Archiv

Frauen an Universitäten
Langer Kampf um gleiche Rechte

Erst 1908 wurde die erste Juristin in Deutschland promoviert. Die Zulassung an deutschen Universitäten mussten sich Frauen um die Wende zum 20. Jahrhundert zäh erstreiten. Mit diesem Kampf um Gleichberechtigung beschäftigt sich eine liebevoll konzipierte Ausstellung in der Marburger Unibibliothek.

Von Ludger Fittkau |
Illustration: Einzelne Geschäftsfrau gegenüber einer Reihe von Geschäftsmännern auf einer Wippe.
Der Kampf um gleiche Rechte und Chancen für Frauen in den Universitäten ist noch nicht zu Ende (imago stock&people)
Tadata Urata, 1873 im japanischen Kumamoto als Tochter eines Schriftstellers geboren, hatte Ehrgeiz und Glück. Ausgebildet wurde sie an einer höheren Mädchenschule in Tokio. 1899 erhielt sie ihre Approbation als Ärztin, arbeitete zwei Jahre lang als wissenschaftliche Assistentin am örtlichen Institut für Infektionskrankheiten. Dann ging sie an die damals preußische Universität Marburg - zu Emil von Behring, der 1901 den ersten Nobelpreis für Medizin für seine Forschungen zu Schutzimpfungen bekam. Tadata Urata wurde 1905 als erste Frau in Deutschland im Fach Medizin promoviert. Sie war eine von rund 200 "Vorkämpferinnen" des Frauenstudiums an der Uni Marburg:
"Es hat sich rumgesprochen, dass ab 1895 Frauen an preußischen Hochschulen schon Vorlesungen besuchen durften. Und insofern kamen die ausländischen Studentinnen, die in Amerika und in England ja schon studieren durften, auch in einer großen Anzahl nach Marburg. Von den ersten Hörerinnen in Marburg sind ungefähr die Hälfte ausländische Studentinnen gewesen", sagt Silke Lorch-Göllner, die Kuratorin der Marburger Ausstellung zu den Vorkämpferinnen des Frauenstudiums an der bald 500 Jahre alten Universität.
Erbitterter Streit um Zulassung
Der Streit, ob Frauen an Universitäten zugelassen werden sollten wurde an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erbittert ausgetragen, so Lorch-Göllner. Auch viele Professoren der Uni Marburg lehnten Frauen in ihren Veranstaltungen weiterhin ab:
"Die theologische Fakultät war zum Beispiel in Bezug auf das Frauenstudium immer gespalten. Es gab bei den Abstimmungen immer drei die für das Frauenstudium waren und drei dagegen. Die juristische Fakultät war für das Frauenstudium - einstimmig."


Doch diese Unterstützung nützte Alix Westerkamp im Jahr 1900 noch nichts. Denn der Antrag der Fakultät wurde vom zuständigen preußischen Ministerium in Berlin abgelehnt. Es dauerte weitere sieben Jahre, bis Alix Westerkamp als erste Juristin in Deutschland promoviert wurde - übrigens mit sehr guter Note. Doch damit hörten die Probleme nicht auf, recherchierte Silke Lorch-Göllner:
"Als Juristin, die durften ja noch nicht als Richterinnen und Rechtsanwältinnen tätig sein, ist sie so in den sozialpolitischen Bereich gegangen. Und war Rechtsberaterin für Frauen, sie war Geschäftsführerin eines sozialen Vereins. Sie war Dozentin in Frauenbildungsschulen und sie hat ganz viel publiziert."
Plakat der Ausstellung "Vorkämpferinnen an der Alma Mater Philippina" an der Universiät Marburg
Ausstellung zu den ersten Studentinnen an der Universität Marburg (Deutschlandradio / Ludger Fittkau)
Kampf um Gleichstellung geht weiter
In einer Vitrine sind viele der Schriften von Alix Westerkamp ausgestellt. Der Kampf um Gleichstellung von Frauen an deutschen Hochschulen muss auch heute noch mit unverminderter Kraft geführt werden. Das betonte bei der Ausstellungseröffnung in Marburg Katharina Krause, die örtliche Uni-Präsidentin:
"Wir haben zwar hessenweit heute mehr als 50 Prozent Frauen im Studium und der Anteil in einigen Fächern, zum Beispiel in der Medizin ist bei über 60 Prozent. Aber das Erreichen von Leitungspositionen später im akademischen Bereich und später auch in der Wirtschaft ist nach wie vor eine schwierige Angelegenheit." Bei den ersten Prüfungen im Studium haben die Frauen immer noch die Nase vorn, so Katharina Krause. Aber: "Promotionen, da sind die Männer dann schon im Vorteil, quantitativ. Dann hin zu weiteren Positionen, bis hin zu den Professuren."
Die Marburger Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie hart der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung in der Universität bereits begonnen hat. Tadata Urata, die erste Medizin-Doktorandin in Deutschland, kehrte übrigens nach ihrer erfolgreichen Promotion wieder nach Japan zurück und eröffnete eine Augenheilpraxis in Tokio. Alix Westerkamp, die erste deutsche Jura-Absolventin mit Doktortitel, versuchte während des Nationalsozialismus jüdischen und politisch verfolgten Freunden zu helfen. Zwei Beispiele aus einer liebevoll konzipierten und empfehlenswerten Marburger Ausstellung.