Khalida Popal liebt den Fußball seit ihrer Kindheit, sie ist in Kabul aufgewachsen. Nach der Schule kickte sie mit ihren Brüdern und anderen Jungen auf der Straße. Doch in Afghanistan empfinden viele Menschen Fußballerinnen als Provokation. So musste Khalida Popal früh das Improvisieren lernen.
"Ich wurde älter und mein Körper fraulicher. In dieser Zeit wuchs der Druck auf meine Familie. Viele Leute sagten, ich solle in der Küche arbeiten und nicht an Fußball denken. Die Jungs wollten nicht mehr mit mir spielen. Ich habe mich in anderen Schulen umgehört und vielen Mädchen ging es wie mir. Wir schlossen uns zusammen und trainierten auf einem Hinterhof. Unsere Gruppe wuchs, bald organisierten wir richtige Spiele. Für viele Männer war das ein Albtraum."
Ständiges Nachhaken bei der Fifa
2004 suchten Khalida Popal und ihre Freundinnen ein Trainingsgelände. Sie wurden beschimpft, bedroht, mit Müll beworfen. Einen sicheren Platz erhielten sie auf einem Nato-Gelände. 2007 formten sie ein afghanisches Nationalteam. Khalida Popal wurde Kapitänin, später Teammanagerin. Es folgten Spiele und Turniere. Doch Popal und ihre Mitstreiterinnen waren weitgehend auf sich gestellt.
"Es ist die grundsätzliche Denkweise im Fußball, die uns das Leben schwer macht. Bei der Fifa und den meisten Verbänden ist Frauenfußball nur ein Häkchen. Für uns waren die Funktionäre gar nicht erreichbar, wir mussten immer wieder nachhaken. Wenn es nach mir ginge, würden wir unsere eigene Fifa haben, mit Leuten, die sich tatsächlich für Frauenfußball interessieren."
Viele Spielerinnen beenden Karriere vorzeitig
2011 spielten in Afghanistan 1.000 Frauen Fußball. Khalida Popal erhielt Morddrohungen. Sie floh nach Dänemark, unterstützte aus der Ferne das Nationalteam. Ihre Erfahrungen sind keine Seltenheit, zeigt ein Bericht von 2017. Die Profivereinigung FIFPro hatte weltweit 3.600 Spielerinnen befragt. Fast die Hälfte von ihnen erhält von ihren Klubs keinen Lohn. Unter Nationalspielerinnen erhält ein Drittel keine Prämien. Caitlin Fisher von FIFPro möchte die Debatte allerdings nicht aufs Geld reduzieren.
"Wir haben im Frauenfußball eine lange Geschichte der Ungerechtigkeit. Das drückt sich in den Ländern unterschiedlich aus. Auch durch schlechte Spielfelder, eine veraltete Ausstattung oder fehlende Wettbewerbe. Manche Nationalteams müssen für ihre Auswärtsspiele tagelang im Bus sitzen. Vieles von dem führt dazu, dass neunzig Prozent unserer Befragten ein vorzeitiges Ende ihrer sportlichen Laufbahn in Erwägung ziehen."
Afrikanischer Verband gründete erst 2018 Frauenkomitee
Die Fifa verpflichtet ihre über 200 Mitgliedverbände, auch den Frauenfußball zu fördern. Doch im Jahr 2013 beispielsweise haben nur 97 von ihnen ein Frauen-Länderspiel ausgetragen. Der Fußball-Weltverband hat seine Entwicklungsprogramme zuletzt erweitert. Bestimmte Förderungen sind an Nachwuchsturniere oder Trainingscamps von Mädchen und Frauen gebunden. So können Kontinental- und Nationalverbände jährlich mehrere Millionen Dollar zusätzlich erhalten. Die langjährige Trainerin Monika Staab ist in Gambia in Westafrika aktiv. Am Telefon sagt sie:
"Es gibt zu wenig Programme, um das auch zu fördern. Fifa macht natürlich, gibt auch Geld an die Caf (Afrikanischer Kontinentalverband, Anm. d. Red.), zur Konföderation. Nur man hat das Gefühl, es kommt nicht an. Es ist nicht strukturiert. Die Caf hat als ein Problem die Korruption, die hier sehr ausgeprägt ist. Und dass sie das Know How nicht haben. Erst letztes Jahr hat hier die Caf ein 'Women Komitee' erstellt. Vorher gab es das gar nicht."
Fortbildungen für Trainer und Lehrer
Monika Staab war in den vergangenen zwölf Jahren in vielen Ländern unterwegs. 2018 wurde sie nach Gambia entsandt, vom Auswärtigen Amt und vom Deutschen Olympischen Sportbund. Von den zwei Millionen Einwohnern in Gambia sind 44 Prozent jünger als 14. Monika Staab macht Fortbildungen für Trainer und Sportlehrer, knüpft Kontakte zwischen Fußballverband und Schulministerium.
"Ich versuche hier dem Mädchenfußball Strukturen zu geben. Meine Aufgabe ist in erster Linie, ihnen das Selbstvertrauen zu vermitteln. Dass sie vielleicht stärker sind und sich ein bisschen gegen das Klischee, gegen diese kulturellen Barrieren auflehnen. Und zu sagen: ,ich will auch noch mein Studium fertig machen, ich will in die Schule gehen‘. "
18 Prozent der Spielerinnen haben Sexismus erlebt
Unabhängige Expertinnen für Frauenfußball sind in Entwicklungsländern selten. Auch deshalb bleiben gefährliche Netzwerke unerkannt. Seit Anfang des Jahres wurden in mindestens fünf Ländern Vorwürfe gegen Trainer und Betreuer geäußert, wegen Belästigung und sexualisierter Gewalt. In Afghanistan soll der Verbandspräsident Keramuddin Karim Jugendspielerinnen vergewaltigt haben. Die Aktivistin Khalida Popal machte das ganze öffentlich. Weltweite Medienberichte folgten, schließlich wurde Keramuddin Karim von der Fifa lebenslang gesperrt. Khalida Popal:
"Viele der Nationalverbände in unterentwickelten Ländern werden wie die Mafia geführt. Wir wollten die Vergewaltigungen früher öffentlich machen, aber viele Emails gingen verloren. Die Funktionäre schützen sich wie eine Bruderschaft. Und die Fifa reagiert erst, wenn sich der Präsident oder der Generalsekretär eines Verbandes melden. Frauen aus Afghanistan wurden lange nicht gehört. Im Gegenteil: Sie mussten sich rechtfertigen, als wären sie Beschuldigte."
Laut der Studie der Profivereinigung FIFPro haben 18 Prozent der befragten Spielerinnen Sexismus erlebt. 3,5 Prozent berichteten von gewaltsamen Übergriffen. Die großen Fußballverbände haben bislang wenig Stellung dazu bezogen. Vielleicht sind auch deshalb etliche NGOs für Frauen im Fußball entstanden. "Discover Football", "Women Win" oder "Right To Play". Khalida Popal hat in Dänemark eine Initiative für geflüchtete Frauen gegründet. Ihr Titel: "Girl Power".