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Frauen in der Ultraszene
"Wir sind da!"

Fußball ist Männersache. Auf dem Rasen und auf der Tribüne wird das männliche Refugium gegen weibliche Eindringlinge verteidigt. Die wollen sich aber nicht aufhalten lassen und erobern die organisierte Fanszene.

Von Jennifer Stange |
    Frauen im Fußballstadion.
    Geschlechterunterschiede sollten im Fußball und in der Fankurve idealerweise egal sein. (Alexander Berthold/Fan.tastic Females)
    Anfang Dezember im Hamburger Millerntor-Stadion: Der FC St.Pauli empfängt SG Dynamo Dresden. Die Gäste ziehen ein zweizeiliges Spruchband quer über den Fan-Block: "Ihr müsst heute Abend hungern, weil Eure Fotzen mit Euch im Block rumlungern." Die Dynamo Fans fanden das wahrscheinlich witzig. Antje Hagel vom Netzwerk Frauen im Fußball findet das erbärmlich und weltfremd: "Wir sind da. Wir sind auch schon seit 20, 30 Jahren da. Als Zuschauerinnen, als Aktive, als engagierte Frauen."
    Die gibt es nicht nur beim FC St. Pauli. Antje Hagel ist Fan von den Kickers Offenbach und langjährige Mitarbeiterin im dortigen Fanprojekt. Auch deshalb weiß sie: Sexismus ist keine Spezialität allein von Dresdner Fußballfans: "Das ist eine Männerdomäne. Der Fußball selbst definiert sich als Reservat vielleicht, oder als Schutzraum für Männlichkeit. Vielleicht nicht bewusst, aber er funktioniert so."
    Dynamo Dresden Fans mit sexistischem Spruchband: Ihr müsst heute Abend hungern, weil eure Fotzen mit euch im Block rumlungern. 
    Dynamo Dresden Fans mit sexistischem Spruchband: Ihr müsst heute Abend hungern, weil eure Fotzen mit euch im Block rumlungern. (imago sportfotodienst)
    Ganz selbstverständlich scheinbar. Ende November wird eine junge Frau im Schalke-Fanblock von einem Mann begrabscht. Seine Freunde sollen belustigt zugesehen, der Ordner, bei dem die Frau Hilfe sucht, gesagt haben, sowas passiere schon mal. In einem Sonder-Zug mit Borussia-Mönchengladbach-Fans wird Anfang letzten Jahres eine 19-jährige vergewaltigt.
    Diese Vorfälle waren für das Netzwerk Frauen im Fußball Anlass, eine bundesweite Umfrage zum Umgang mit Sexismus, sexualisierter Belästigung und Gewalt zu starten: "Wir wollten wissen, was die Verbände, die Fanprojekte, die Fanbeauftragten, wie die mit sexualisierter Gewalt konfrontiert sind und welche Probleme sie selber haben, wenn sie mit solchen Vorfällen konfrontiert sind", so Hagel.
    Ordnerinnen müssten geschult werden
    Teilgenommen haben mehr als 130 Fangruppierungen, Fanprojekte und Offizielle aus über 30 Vereinen von Bundesliga bis Regionalliga. Die Ergebnisse wurden jetzt veröffentlicht: Beispielsweise gab die Hälfte der Befragten an, dass es in der abgelaufenen Saison mindestens einen Vorfall gegeben habe. Das Fazit: Für die Sicherheit und den Schutz von Zuschauerinnen brauche es vor Ort eindeutige Positionierungen gegen sexistische Äußerungen, Belästigung und Gewalt. Ordnerinnen und Ansprechpersonen müssen geschult werden. So das Netzwerk Frauen im Fußball, dass noch dieses Jahr Workshops dazu anbieten will.
    Antje Grabenhorst ist auch in dem Netzwerk organisiert. Sie ist Ende 20 und seit Kindertagen fanatischer Werder Bremen-Fan. Das war und ist nicht immer nur schön: "Es hat mich sehr geprägt, dass ich ständig infrage gestellt worden bin als weiblicher Fußballfan und deswegen habe ich mich vor allem dagegen zur Wehr gesetzt und bin heute damit auch viel unterwegs, weil ich es anderen erleichtern möchte, Fußballfan zu sein."
    Gegenprogramm zum Stadionalltag
    Mit einem Gegenprogramm zum Stadionalltag. Antje Grabenhorst hat die Ausstellung "fan tastic females" auf die Beine gestellt, die seit September auf Tour durch unterschiedliche Städte ist. Sie feiert weibliche Fans mit rund 90 Portraits von Frauen aus mehr als 20 Ländern. Zwei Gemeinsamkeiten verbindet fast alle: Fußball als Leidenschaft und Diskriminierungserfahrung als Frau. Erwartungsgemäß.
    Doch auch für Grabenhorst gab es Überraschungen: "Mir wurden manche Stereotype aufgezeigt, die ich selber hatte. Zum Beispiel in der Türkei, habe ich ganz, ganz viele selbstbewusste, krass organisierte Frauen kennengelernt. Wo ich dachte, in der Türkei, da haben Frauen eigentlich gar nicht so viel zu sagen. Hingegen in Schweden, liberales Land, Gleichberechtigung - da gibt es halt einfach keine Frauen in den Ultra-Gruppen, weil die ausgeschlossen werden."
    Auch bei weiblichen Fans steht der Männerfußball im Vordergrund
    Ultras fallen ja nicht nur mit hübschen Choreographien auf, sondern gelegentlich auch durch Randale und Prügeleien. Männlichkeitsrituale eben. Müssen Frauen im Dienst der Gleichberechtigung denn wirklich überall mitmachen? Für Antje Grabenhorst ein Prinzipienfrage.
    Ob eine Frau auf den Chefsessel eines Aktienunternehmens oder Capo einer Ultra-Gruppe sein will, der Kampf sei derselbe: "Ich finde es durchaus feministisch mir Räume zu nehmen, mich zu behaupten, sichtbar zu machen, meine Stimme zu erheben und Probleme anzusprechen. Und warum soll ich das in der Küche machen, warum nicht da wo meine Leidenschaft sitzt."
    Geschlechterunterschiede sollen im Fußball und in der Fankurve idealerweise egal sein. Um das zu erreichen müsse beides - Frauen im Fußball und weibliche Fankultur - sichtbar gemacht werden, meint Austellungsmacherin Grabenhorst. Doch ist noch ein weiter Weg. Auffällig ist nämlich auch, dass auch bei weiblichen Fans der Männerfußball im Vordergrund steht und wenige zum Frauenfußball gehen.
    Gemischte Fangruppen als Schutzraum
    Caroline, Studentin Mitte 20, macht beides. Sie geht zum Männerfußball und feuert auch die Frauenmannschaft des FC Carl Zeiss Jena an: "Ich gehe da tatsächlich mit einer Gruppe von Frauen immer hin. Wir sind ein Freundinnenkreis und das bestärkt uns, wir müssen uns keiner Norm unterwerfen und wir können für uns sein und wir werden auch nicht gefragt: 'wo ist denn dein Freund, oder hol mal bitte Bier'."
    Weibliche Fangruppen sind trotz vielseitiger Diskriminierungserfahrung von Frauen die Ausnahme. Wenn, schließen sich die meisten, wie Antje Grabenhorst, gemischten Fangruppen an, die eben auch Schutzraum sein können. Denn Sexismus und sexualisierte Gewalt im Stadion wird durch Anonymität in großen Menschenmengen gefördert, sagt Antje Hagel vom Fanprojekt in Offenbach.