Wer wissen will, wie es um den Frauenanteil in den Vorständen deutscher Unternehmen aussieht, dem genügt ein Blick auf drei Briefstapel, die Wiebke Ankersen und Christian Berg auf einem Tisch in ihrem Büro platziert haben. Die beiden sind Geschäftsführer der AllBright-Stiftung. In Deutschland hat sie erst in diesem Jahr ihre Arbeit aufgenommen, in Schweden beobachtet sie schon seit Jahren, wie sich der Frauenanteil in den Führungsetagen von großen Unternehmen entwickelt. Das Ergebnis hält sie in Listen fest.
Geschlechtergerechtigkeit beginnt in den Vorständen
Auf einer weißen, wenn das Geschlechterverhältnis im Vorstand ausgeglichen ist, heißt, mindestens 40 Prozent der Mitglieder Frauen sind. Einer grauen, wenn mindestens eine Frau im Vorstand arbeitet und einer schwarzen, wenn es gar keine Frauen im Vorstand gibt. Ihren Jahresbericht schickt die Stiftung den Unternehmen zu. Die Farbe des Umschlags entspricht dem Platz auf der jeweiligen Liste.
"Wir denken auch, wenn etwas sich verändern soll, dann muss es anfangen in den Vorständen", erklärt Christian Berg. Die AllBright-Stiftung hat sich alle 160 Unternehmen aus dem DAX, dem M-, S- und TecDax angesehen.
Auf dem Tisch im Berliner Büro liegt ein einziger weißer Umschlag. Der graue Stapel ist so hoch, dass man ihn gerade noch mit einer Hand greifen könnte. Der schwarze Stapel hat ungefähr die Höhe von zwei aufeinandergestellten Schuhkartons. 122 Umschläge. Heißt: In gut drei Viertel der deutschen börsennotierten Unternehmen gibt es keine Frauen im Vorstand. Am 1. September dieses Jahres arbeiteten in den Vorständen 631 Männer und 44 Frauen.
Systematische Abwehrhaltung in den Firmen
Laut Quotengesetz mussten rund 3500 deutsche Unternehmen bis Ende September 2015 erstmals konkrete Ziele dafür nennen wie sich der Frauenanteil in ihren obersten Führungsebenen bis Mitte 2017 erhöhen soll. (*)
"In Bezug auf die Zielsetzung müssen wir sagen, die Zielsetzungen sind enttäuschend", sagt Wiebke Ankersen.
"Sechzehn Firmen von 160 Firmen haben sich überhaupt nur eine Steigerung vorgenommen". Diese systematische Abwehrhaltung sei erstaunlich, weil das Nichterreichen der Ziele nicht sanktioniert werde:
"Man hätte sich ja ruhigen Gewissens das Ziel setzen können, wir wollen mindestens eine Frau im Vorstand haben, aber selbst das ist nicht geschehen."
Ein langsames Umdenken
Es gebe allerdings ein langsames Umdenken, stellt man bei der Stiftung fest. Einige Firmen haben ihr erklärtes Ziel, eine Frau in den Vorstand zu berufen, sogar bereits erreicht. Bayer, Fuchs Petrolub, Schaeffler haben jeweils eine Frau in den Vorstand geholt, die Deutsche Bank sogar zwei. Positiv auch: Sowohl Volkswagen als auch die Commerzbank planten mit Null und haben jeweils eine Frau berufen. Die Allianz, die bereits eine Frau im Vorstand hat und diese Zahl nicht erhöhen wollte, hat es doch getan. Unterm Strich ist die Anzahl von Frauen in Vorständen seit September 2015 um sieben gestiegen.
"Wenn es so weitergeht, werden wir die Gleichstellung erst 2050 erreichen in den Vorständen."
2050 - das heißt, schreibt die AllBright-Stiftung in ihrem Bericht: Wer heute älter ist als 33, wird in seinem Arbeitsleben kein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Vorständen deutscher börsennotierter Unternehmen mehr erleben.
Den einzigen weißen Umschlag – für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Vorstand -schickt die Stiftung übrigens an die Aareal-Bank aus Wiesbaden.
(*)In der ursprünglichen Fassung hatte sich bei den Daten ein Fehler eingeschlichen. Dieser wurde korrigiert.