Als die Veranstaltung nach vier Stunden vorbei war, waren viele der Besucherinnen des Medienlabors immer noch in Gespräche vertieft. Kein Zweifel: Es gab viel zu besprechen. Zum Beispiel das Thema Geschlechterverhältnis in den Redaktionen.
Es stimmt: Frauen, die über Politik berichten – sie sind keine Seltenheit mehr. Aber: Ebenso wie in der Politik herrscht generell noch ein Ungleichgewicht. Das hat Anja Maier, Politikjournalistin bei der "taz" und eine der Podiumsteilnehmerinnen, recherchiert:
"Wenn man zum Beispiel den Verein der Bundespressekonferenz nimmt: Da kann man nur Mitglied sein, wenn man aus Berlin über Politik hauptberuflich berichtet. Dann sind wir dort in unserem Verein 30 Prozent Frauen. Ich hab mal spaßeshalber - weil es mir aufgefallen ist in Hintergrund, Pressekonferenzen, auf Reisen und so weiter - einfach mal geguckt, wie viele Männer, wie viele Frauen sind da. Und es sind tatsächlich auch genau 30 Prozent. Also mal mehr mal weniger, aber im Großen und Ganzen zwei zu einem Drittel."
Ab einem Drittel Frauenanteil scheint das Problem gelöst
Das entspricht ziemlich genau der Zusammensetzung des Bundestages: Gerade mal 30,9 Prozent der Abgeordneten sind Frauen. In den Länderparlamenten sind es sogar teilweise noch weniger. In der Wahrnehmung habe das fatale Konsequenzen, so Anja Maier, und sie beruft sich dabei auf eine Medienstudie der Universität Rostock aus dem Jahr 2017:
"Ab einem Drittel denken alle: 'Es gibt doch jetzt Frauen! Ich seh doch Frauen! Ich weiß nicht, was die Frauen noch wollen. Da sind sie doch!' Aber sie sind eigentlich viel zu wenige."
Merkel wird als Männermörderin präsentiert
Hinzu kommen die Unterschiede, wie über Frauen und Männer gesprochen wird. Es sind oft unbemerkte Botschaften, die unser Bewusstsein prägen – Framing heißt dieses Phänomen. Damit beschäftigt sich die Journalistik-Professorin Friederike Herrmann von der Universität Eichstätt-Ingolstadt. Wie über die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer als Parteivorsitzende der CDU berichtet wurde, ist für sie ein gutes Beispiel dafür:
"Ich hab oft gedacht, wenn sie ein Mann gewesen wäre, wäre hervorgehoben worden, dass dieser Mann manche guten Sachen von Merkel fortsetzt, sich aber in den entscheidenden Punkten, wo auch was Neues kommt, unterscheidet. Ich hatte aber den Eindruck, dass sie als Erbin von Merkel angesehen wurde, oder als Klon, weil sie eine Frau ist. Dass es nicht um ihre Positionen ging, sondern eher um die These: 'Ach, schon wieder eine Frau!'"
Sowohl Journalisten als auch Journalistinnen benutzen diese Bilder oft nicht bewusst. Umso wichtiger sei es, sich immer wieder klar zu machen: Framing beschreibt nicht nur die Wirklichkeit, es erschafft sie auch. Gerade im Hinblick auf Rollenzuschreibungen und Stereotype passiere das sehr häufig, so Friederike Herrmann. Und auch besonders gerne, wenn es um die Kanzlerin geht:
"Die männermordende Frau - das hatten wir bei Merkel, wo es dann hieß, ja sie erledigt reihenweise die Männer. Was ziemlich normal nun mal leider ist für einen Politiker oder eine Politikerin auf dieser Ebene. Die müssen alle ihre Rivalen erledigen. In der Regel aber sind die Leute, die man erledigen muss, wenn man auf so einer hohen Ebene wie Kanzler oder Präsident ist, alles Männer. Und daher kommt es, dass Merkel natürlich vor allem Männer sozusagen auf dem Gewissen hat. Aber es wurde in dieses Stereotyp von der männermordenden Frau eingeordnet, für die Merkel vielleicht gar nicht der Typ ist."
"Nicht vorschnell mit Stereotypen arbeiten"
Diese Frames zu identifizieren und sie sichtbar zu machen, ist eine Herausforderung, der sich alle Journalisten stellen sollten. Helene Bubrowski ist Korrespondentin der Parlamentsredaktion der "FAZ" in Berlin und auch sie saß an dem Abend auf dem Podium. Sie kann das nur befürworten:
"Die Sprache ist das Werkzeug von Journalisten und natürlich hat Sprache auch immer einen Subtext, über den man sich Gedanken machen muss. Ich glaube, es ist wichtig, da ganz aufmerksam zu sein und zu hinterfragen, wie man was schreibt. Nicht vorschnell mit Stereotypen zu arbeiten, zu sehr mit vorgefertigten - wir haben heute das Wort Framing mehrfach verwendet - nicht mit vorgefertigten Bildern, Rahmen zu arbeiten."
Frauenfeindliche Leserbriefe
Diesen Stereotypen begegnen Journalistinnen natürlich auch selber. Als eine der wenigen Frauen in der Politikberichterstattung der "FAZ" muss Helene Bubrowski sich jedoch weniger gegenüber ihren Kollegen behaupten, als vielmehr gegenüber ihren Lesern. Auf ihren Bericht zu den NSU-Morden erhielt sie zum Beispiel diesen Leserbrief:
"Ich sei wirklich das Dümmste, was es irgendwie im Bereich des Justiz-Journalismus gibt, und seit wann bei der 'FAZ' überhaupt Frauen über diese wichtigen Themen schreiben dürften. Und wenn ich noch einen einzigen Artikel in der Zeitung schreiben würde, dann würde er das Abo kündigen."
Bei einer Veranstaltung wie dieser erntet so eine Bemerkung viele Lacher, denn die meisten Anwesenden kennen ähnliche Reaktionen. Im Alltag kann das ermüdend sein. Umso wichtiger ist es, sich über diese Erfahrungen auszutauschen, sich zu vernetzen und Gegenstrategien zu entwickeln. Um das alles zu besprechen, fanden viele Teilnehmerinnen den Abend zu kurz.