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Frauen im Teheraner Stadion
Ein Sieg für mehr Freiheit

Im Iran durften erstmals seit 40 Jahren Frauen wieder bei einem Fußballspiel im Stadion zuschauen. 4.000 iranische Anhängerinnen feierten einen hohen Sieg des Nationalteams im WM-Qualifikationsspiel gegen Kambodscha, aber mehr noch die neu gewonnene Freiheit.

Von Karin Senz |
Eine iranische Anhängerin in Jubelpose während des WM-Qualifikationsspiels zwischen Iran und Kambodscha im Azadi-Stadion von Teheran am 10. Oktober 2019
"Danke Jungs" - Iranische Fußball-Anhängerinnen im Stadion von Teheran beim WM-Qualifikationsspiel gegen Kambodscha (AFP / Atta Kenare)
Das stimmliche Warm-Up findet schon auf dem Weg zum Asadi-Stadion statt - im Auto – oder besser gesagt im Kleinbus. Mit Tröten ausgestattet fährt diese Gruppe Frauen gemeinsam zum Stadion. Einige tragen lustige Hüte über den Kopftüchern in den Landesfarben grün-weiß-rot, andere sind ganz in die iranische Flagge gehüllt.
Der Mann dieser Anhängerin kommt mit einem anderen Auto. Er muss ja auch einen anderen Eingang benutzen, erzählt sie in allerbester Laune:
"Ja, eigentlich dürften wir uns nicht freuen. Wir kriegen nur wenig Platz auf der Tribüne. Und das zeigt, dass wir Frauen auch im Iran insgesamt nur wenig Raum bekommen. Trotzdem haben wir gesagt, lasst uns zum Stadion gehen. Sonst bereuen wir es noch, weil es eine einmalige Chance ist."
4.000 Tickets für Frauen schnell ausverkauft
Die knapp 4.000 Tickets waren schnell ausverkauft. Auch Frauen ohne eins stehen vor dem Stadion und hoffen, dass sie noch irgendwie reinkommen. Aber keine Chance:
"Meine Damen, bitte gehen Sie, bleiben sie nicht hier stehen."
So schallt es aus den Polizeilautsprechern. Es bleibt friedlich. Alle scheinen sich zu bemühen, Ärger zu vermeiden.
Neue Atmosphäre im Stadion von Teheran
Drinnen wummert laute Musik wie bei einem normalen Fußballspiel. Aber manche Tribünen sind komplett leer, vor allem die zwischen dem Frauenblock und den Männern. Dazu noch ein extra verstärkter Zaun, extra weibliche Polizisten, Notärzte und Stadionführer. Auf der Männertribüne kriegt man von all dem wenig mit, es ist zu laut. Dieser junge Fan meint trotzdem einen Unterschied zu Spielen ohne Frauen auf den Zuschauerrängen zu spüren:
"Das ist eine total schöne Atmosphäre hier durch die Frauen. Durch sie ist es einfach besser geworden, als in anderen Spielen, wo nur Männer ins Stadion durften."
Iranerinnen im doppelten Glück
Die Frauen feiern ihren ersten Besuch im Teheraner Asadi-Stadion - und feuern ihre Nationalmannschaft an. Die revanchiert sich mit einem Tor nach dem andern. Kambodscha ist chancenlos, die Iranerinnen im doppelten Gück:
"In den letzten 40 Jahren haben wir versucht Spiele anzuschauen zusammen mit unseren Männen, Brüdern, Vätern, Nachbarn und Freunden in diesem Land. Aber es war nicht möglich - bis jetzt. Durch die Proteste der Frauen und den Druck, den sie aufgebaut haben und die internationale Unterstützung können wir das Spiel heute hier mitverfolgen. Ich hoffe, ich kann bald mit meiner Familie zusammen ins Stadion."
Familientribünen und Zugang zu Erstligaspielen
Sie ist nicht die einzige, mehr fordert - Familientribünen und Zugang auch zu nationalen Spielen der 1. Liga. Nach dem Abpfiff kommen die Nationalspieler herüber zur Frauentribüne und bedanken sich bei ihren neuen Fans. Die skandieren: "Danke Jungs".
Und sogar die staatliche Nachrichtenagentur IRNA schreibt: Der 10. Oktober 2019 wird für immer einen speziellen Platz im Kalender der Frauen haben.
Das Spiel endete übrigens 14:0 für den Iran. Aber eigentlich müsste es 4000:0 lauten. Denn die Gewinner an diesem Tag in Teheran sind die 4.000 Frauen im Asadi-Stadion, was übersetzt "Stadion der Freiheit" heißt.