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"Frauen, die Geschichte machten"
Kritiker von ZDF-Dokuserie wenig begeistert

Sophie Scholl, Jeanne d'Arc und Kleopatra: Das ZDF widmet sich in einer Reihe sechs herausragenden Frauen und ihren Biografien. Doch die Porträts strotzen vor Ungenauigkeit, bemängeln die Kritiker.

Von Silke Lahmann-Lammert |
    Darin schlüpfen Schauspielerinnen in die Rolle historischer Figuren wie Jeanne d'Arc, Elisabeth der Ersten oder Katharina der Großen und stellen ihr Leben szenisch nach: Reenactment pur - ohne Kommentare und Analysen von Historikern.
    "Aus einem Teppich soll ich gesprungen sein. Und nackt wie Venus vor Cäsar, dem mächtigsten Mann der Welt gestanden haben."
    Die ersten Sätze, die das Drehbuch Kleopatra in den Mund legt, geben einen Vorgeschmack auf das, was die Zuschauer im Lauf des Films erwartet:
    "In Rom nannten sie mich die königliche Hure. Ja. Ich habe mit zwei Imperatoren das Bett geteilt. Den ersten brauchte ich, den anderen liebte ich. Der dritte aber wollte mein Land mit Gewalt unterwerfen. Mich sollte er nicht bekommen."
    Pegah Feridony – bekannt geworden durch die Serie "Türkisch für Anfänger" - spielt die letzte Herrscherin des Ptolomäerreiches. Viel darstellerische Wandlungsgabe dürfte ihr die Rolle nicht abverlangt haben...
    "Cicero, dieser alte Schleimer!"
    … denn in der ZDF-Dokureihe "Frauen, die Geschichte machten" sprechen Kleopatra und ihre antiken Zeitgenossen wie die Protagonisten einer Telenovela aus dem Hier und Jetzt.
    "Wenn ich in Cäsars Villa einlud, kamen sie alle, die ganze römische Schickeria!"
    "Die Dialoge haben mich wirklich sehr gestört. Also das ist ja Alltagsjargon. Da wär' doch andere Wortwahl sicherlich geschickter gewesen."
    So beurteilt die Ethnologin und Leiterin der Völkerkundesammlung Lübeck Brigitte Templin die sprachliche Treffsicherheit der neuen History-Serie.
    "Also ein einnehmendes Wesen kann man ihr ja nicht absprechen. Und sie hat sicher noch andere Talente. Er ist immerhin 54 und sie 23. Aber wir wissen ja, wie die Männer so sind!"
    Ärgerlich an solchen Plattitüden ist das Frauenbild, das sich in ihnen spiegelt: Die ägyptische Königin Kleopatra reduziert das Drehbuch auf ein intrigantes, herrschsüchtiges Biest:
    "Es gibt arabische Quellen, die sie als sehr gebildete Frau beschreiben. Und hier könnte man, wenn man böse ist, auch sagen: Das ist 'ne Serie „Bettgeschichten der Weltgeschichte“. Es wird ja wieder dieses Frauenklischee bedient: Mit Schönheit und gewissen Reizen kann man gewisse Dinge beeinflussen."
    Wer sich ernsthaft über Kleopatra informieren will, erfährt bei Wikipedia mehr als in dem ZDF-Portrait. Auch die filmische Umsetzung lässt zu wünschen übrig: Pegah Feridony mit wehendem Haar vor kulissenhaften Computersimulationen des Alten Ägyptens. Da hatte der 50 Jahre alte Hollywood-Klassiker mit Liz Taylor und Richard Burton mehr zu bieten.
    Die Portraits von Kleopatra, Katharina der Großen und Königin Luise von Preußen strotzen vor Klischees und historischen Ungenauigkeiten. Wären alle Folgen nach diesem Muster gestrickt, könnte man die ZDF-Reihe getrost vergessen. Aber: Die Filme über Jeanne d'Arc und Elisabeth die Erste von England stellen die historischen Figuren differenzierter dar. Am besten gelungen ist der Teil über Sophie Scholl, der ein sensibles und detailliertes Bild der Widerstandskämpferin zeichnet.
    "Es ist unsere Überzeugung, dass der Krieg verloren ist. Und dass jedes Menschenleben, dass für diesen Krieg geopfert wird, ein sinnloses Opfer ist."
    Ein grundsätzliches Manko trifft aber auch auf dieses Portrait zu: Wie die anderen Protagonistinnen trägt die Figur Sophie Scholl selbst ihren Lebensbericht vor. Eine Darstellungsweise, die den Eindruck alternativloser Wahrheit erweckt.
    "Ich finde, man hätte deutlicher machen müssen, was Spekulation ist. Also man muss ja immer ganz deutlich machen, was ist gesichert – oder wie wird es interpretiert - und was ist Spekulation."
    Aber für unterschiedliche Interpretationen, für eine kritische Analyse der Quellen lassen die Filme keinen Platz. Im Gegenteil: Die unkommentierte Dramatisierung geschichtlicher Figuren verwischt die Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion bis zur Unkenntlichkeit. Das Resultat ist ein buntes Gemisch aus historischen Fakten, Halbwahrheiten und Spekulationen. Bleibt nur zu hoffen, dass Lehrer das Material nicht - wie vom ZDF empfohlen – im Unterricht einsetzen. Es sei denn, um zu zeigen, wie man Geschichte nicht verbrämen und vereinfachen sollte.