"Insofern geht es im Streit um die Übertragung des Frauenfußballs nicht um die Liebe zum Frauenfußball, sondern um geopolitische Gründe."
Sagt der Politikwissenschaftler Danyel Reiche von der Amerikanischen Universität Beirut. Die Frauenfußball-Weltmeisterschaft ist das aktuellste Event, bei dem der saudische Piratensender BeOutQ das Signal der katarischen Mediengruppe BeIN anzapft. Sport war für Katar eine Art Lebensversicherung im Überlebenskampf gegen den großen Nachbarn Saudi-Arabien. Danyel Reiche sieht Sport als ein Schlüsselinstrument katarischer Außenpolitik.
"Um mit so vielen Ländern wie möglich Kontakte zu haben. Und auch, um sich Sicherheit zu kaufen. Denn ohne Fußball-Weltmeisterschaft, ohne Sport-Großereignisse, würde Katar in der Welt vermutlich wenig Beachtung finden. Vielleicht hätte es dann schon eine Invasion Saudi Arabiens in Katar gegeben."
Die Übernahme von Paris Saint Germain, das Sponsoring beim FC Barcelona, der Neymar-Transfer, all dies gehört zu dieser Strategie. Und die BeIn Mediengruppe, aus Al Jazeera Sport entstanden, war die Speerspitze. Jahrelang dominierte das Unternehmen die Sportübertragungen im Mittleren Osten und Nordafrika.
Piratensender wird weiter gefördert
2017 begann die Zeit von BeOutQ, die illegal das BeIN-Signal übernahmen und ausstrahlten, um das Geschäft der unerwünschten Nachbarn zu schädigen. Simon Murray, Chef der britischen Analysefirma tv digital research erläutert die politischen Intentionen dahinter.
"Saudi Arabien und Ägypten üben in der Region gemeinsam den größten Druck auf BeIN aus. Sie unterstützen BeOutQ, in beiden Ländern ist der Piratensender angesiedelt. Die Regierungen könnten das illegale Streaming verbieten, aber sie tun es aus politischen Gründen nicht."
Stattdessen wird der Piratensender weiter gefördert. Dafür wird in dem erzkonservativen Land dann auch das Signal von der Frauen-WM ausgestrahlt. Dabei spielt der Frauenfußball sportlich keine Rolle in der Region. Kein arabisches Land hat sich für das Turnier in Frankreich qualifiziert. Politikwissenschaftler Danyel Reiche erläutert:
"Frauenfußball ist in der arabischen Welt nicht populär. Das sieht man auch daran, dass in der momentanen FIFA Frauenfußball-Rangliste Saudi Arabien und Katar gar nicht auftauchen im Ranking. Was immer dafür ein Zeichen ist; das es keine Frauenfußball-Nationalmannschaft gibt wie in Saudi Arabien. Oder wie im Fall von Katar die über längere Zeit nicht aktiv gewesen ist, um sie in das Ranking aufzunehmen."
Illegales Streaming der Frauen-WM
Bis sich eine "typisch männliche" Sportart wie Fußball in Saudi Arabien durchsetzen kann, muss erst einmal der Sport allgemein Barrieren überwinden. Bis 2017 gab es keine Fitnessklubs für Frauen. Organisierte Sportangebote oder andere physische Aktivitäten richten sich in erster Line an Ausländerinnen und wohlhabende saudische Frauen. Denn sie existierten allenfalls in abgeschlossenen Wohnanlagen oder in privaten Veranstaltungsorten. 2018 lockerten sich unter Kronprinz Mohammed bin Salman einige Vorschriften. Frauen durften in Begleitung ihrer Familie erstmals Fußballspiele besuchen. Und es wurde ein staatliches Programm zum Sportunterricht in Mädchenschulen gestartet. Aber ernsthafte Angebote für den organisierten Sport bleiben Mangelware.
Vor diesem Hintergrund ist dieser Akt der Piraterie mit dem illegalen Streaming der Frauen-WM nur als geopolitisches Manöver zu sehen. Mit schwerwiegenden Konsequenzen für dem Sportrechtemarkt. Die Preise in der Region brechen ein.
Zahlreiche Verbände und Ligen haben rechtliche Schritte gegen Saudi Arabien eingeleitet, beispielsweise die FIFA, die Bundesliga, die Premier League und La Liga aus Spanien. Anna Guarnerio zu den Bemühungen der italienischen Serie A:
"Wir arbeiten mit Fußball-, Sportverbänden und Ligen zusammen, um gegen die Piraterien anzukämpfen. Weil wir wissen, dass der Kampf gegen BeOutQ aus technischer Sicht sehr anspruchsvoll ist. Es ist kein leichter Kampf."
Italienisches Supercup-Finale in Saudi-Arabien
Jetzt hat der neue Chef der Serie A, Luigi De Siervo, gedroht, den Vertrag über die Ausrichtung des italienischen Supercups in Saudi-Arabien wieder aufzulösen, wenn der Staat BeOutQ nicht stoppt. Denn der Fernsehvertrag der Italiener mit BeIN für die Region ist eine halbe Milliarde US-Dollar wert. Bisher sind diese Bemühungen alle verpufft. Und die Zeit spielt gegen den katarischen Sportsender. Dieser verliert Kunden und damit auch Einnahmen. Simon Murray:
"2018 hat BeIN 525.000 Abonnenten, das ist weniger als 2017 mit 662.000. Wir schätzen, dass sie in der ersten Hälfte dieses Jahres noch mehr verloren haben."
Als Folge mussten schon 300 der 1.500 Mitarbeiter im Hauptquartier in Doha entlassen werden.