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Frauen-Power in technischen Studiengängen

An der Hochschule Kempten im bayrischen Allgäu findet der erste Bayerische Mädchen-Technik-Kongress statt. Er soll Schülerinnen für ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium begeistern.

Von Thomas Wagner |
    "Also der Wasserbehälter wird durch die Bohrmaschine hochgezogen. Und währenddessen misst man die Leistung und die Zeit. Und dann kann man den Wirkungsgrad messen. - Soll ich jetzt hier auf die Tasten drücken? Bohrmaschine."

    Der Hörsaal T 309 in der Hochschule Kempten: Als sich die Bohrmaschine zu drehen beginnt, blicken ein Dutzend Augenpaare fasziniert auf die Versuchsanordnung.

    "So, jetzt hat man die Leistung der Bohrmaschine."

    Jenny Christen aus Lindenberg ist einer jener Mädchen, die dem Versuch fasziniert zuschaut, hat: Als die Bohrmaschine mit einem kleinen Seilzug den Wasserbehälter nach oben zieht, schlagen die Instrumente auf einer Messkonsole wie wild nach rechts aus. Zahlenreihen verbinden sich in Sekundenschnelle mit Watt und Volt - für Corinna Michalski eine geheimnisvolle, unbekannte Welt.

    "Physik ist eigentlich mein schlechtestes Fach an der Schule. Und deswegen finde ich es einfach voll cool, dass man das jetzt alles so machen kann. Das macht alles viel mehr Spaß als in der Schule, weil man in der Schule nur drinsitzt und dem Lehrer zuhört, wie er redet, und wie er alles selber ausprobiert. Und hier ist das alles mit Spaß verbunden."

    "Das Problem dabei ist, dass wir ganz wenige Frauen in solchen Berufen haben."

    Junge Frauen sollen mehr Spaß haben am technischen Experiment - und auf den Geschmack an einem technisch ausgerichteten Studium gebracht werden. Das ist das Ziel des ersten bayrischen Mädchen-Technik-Kongresses an der Hochschule Kempten. Die zählt über 4000 Studierende. Doch wenn's um Klassiker wie Maschinenbau und Elektrotechnik geht, macht Hochschulpräsident Robert Schmidt ein deutliches Ungleichgewicht aus:

    "Also im Bereich Tourismus-Management haben wir zurzeit 80 Prozent Mädchen. Im Bereich Sozialwirtschaft ist es ähnlich hoch. Im Bereich Technik sind es 10 bis 13 Prozent. Das liegt sicherlich zum Teil an traditionellen Verhaltensmustern, dass Mädchen eben schon als Kinder mehr mit Puppen aufwachsen als mit Technikspielzeug."

    Darüber hinaus hätten viele Schülerinnen, die vor der Studienwahl stehen, völlig falsche Vorstellungen von technischen Berufen.

    "Es geht heute nicht mehr darum, beim Maschinenbau an irgendwelchen Maschinen rumzuschrauben und sich die Finger schmutzig zu machen. Da ist viel Teamarbeit dabei, da ist viel Kommunikation mit anderen dabei, da ist viel Arbeit am Computer dabei. Und um diese Vorstellungen zu verändern, machen wir hier eine ganze Menge."

    "Welche Fragen haben Sie noch? Wie sind Sie so auf den Zweig gekommen? Technik, hat Sie das immer schon interessiert? - Also ich muss ganz ehrlich gestehen: Ich bin ein großes Ausnahmebeispiel."

    Begegnungen zwischen Frauen, die erfolgreich in einem technischen Beruf arbeiten, und Schülerinnen sind neben den zahlreichen technischen Experimenten in den Hörsälen ein wesentliches Element beim ersten bayrischen Mädchen-Technik-Kongress in Kempten. Manuela Schröder ist bei Audi Fahrwerk-Konstrukteurin - und macht den Schülerinnen Mut:

    "Mädchen können das. Mädchen machen bestimmte Dinge sicher anders als Burschen, wobei das eine Bereicherung für das ganze Unternehmen ist, wenn man anders an bestimmte Dinge herangeht."

    Ein paar Räume weiter diskutieren Sebnem Gül und Sümeyya Güclü mit den Mädchen. Die eine studiert Informatik, die andere Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau. Ihr Ziel: Ihre Zuhörerinnen sollen es ihnen gleich tun und die Scheu vor einem technischen Fach ablegen.

    "Technik interessiert mich schon, seit ich ein kleines Kind war. Da mein Bruder eine Autowerkstatt hat, habe ich dort sehr oft mitgeholfen. - Ich bin sehr froh, dass ich Informatik studiert habe. Am Anfang hatte ich natürlich Bammel, weil man eben denkt, es ist ein Männerberuf, Frauen und Technik. Das waren aber nur Vorurteile. Ich hab' mich überhaupt nicht schwer getan. Es hat mir im Gegensatz sehr viel gebracht. Sobald man versteht, wie man mit Männern umzugehen hat, hat man auch viel mehr Spaß daran!"

    Die Möglichkeit, Naturwissenschaft und Technik kennenzulernen, aber auch das Gespräch mit Erfolgs-Frauen in technischen Berufen - das zeigt Wirkung: Viele der 400 Teilnehmerinnen verlieren im Laufe des Tages ihre Scheu vor Kilowatt, Kabeln und Messinstrumenten. Sarah-Maria Diebolder aus Ottenbeuren und Jana Sterr aus Lindau:

    "Ich habe mir überlegt, Elektrotechnik zu studieren. Aber ich weiß nicht, ob es das Endgültige ist. Aber es geht in die Richtung."

    "Dass da immer nur so viele Männer da sind in solchen Berufen, dass finde ich total schade. Wir können das genauso gut machen wie Männer. Ich finde es einfach interessant."

    Dass der Frauenanteil in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen steigt, halten nicht nur die Vertreter der Hochschulen vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Fachkräftemangels für wichtig. Auch wissenschaftliche Institute wie beispielsweise die Fraunenhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien München fürchten um den wissenschaftlichen Nachwuchs. Deshalb hat sich das Institut auch als Mitveranstalter an dem Kongress in Kempten beteiligt. Von höheren Frauenanteilen in technischen Studiengängen erhofft sich Sabine Scherbaum von der Frauenhofer-Einrichtung München eine Art Initialzündung:

    "Speziell die Ingenieurwissenschaften sind sehr männlich geprägt. Man begegnet vom Studienbeginn weg kaum einer anderen Frau. Man hat kaum weibliche Rollenvorbilder. Es sind kaum Professorinnen da, sehr wenig Dozentinnen. Und das prägt natürlich die Mädchen. Sie sehen: Da ist kein Raum für Weiblichkeit!"

    Was sich durch Aktionen wie dem Mädchen-Technik-Kongress im bayrischen Kempen ändern soll. Immerhin, gerade an der Hochschule Kempten lässt sich bereits eine kleine Trendwende erkennen. Präsident Robert Schmidt:

    "Wir hatten noch vor einigen Jahren einen einstelligen Anteil von Mädchen in technischen Berufen, also sieben bis neun Prozent. Inzwischen sind es schon bis zu 14 Prozent. Also das entwickelt sich!"