Der griechische Mythos geriet durch Ritter Gluck in die Hüllen frühklassizistischer Musik. Die war bei der Uraufführung 1767 am Wiener Burgtheater reformatorisch gemeint – mit klarem Zug zu edler Einfalt, grundguter menschlicher Größe und leidprüfenden Längen. Der nun in Leipzig als Einspringer ans Dirigentenpult gelangte George Petrou hatte nicht nur zu Beginn seine liebe Mühe, die Violinisten des Gewandhausorchesters zu homogenem Spiel anzuhalten und mit dem Rest der Compagnie genau zu koordinieren.
Noch erstaunlicher ist, was sich oberhalb des Grabens zuträgt, Da zeigt und tummelt sich vor wolkenverhangenem Himmel ein dicht gelagertes Volk in hübsch bestickten Nachthemden – Opern- und Kinderchor in Angst um die Zukunft von König und Reich. Monarch Admetos ruht vorn an der Rampe auf einer flokatiwattierten Trage. Dahinter, in der Mitte einer Vertiefung, ein Brünnhildenfelsen wie aus Pappe oder Plaste – ein Objekt, das mühelos eine etwas rückständige Inszenierung der 70er hätte schmücken können. Auf diesem kleinen Plateau gestikuliert Chiara Angella als hochbesorgte Gattin und Mutter aus Thessalien, als wäre sie einer Sonnambula-Inszenierung der Stummfilmzeit entstiegen (die Partie der Alceste hätte einen strahlenderen Sopran verdient und einen höheren Grad an 'Spursicherheit’). Auf der kunststeinigen Erhebung wird
auch ein (lebendes) Schaf an langer Leine gehalten. Dies Opferlamm wird gefesselt – noch will man davon ausgehen, dass dies alles parodistisch gemeint ist; es wird etwas unbeholfen gegen ein Stofftier ausgetauscht, rituell geschlachtet und als Brandopfer dargebracht. Aha, so kombiniert man, der in Leipzig mit dieser "Alceste"-Produktion begonnene "Gluck-Ring" wird optisch mit dem ebenfalls bis 2013 geplanten Wagner-"Ring" verzahnt!
Zum zweiten Aufzug gestaltet sich das Wolkenbild lichter: "Mein Fall verdient Mitleid", lautet die Übersetzung eines der Schlüsselsätze von Alceste, die sich den Göttern als Opfer anbietet, auf dass ihr königlicher Mann vom Totenbett wieder auferstehe – und tatsächlich an des Schafes Stelle auch geopfert wird. Aber die Sentenz mag auch für den Regisseur Peter Konwitschny gelten. Denn der rückt die zunächst in Klischees eines Theaters von Vorgestern gehüllte Geschichte schließlich an die Gegenwart heran, indem er den zur Rettung der Alkestis aus der Unterwelt aufgebotenen Herkules mit Tigerfellhose, nacktem Oberkörper und gigantischer Plastik-Keule in eine HERCOOL-TV-Show auswandern lässt: der Held der Helden tritt mit Thomas-Gottschalk-Perücke auf und der Deus ex machina Thomas Möwes singt aus der rechten Funktionärsloge des Opernhauses. Dem Chor wird die Begeisterung fürs Happy End von Assistenten souffliert. So mündet die ausgebliebene Auseinandersetzung mit dem klassizistisch geläuterten Mythos in müder Medien-Kritik. Dabei würde sich die kritische Annäherung an die Substanz der Sache ja lohnen: Das Problem des Textes von Ranieri de’ Calzabigi ist und bleibt, dass mit ihm Menschen (und vor allem eine besonders humane Frau) den zumindest unbegreiflichen und ggf. wankelmütigen, vielleicht sogar ein bisschen abhanden gekommenen Göttern so blind vertrauen, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzen. Aber dies zu erörtern wäre ja nicht so erfolgversprechend und lustig wie die oberflächlich blonde Parodie.
Noch erstaunlicher ist, was sich oberhalb des Grabens zuträgt, Da zeigt und tummelt sich vor wolkenverhangenem Himmel ein dicht gelagertes Volk in hübsch bestickten Nachthemden – Opern- und Kinderchor in Angst um die Zukunft von König und Reich. Monarch Admetos ruht vorn an der Rampe auf einer flokatiwattierten Trage. Dahinter, in der Mitte einer Vertiefung, ein Brünnhildenfelsen wie aus Pappe oder Plaste – ein Objekt, das mühelos eine etwas rückständige Inszenierung der 70er hätte schmücken können. Auf diesem kleinen Plateau gestikuliert Chiara Angella als hochbesorgte Gattin und Mutter aus Thessalien, als wäre sie einer Sonnambula-Inszenierung der Stummfilmzeit entstiegen (die Partie der Alceste hätte einen strahlenderen Sopran verdient und einen höheren Grad an 'Spursicherheit’). Auf der kunststeinigen Erhebung wird
auch ein (lebendes) Schaf an langer Leine gehalten. Dies Opferlamm wird gefesselt – noch will man davon ausgehen, dass dies alles parodistisch gemeint ist; es wird etwas unbeholfen gegen ein Stofftier ausgetauscht, rituell geschlachtet und als Brandopfer dargebracht. Aha, so kombiniert man, der in Leipzig mit dieser "Alceste"-Produktion begonnene "Gluck-Ring" wird optisch mit dem ebenfalls bis 2013 geplanten Wagner-"Ring" verzahnt!
Zum zweiten Aufzug gestaltet sich das Wolkenbild lichter: "Mein Fall verdient Mitleid", lautet die Übersetzung eines der Schlüsselsätze von Alceste, die sich den Göttern als Opfer anbietet, auf dass ihr königlicher Mann vom Totenbett wieder auferstehe – und tatsächlich an des Schafes Stelle auch geopfert wird. Aber die Sentenz mag auch für den Regisseur Peter Konwitschny gelten. Denn der rückt die zunächst in Klischees eines Theaters von Vorgestern gehüllte Geschichte schließlich an die Gegenwart heran, indem er den zur Rettung der Alkestis aus der Unterwelt aufgebotenen Herkules mit Tigerfellhose, nacktem Oberkörper und gigantischer Plastik-Keule in eine HERCOOL-TV-Show auswandern lässt: der Held der Helden tritt mit Thomas-Gottschalk-Perücke auf und der Deus ex machina Thomas Möwes singt aus der rechten Funktionärsloge des Opernhauses. Dem Chor wird die Begeisterung fürs Happy End von Assistenten souffliert. So mündet die ausgebliebene Auseinandersetzung mit dem klassizistisch geläuterten Mythos in müder Medien-Kritik. Dabei würde sich die kritische Annäherung an die Substanz der Sache ja lohnen: Das Problem des Textes von Ranieri de’ Calzabigi ist und bleibt, dass mit ihm Menschen (und vor allem eine besonders humane Frau) den zumindest unbegreiflichen und ggf. wankelmütigen, vielleicht sogar ein bisschen abhanden gekommenen Göttern so blind vertrauen, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzen. Aber dies zu erörtern wäre ja nicht so erfolgversprechend und lustig wie die oberflächlich blonde Parodie.