Schon am drittletzten Spieltag steht der Abstieg von Turbine Potsdam fest: Nach der 1:5-Niederlage gegen Leverkusen wird der sechsfache deutsche Meister in der kommenden Saison zum ersten Mal in der 2. Liga spielen.
Damit bleibt nur noch ein Verein in der 1. Bundesliga, in der die Frauen-Mannschaft komplett im Mittelpunkt steht: Die SGS Essen.
"Erstmal muss man sagen, war das für Frauenfußball-Deutschland ein Ding, dass Turbine abgestiegen ist. Was Turbine auch in den letzten Jahren geleistet hat für den Frauenfußball, darf man auch nicht vergessen, aber natürlich war es dann so. Jetzt sind wir Last Women Standing", sagt Essens Mittelfeldspielerin Lily Reimöller.
Frauenvereine scheinen keine Zukunft mehr zu haben
Dabei hat Turbine noch 2010 die Champions League gewonnen. Damals sind in der Bundesliga noch die Hälfte der Teilnehmer reine Frauenvereine. Aber dieses Modell scheint keine Zukunft zu haben.
Die meisten Bundesligisten haben inzwischen einen professionellen Männerverein im Rücken. Grund dafür ist sicherlich auch eine neue Richtlinie der DFL, die ab der kommenden Saison eine aktive Förderung des Frauenfußballs vorsieht. Möglich ist zum Beispiel, eine eigene Mannschaft zu stellen oder mit anderen Mannschaften zu kooperieren.
Einige Vereine wie Borussia Dortmund oder Borussia Mönchengladbach haben vor einigen Jahren begonnen, sich von unten nach oben zu spielen. Der VfB Stuttgart oder Hertha BSC sind den Weg über Kooperationen gegangen, erzählt Essens Cheftrainer Markus Högner.
"Hertha BSC, die haben ja jetzt eine Lizenz gekauft, dass sie jetzt direkt in der Regionalliga sind. Ich find‘s eigentlich gut wie es Borussia Dortmund macht, also dass sie da ne klare Struktur von unten aufbauen. Aber im Endeffekt ist das jedem Verein selbst überlassen."
Essen will nicht kooperieren
Auch bei der SGS Essen habe es schon Kooperationsgespräche mit Vereinen aus der Region gegeben, sagt Högner.
"Es gab mal lose Gespräche, bestimmt, vor einiger Zeit. Aber insgesamt wollen wir weiter hier unser Ding machen und warum sollen wir mit einem Männerverein kooperieren? Das ist letztendlich die große Frage."
Die Gründe für eine Kooperation liegen auf der Hand. Es geht um Geld. Spitzenvereine wie Bayern München oder Wolfsburg können gute Spielerinnen abwerben und mit besseren Gehältern locken. Ihre gute Tabellenposition ist damit relativ sicher.
Vermarktungstechnisch als reiner Frauenverein profitieren
Bayern München und Wolfsburg sind die einzigen deutschen Meisterinnen der vergangenen zehn Jahre. Dahinter sind die Abstände in der Tabelle gering. Doch in Essen ist man zuversichtlich, sich behaupten zu können, besonders mit Blick auf die Möglichkeiten der Vermarktung.
"Dass wir auch gerade Vermarktungstechnisch in den nächsten Jahren, dann auch mehr Möglichkeiten haben als vielleicht reine Männervereine. Gerade dieses Besondere als Frauenverein, das können wir auch gut herausstellen."
Essen sieht sich als Ausbildungsverein
Essens Trainer Högner hat zudem die Rolle als Ausbildungsbetrieb für die Bundesliga längst angenommen.
Auch nach dieser Saison werden nach seinen Angaben vier bis fünf Spielerinnen die Mannschaft verlassen: Vivienne Endemann, Miriam Hils, Antonia Baaß und Nina Räcke stehen bisher fest. Endemann spielt in der kommenden Saison für Wolfsburg. Räcke wechselt zum Aufsteiger RB Leipzig.
Man habe bei der SGS Essen schon größere Umbrüche gehabt, etwa nach dem Pokalfinale 2019, sagt Högner. Aber der Konkurrenzdruck auf die SGS steigt, auch durch den neuen finanzstarken Aufsteiger aus Leipzig. Trotzdem plant Essen derzeit keine Partnerschaft mit einem professionellen Männerverein.
Durch eine gute Talentförderung und den gelebten Geist als reiner Frauenverein will die Mannschaft auch in Zukunft im Wettbewerb bestehen, meint Jacqueline Meißner:
"Ich glaube, dass Männerklubs wichtig sind, auch für den Frauenfußball. Dennoch finde ich einfach, dass reine Frauenvereine, wo einfach das Frauenteam die Nummer 1 sind, genau so wichtig ist. Auch Vereine wo junge Mädels an die Bundesliga herangeführt werden und das passiert oftmals nicht in den Vereinen, wo mit Bayern München oder Wolfsburg hantiert wird."
Die Vereinsinfrastruktur muss professionalisiert werden
Aber nicht nur die Mentalität trägt zur Qualität einer Mannschaft bei. Auch die Infrastruktur im Verein muss professionalisiert werden, meint Trainer Högner. Ein Hybridrasen sei mittlerweile vorhanden, im nächsten Jahr hoffe man auf ein neues Funktionsgebäude. Daher blicken die Essener optimistisch in die Zukunft.
"Wir standen immer überm Strich. Im Endeffekt waren wir nie in akuter Abstiegsgefahr. Und das zeigt ja letztendlich, dass wir gut arbeiten."
Und Högner findet auch nichts Schlechtes daran, dass sein Team jetzt die Last Woman Standing sind.
"Wir genießen ja jetzt auch in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit, weil wir eben nicht ein Abklatsch vom Männerverein sind. Und von daher sehe ich das alles sehr positiv."