"Wir haben in den vergangenen 15 Jahren gesehen, dass viele der Vereine, die im europäischen Männerfußball dominieren, nun beschlossen haben, auch in den Frauenfußball zu investieren." So beschreibt Maurizio Valenti, wie sich der Begriff „Superclub“ in der Studie definiert, die er mit seinen Kollegen Nicolas Scelles und Stephen Morrow zur Wettbewerbsfähigkeit der Champions League veröffentlicht hat.
Ein Superclub ist in der Regel in den Ligen der "großen fünf" angesiedelt - England, Spanien, Italien, Frankreich oder Deutschland. Die Länder, in denen die Ligen die höchsten Einnahmen erzielen. Die Forscher wollten wissen, ob der Eintritt traditioneller Männervereine in den Frauenfußball das Machtgefüge dort verändert.
Dominanz der Superclubs
"Die Antwort auf unsere Frage lautet: ja. Der Beitritt von Superclubs hatte einen erheblichen Einfluss auf das Wettbewerbsniveau der UEFA Women's Champions League. Wenn wir ein wenig mehr ins Detail gehen, sehen wir: Die Superclubs sind tatsächlich zu dominant, denn wenn wir uns den relativen Prozentsatz ansehen, dann gewinnen die Superclubs gegen die Nicht-Superclubs in 75 Prozent der Fälle."
Die Nicht-Superclubs hingegen verlieren fast alle ihre Champions-League-Spiele. Für die Studie wurden 700 Champions-League-Spiele zwischen 2008 und 2019 anhand von zwei Faktoren analysiert: Wie vorhersagbar ist der Ausgang eines Spiels? Dafür verglichen die Wissenschaftler die Wettquoten vor dem Spiel mit dem tatsächlichen Ergebnis. Und, als zweiter Faktor, die Höhe der Tordifferenz: Je höher diese ausfiel, desto eher gingen sie davon aus, dass es sich um ein Spiel mit wenig Konkurrenzdruck handelte.
Rekordspielerin Mittag sieht enormes Potenzial
"Und jetzt natürlich auch mit der Umstrukturierung in die Gruppenphase, das ist schon schön zu sehen. Und dass auch mehr Preisgelder gezahlt werden. Also wenn man sieht, wo das alles angefangen hat und wo wir jetzt sind, finde ich, hat das schon einen krass positiven Schritt genommen", sagt Anja Mittag, Ex-Nationalspielerin und Co-Trainerin bei RB Leipzig.
Mit 74 Champions-League-Spielen ist sie die zweite deutsche Rekordhalterin - mehr Spiele hat nur Alexandra Popp. Mittag hat den enormen Qualitätsanstieg und den Wandel vom Europacup zur Champions League 2012 als aktive Spielerin mitbekommen. Die positive Entwicklung – aber auch Schattenseiten.
"Zuallererst geht es also um das, was wir Fairness im Wettbewerb nennen. Die Organisatoren eines Sportereignisses versuchen normalerweise, allen Teilnehmern nach Möglichkeit die gleichen Gewinnchancen einzuräumen", sagt Forscher Maurizio Valenti.
Ursprung des Problems sitzt tiefer
Die UEFA hat schon versucht, den Wettbewerb für die kleineren Vereine fairer zu machen: Seit 2022 gibt es Solidaritätszahlungen. 23 Prozent der Einnahmen gehen an die Ligen der teilnehmenden Clubs. "Es handelt sich dabei nicht um einen sehr hohen Betrag. In absoluten Zahlen sind es vielleicht fünf bis sechs Millionen Euro. Aber es wird diesen kleineren Vereinen zumindest die Möglichkeit geben, ihr Geschäft aufrechtzuerhalten oder zumindest ihre Einnahmen leicht zu erhöhen."
Valenti hebt allerdings hervor, dass der Ursprung des Problems tiefer sitzt, nämlich in den Folgen von fehlender Förderung. Zwar würden durch die Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre weltweit immer mehr Frauen Fußball spielen, "aber die Zahl der Frauen, die Fußball spielen, ist im Vergleich zu den Männern, die in einem Verein angemeldet sind oder regelmäßig Fußball spielen, etwa fünfmal geringer."
Dadurch gibt es auch eine kleinere Anzahl an Top-Spielerinnen, die sich auf einige wenige Vereine verteilen. Nämlich auf die, die sich diese Spielerinnen leisten können.
Mittag: "Irgendwie ungerecht"
Auch Mittag kennt das Problem. Auch aus Nicht-Superclub-Sicht aus ihrer Zeit in Schweden: "Ich glaube, dass es auch für die Clubs schwer ist, die Spielerinnen zu motivieren oder hochkarätige Spieler zu bekommen. Weil du weißt, es ist superschwer, erst einmal in die Quali zu kommen. Also du wirst schon Meister in deiner Liga, musst dann noch ein Quali spielen, um dich für die Gruppenphase zu qualifizieren. Den Weg dorthin kann dir ja keiner garantieren. Und das ist natürlich superschwer, wenn du nicht die Mittel hast - da ist klar, dass ein Wolfsburg oder Bayern, ein Arsenal, ein Chelsea oder was auch immer viel bessere Möglichkeiten hat. Dann ist das schon irgendwie ungerecht, wenn man das so sagen will oder so sagen kann."
Aber es sind eben auch die Super Clubs, die bisher die fairsten Löhne zahlen, sagt Forscher Valenti: "In Anbetracht der Zahl der Superclubs, die jetzt in den Frauenfußball investieren, glaube ich, dass dieser Trend entweder so bleiben wird oder dass wir sogar noch mehr Dominanz der Superclubs in Zukunft sehen werden."
Die Wahrscheinlichkeit, auch im kommenden Jahr wieder ein Champions-League-Finale zwischen Vereinen wie Barcelona und Wolfsburg zu sehen, ist also gar nicht so gering.