heißt einen wirklichen kollektiven Sprung machen muss. Das ist für viele Leute schwierig zu verstehen und das ist vielleicht das schwierigste Problem für Romano Prodi, die Leute zu überzeugen, dass sie gemeinsam eine Lösung finden müssen, weil das natürlich auch nicht einfach ist. Die fünf Jahre unter Berlusconi waren wirklich nicht Jahre, die gelungen sind und das allgemeine Interesse wirklich verteidigt haben.

    Wenn aber nicht Prodi, wer dann? Also glaube ich wir haben jetzt wirklich keine Alternative, auch weil die Italiener gespalten sind, und das müssen wir versuchen, in den Griff zu kriegen. Wenn nicht diese Koalition, dann sehe ich nicht wer sonst.

    Simon: Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste das Vordringlichste, was jetzt angepackt werden muss in Italien?

    Frassoni: Ich glaube es muss jetzt ein Signal oder sogar verschiedene Signale geben, dass die Situation sich verändert. Es ist zum Beispiel momentan sehr einfach, die Steuern nicht zu zahlen. Es ist relativ einfach, diese Regelungen zu umgehen. Darüber hinaus gibt es zwei, drei Dinge den Umgang mit Spenden betreffend, die die Vorgängerregierung nicht abgearbeitet hat.

    Simon: Das heißt eine komplett andere Mentalität auch einführen?

    Frassoni: Das ist nicht eine komplett andere Mentalität, weil die Mehrheit der Italiener, die abgestimmt haben, wollen diese Mentalität haben. Ich glaube nicht, dass alle Italiener diese total leid sind. Ich denke es gibt viele Leute die verstehen, dass hier ein Wechsel passieren muss. Sonst können wir es nicht schaffen.

    Simon: Das heißt aber eine andere Mentalität in der Regierung einführen? Steuern müssen gezahlt werden, Gesetze müssen befolgt werden.

    Frassoni: In der Regierung sicherlich. Es muss eine total andere Mentalität in der Regierung vorhanden sein. Das wird natürlich schwierig sein, aber es ist möglich.

    Simon: Es gibt eine Reihe von Gesetzesänderungen in den letzten Jahren, die direkt Silvio Berlusconi und seinen Anhängern genutzt haben: vor allem bei juristischer Verfolgung und Verjährung von Straftaten, aber auch im Medienbereich. Wird die neue Regierung Prodi diese Gesetze wieder rückgängig machen?

    Frassoni: Wenn ich über Signale gesprochen habe, dann meinte ich gerade das damit. Es ist wichtig, dass wir uns jetzt sehr, sehr schnell mit dieser Thematik beschäftigen. Das ist ziemlich wichtig. Ich glaube die Gesetze, die die letzte Regierung natürlich für die Medien, aber auch für die Umwelt beschlossen hat, waren so ausgelegt, um die Interessen derer zu vertreten, die sie gemacht haben. Das ist etwas, was wir verändern müssen. Es gibt Regelungen im Justizbereich, die man wieder umkehren muss. Es ist nicht nur eine Sache von Konflikten um Berlusconi, sondern es gibt eine ganze Reihe von Signalen, die Prodi in vielen anderen Bereichen auch geben muss. Das betrifft wie gesagt die Justiz, aber auch Umwelt und Arbeit. Es ist wichtig, dass Prodi das schnell macht, denn es gibt ein Abkommen unter den verschiedenen Parteien der Koalition, dass das gemacht werden muss.

    Simon: Das war ein Interview mit Monica Frassoni. Sie ist Vorsitzende der Grünen im Europaparlament.