Mit Anfang 20 gehörte Daphna Goldschmidt 2007 zu den Gründerinnen ihres Vereins. Sie besuchte jedes Spiel von Hapoel Katamon Jerusalem, wurde zu einem der einflussreichsten Mitglieder. Doch sie zögerte lange, den großen Schritt an die Spitze zu wagen.
"Ich habe drei oder vier Jahre lang darüber nachgedacht, ob ich für den Vorstand kandidieren soll. Das Einzige, was mich davon abhielt, war die Angst, nicht gewählt zu werden und keinen Erfolg zu haben. Also habe ich den Klub in den Vordergrund gerückt und für die Vereinsspitze kandidiert. Das öffnet vielleicht auch anderen Frauen die Tür, die vielleicht gar nicht glauben, dass ein solcher Weg möglich ist."
Bei Funktionärstreffen die einzige Frau im Raum
Vor einem Jahr wurde Daphna Goldschmidt zur Vorsitzenden von Hapoel Katamon Jerusalem gewählt. Als erste Frau führt sie einen Profiverein in Israel. Hapoel hat sich aus der fünften in die zweite Männerliga vorgearbeitet. Goldschmidt hat es trotzdem nicht immer leicht, zum Beispiel bei Treffen mit Funktionären anderer Vereine.
"Es ist immer noch seltsam, in einem Konferenzraum die einzige Frau zu sein. Manchmal sagt mir jemand, ich hätte diese oder jene Entscheidung nur getroffen, weil ich eine Frau bin. Dann entgegne ich: Haben Sie ein Argument, das relevanter ist? Solche Sprüche passieren leider hin und wieder, aber man sollte diesen Menschen nicht allzu viel Aufmerksamkeit geben."
"Man braucht gute Mentoren, auch männliche"
Nur knapp vier Prozent der Führungspositionen im europäischen Spitzenfußball werden von Frauen besetzt, so eine Studie von Fare, Football Against Racism in Europe. Auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit hat vor allem der Fußballverband in Norwegen viel erreicht. Nationalspielerinnen erhalten seit 2017 die gleichen Prämien wie ihre männlichen Kollegen. Das Fundament legte bereits Karen Espelund Ende der 1980er Jahre - als erste Frau im Vorstand des norwegischen Verbandes. Ein Jahrzehnt später wurde sie dessen Generalsekretärin. Zwischen 2012 und 2016 saß sie im Exekutivkomitee der Uefa.
"Vor allem in den ersten Jahren hatte ich viele schlaflose Nächte. Ich hatte Ideen und wollte Themen umsetzen, aber ich kam damit nicht immer durch. Mir war bewusst, dass ich in den Gremien nicht das Maskottchen oder das Alibi der Männer sein wollte. Leider müssen Frauen in Gremien immer wieder ihre Kompetenz unter Beweis stellen. Man muss ziemlich hart arbeiten und besser vorbereitet sein. Und man braucht gute Mentoren, auch männliche."
Forderung nach Quote
Vor dreißig Jahren profitierte Karen Espelund von einer neuen Frauenquote im norwegischen Verband. Inzwischen müssen im Vorstand mindestens zwei Frauen sitzen, so die Regel. Aktuell sind es vier Männer und vier Frauen. Es dauerte lange, bis andere Verbände nachzogen. Die FIFA wünscht sich für ihr Führungsgremium mindestens sechs Frauen. Sie hält sich jedoch mit Forderungen gegenüber den Nationalverbänden zurück. Der DFB hat eine Frau in seinem Präsidium, Hannelore Ratzeburg, und die ist zuständig für Mädchen- und Frauenfußball. Karen Espelund spricht sich für verbindliche Quoten aus.
"Wir brauchen dieses System, um traditionelle Strukturen zu brechen. Ob bei der Rekrutierung von Mitarbeitern, bei Ausschreibungen oder Wahlperioden: Häufig suchen wir nach Personen, die uns ähnlich sind. Eine Quote kann helfen, das zeigen Forschungen: Diversität führt zu den besten Ergebnissen in jeder Organisation."
Düstere Bilanz in deutschen Klubgremien
Auch wegen der gesetzlichen Quote ist der Frauen-Anteil in Führungspositionen der Wirtschaft gestiegen: in Ostdeutschland auf 44 Prozent, im Westen auf 27 Prozent. Und im Fußball? In den Führungsgremien der Bundesligaklubs, im DFB und in der Deutschen Fußball-Liga sind mehr als 95 Prozent Männer.
Anfang 2018 kandidierte beim 1. FSV Mainz 05 die Juristin Eva-Maria Federhenn für den Vorstandsvorsitz. Einige Fans sprachen ihr die Kompetenz ab, weil sie eine Frau ist. Solche Äußerungen seien keine Seltenheit, sagt Katharina Dahme, Aufsichtsratschefin des Regionalligisten SV Babelsberg.
"Zum Beispiel hatten wir mal hohe Funktionäre eines anderen Vereins zu Gast im VIP-Bereich, der sich fragte, was meine Rolle da ist. Und da habe ich gesagt, dass ich Mitglied im Aufsichtsrat bin. Dann war er sehr erschrocken und hat sehr deutlich gemacht, dass ja Frauen im Fußball nichts zu suchen hätten. Also wirklich auch mit so einer plumpen Wortwahl. Also noch nicht mal versucht, das irgendwie intelligent zu verstecken."
Konkurrenz unter den wenigen Frauen
Der DFB hatte 2016 mit dem Deutschen Olympischen Sportbund ein Leadership-Programm gestartet. 24 Frauen wurden mit Führungsaufgaben vertraut gemacht. Katharina Dahme findet, dass sich auch die großen Klubs öffnen sollten. Noch haben engagierte Frauen in deren Gremien den Status von Exotinnen. Und so geben sie den Druck manchmal auch untereinander weiter.
"Es kann nur Platz für eine geben, so ungefähr. Und dass Frauen dann untereinander konkurrieren. Statt zu sagen: Wenn drei Frauen da sind, können auch drei Frauen ins Gremium gehen. Vielleicht spielt das eine Rolle: Dass man sich schon zufrieden damit gibt, wenn eine Frau in den Gremien sitzt. Und man dann aufhört zu suchen nach geeigneten Kandidatinnen. Und die müssen noch mal anders ermuntert werden. Das ist oft, dass die Männer überzeugt davon sind, dass sie das können. Und Frauen eher skeptisch sind, ob sie sich das zutrauen können."