Carmen Roth ist eine seltene Erscheinung. Sie war Trainerin in der Frauen-Bundesliga, beim SV Werder Bremen. Nur zwei der zwölf Teams wurden in dieser Saison von Frauen geleitet. Werder Bremen wollte den Vertrag von Carmen Roth verlängern, doch sie lehnte ab. Sie kehrt zurück nach München, nimmt dort ihren unbefristeten Job bei einer Versicherung wieder auf. Ihr Arbeitgeber hatte sie für den Fußball zwei Jahre lang freigestellt.
Carmen Roth sagt: "Als Trainerin ist es ja immer befristet. Es war mir dann auch zu risikoreich, gerade im Frauenfußball, wo man jetzt zwar ganz gut verdient, aber jetzt nicht so, dass man sagen kann. Ok, da bin ich abgesichert für die restliche Zeit. Deswegen bin ich eher ein Sicherheitsmensch. Und ich wollte dann eben kein Risiko eingehen. Ich hatte dann auch keine Lust, mit 50 dazustehen und keinen Job zu haben. Weil es gibt halt nicht viele Jobs für Frauen im Fußball."
Jahresurlaub für die Trainerkurse
Carmen Roth hat fast 150 Bundesligapartien bestritten, die meisten für den FC Bayern München. Schon als Spielerin arbeitete sie Vollzeit bei der Versicherung, um für später einen Plan B zu haben. Sie wollte Bundesliga-Trainerin werden. Dafür benötigte sie drei Lizenzen: erst C, dann B, schließlich A.
Carmen Roth musste für die mehrwöchigen Kurse jeweils ihren Jahresurlaub nehmen. Weil sie keine ehemalige Nationalspielerin ist. Denen wird der Einstieg ins Trainingswesen erleichtert, sie können den Grundlagenkurs überspringen.
Carmen Roth sagt: "Also es ist schon sehr auf die Nationalspielerinnen ausgerichtet. Meiner Meinung nach leistet eine Spielerin, die 40 Stunden oder 30 Stunden arbeiten geht, viel, viel mehr, als eine Spielerin, die sich nur auf den Fußball konzentrieren kann. Also wenn man dann auch sagen würde: Ok, man hat 50 Bundesligaspiele zum Beispiel und man darf dann auch die B-Lizenz gleich machen. Die wird vielleicht die bessere Trainerin als eine, die 30 Länderspiele hat."
Nach der C-Lizenz sinkt der Frauen-Anteil enorm
Noch höher sind die Anforderungen bei der mehrmonatigen Ausbildung zum "Fußball-Lehrer". Schon in der Betitelung ist die weibliche Form nicht vorgesehen. Und das spiegelt weitgehend die Wirklichkeit wider: In der Regel war unter den 25 Teilnehmenden pro Jahrgang höchstens eine Frau.
Die Ursachen dafür liegen an der Basis: In den vergangenen Jahren haben sich mehr Frauen um die C-Lizenz bemüht, meist für Kinder- und Jugendfußball. Eine Stufe höher an der Schwelle zum Leistungssport sinkt der weibliche Anteil enorm. Das liege nicht an der fehlenden Bereitschaft der Frauen, sagt die Berliner Trainerin und Frauenrechtsaktivistin Johanna Small. Sondern eher an den Förderstrukturen der Verbände, die Frauen zu wenig in den Blick nehmen.
"Und man ist halt sehr schnell in einer Sonderrolle, wenn man meistens ja dann doch in der Unterzahl ist auf diesen Kursen. Das ist noch mal für die B-Lizenz noch mal viel stärker so. Wer macht eine B-Lizenz? Das sind sehr oft Spieler oder Spielerinnen, die auch sehr hoch gespielt haben. Und je höher man spielt, desto mehr ist es auch eine Netzwerkfrage. Der Referent kennt schon alle aus der Verbandsauswahl. Man kennt sich, und irgendwie ist diese Außenseiterrolle dann noch verstärkt. Wir merken, wenn man einen Kurs nur für Frauen gibt, dass da wesentlich größeres Interesse ist."
Im Männerfußball kaum Trainerinnen
Beim DFB werden das Frauen-Nationalteam und alle Juniorinnen von Frauen trainiert. In anderen Ländern ist das noch lange keine Selbstverständlichkeit. Bei der WM vor vier Jahren in Kanada wurden gerade einmal acht der 24 Teams von Frauen trainiert. Nun in Frankreich sind es neun.
Im professionellen Männerfußball lassen sich Trainerinnen an einer Hand abzählen. Corinne Diacre betreute in Frankreich den Zweitligisten Clermont Foot. 2017 übernahm sie das Frauen-Nationalteam. Internationale Aufmerksamkeit zog Chan Yuen Ting in Hongkong auf sich. Als Trainerin führte sie das Männerteam des Eastern SC 2016 zur Meisterstadt des Stadtstaates, im Alter von 27 Jahren.
Sie sagt: "Ich habe viel Druck von außen gespürt. Ich habe mich aber auch selbst unter Druck gesetzt. Ich wollte mich auf mein Team konzentrieren, alle Interviewanfragen lehnte ich erstmal ab. Und dann in der asiatischen Champions League: Unsere Spiele gingen meist hoch verloren: 0:5, 0:6 oder 0:7. Die Kritik in den Medien war enorm. Doch ich wollte meine Linie beibehalten. Dabei ist es wichtig, gegenüber den Spielern die richtige Balance zu finden. Ich diskutiere mit jedem. Aber es gibt auch feste Regeln, Disziplin ist mir wichtig. Manchmal muss ich streng sein. Jeder muss im Team unsere Entscheidungen akzeptieren."
Verbände halten sich mit verbindlichen Quoten zurück
Für die BBC gehörte Chan Yuen Ting zu den 100 einflussreichsten Frauen der Welt. Doch nach zwei Jahren gab die studierte Sport- und Gesundheitsmanagerin ihren Posten auf. Sie wollte die höchste Lizenz im asiatischen Trainingswesen erwerben. So ging für sie ein großer Wunsch in Erfüllung: "Meine Eltern wollten nicht, dass ich im Fußball arbeite. Und sie wollten früher nicht, dass ich Fußball spiele. Wir haben uns oft gestritten, denn wenn ich etwas unbedingt will, kann ich ziemlich stur sein. Nach einigen Jahren haben sie gemerkt, dass ich mich durch Fußball weiter entwickeln kann. Inzwischen kommen sie öfter ins Stadion uns schauen unsere Spiele. Und nachdem ich Cheftrainerin wurde, waren sie ziemlich stolz."
Durch welche Strukturen können Karrieren wie die von Chan Yuen Ting wahrscheinlicher werden? Die FIFAschreibt bei der U17-WM der Frauen pro Team mindestens eine Trainerin und eine Medizinerin vor. Die UEFA fördert Einstiegskurse in Osteuropa. Aber reicht das? Wie lässt sich im Breiten- oder Schulsport das Interesse von Mädchen für ein späteres Engagement im Fußball wecken? Zufriedenstellende Antworten haben die großen Verbände darauf noch nicht gegeben.