Auf den Moment hat Parastoo 20 Jahre lang gewartet – endlich einfach ein Ticket kaufen und ab ins Stadion - dabei ist die Teheranerin erst 27. "Ich bin immer mit meinem Vater und meinem Bruder ins Stadion gegangen, als ich klein war. Und das hat mich, als ich älter wurde, moralisch tief getroffen, als ich verstanden hab‘, dass das nicht mehr geht. Ich wollte immer meine Mannschaft unterstützen, aber ich kam ja nicht mehr rein ins Stadion. Darum freue ich mich persönlich jetzt total."
Die junge Frau hat eine athletische Figur, treibt selbst Sport und interessiert sich auch für Volleyball. Da darf sie sich Spiele in der Halle anschauen. Aber vor allem ist sie Fußball-Fan. Die ganze Diskussion hat sie sehr genau verfolgt, auch zuletzt den Druck des Fußballweltverbandes FIFA auf Teheran. "Wenn Frauen das Stadion nicht betreten dürfen, kann der iranische Fußballverband sogar suspendiert werden. FIFA-Chef Infantino hatte davor gewarnt. Und ich denke, es ist sehr wichtig, dass das nicht passiert."
Einmischung der FIFA zeigt Erfolg
Der Druck hat was bewirkt. Letzten Monat erklärte der iranische Regierungssprecher Ali Rabiei. "Wir glauben, Frauen sollen in die Stadien kommen dürfen. Sie wissen auch, dass sich einige in der Gesellschaft deshalb Sorgen machen. Der Sportminister erwägt, die Anwesenheit von Frauen beim Spiel Iran gegen Kambodscha zu erlauben. Sie werden Schritt für Schritt präsenter sein." Schritt für Schritt heißt erstmal nicht bei nationalen Liga-Spielen. Reza ist 61. Er hat einen kleinen Laden direkt an einem der ältesten Sportstadien im Iran. Er erinnert sich an früher – an ein - aus heutiger Sicht - ganz besonderes Spiel. "Als das Spiel Iran-Israel 1968 ausgetragen wurde, hatte niemand geahnt, dass eines Tages im Land ein Gesetz geben würde, das besagt, dass Frauen kein Recht haben, in ein Fußballstadion zu gehen. Aber leider haben wir genau das jetzt. Hoffentlich heben diese Herren da oben eines Tages dieses Gesetz auf, und für die, die sich wünschen Fußball schauen zu können, geht dieser Wunsch auch in Erfüllung."
Damals seien sie, Männer und Frauen, zusammen im Gras gesessen und nichts sei passiert. Das sei jetzt doch alles sehr – seltsam. Er wählt seine Worte sorgsam. Aber so ganz kann er sich Kritik nicht verkneifen. "Es ist nicht zu verstehen, wie sie dieses Thema aufblasen, um es dann als großes Geschenk an die Öffentlichkeit darstellen. Die Regierung will den Menschen Gnade erweisen und Frauen erlauben, ins Stadion zu gehen? Das war vor 50 Jahren eine Kleinigkeit."
Interesse an Tickets groß
Parastoo war damals noch nicht auf der Welt. Aber sie glaubt fest daran, dass es jetzt keinen Weg mehr zurück gibt. Frauen werden die Stadien erobern, auch wenn Erzkonservative Iraner weiter strikt dagegen sind. "Die Einwände können keine großen Auswirkungen haben. Was ich gesehen und erlebt habe, ist, dass Sportverbände wie die FIFA große Macht haben, solche Entscheidungen zu treffen."
Neulich hat es sogar eine Demonstration von Hardlinern vor dem Parlament in Teheran gegen Frauen in Fußball-Stadien gegeben. Aber für das Länderspiel gegen Kambodscha werden sie wohl nicht mehr viel ausrichten können. Die junge Teheraner Fußball-Anhängerin kann den Anpfiff kaum erwarten. "Das ist ein Schritt nach vorne, der Frauen mehr Freiheiten bringt. Wir müssen auch das Recht haben, ins Stadion zu gehen, das Spiel anzuschauen und an dieser wunderbaren Atmosphäre teilhaben zu dürfen." Die rund 4.000 Tickets, die es im Internet für Frauen gab´, waren innerhalb kurzer Zeit weg. Bei insgesamt 100.000 Plätzen im Stadion ist das nicht viel. In der Masse untergehen werden die Frauen auf den Rängen wohl trotzdem nicht.