Elektromobilität: Das heißt, Auto fahren ohne fossile Energie. Ein wichtiger Beitrag zur Energiewende, der allerdings erst in den vergangenen Jahren markt- und massenfähig geworden ist. Das sei vor allem das Verdienst von Tesla-Chef Elon Musk, schreibt die schwedische Journalistin Katrine Marçal. Denn der charismatische Unternehmer habe dem Elektroauto ein entscheidendes Charakteristikum verpasst, das es zum begehrten Fortbewegungsmittel habe avancieren lassen – und zwar Männlichkeit.
Elektromobilität eines von vielen Beispielen
Die Sache sei nämlich die, schreibt Marçal in ihrem Buch „Die Mutter der Erfindung“: Elektroautos habe es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegeben. Zu dieser Zeit sei ein Drittel aller Kraftfahrzeuge in Europa mit Batterie gefahren. Das damalige Elektroauto wurde der Autorin zufolge dann allerdings zunehmend als ‚Frauenauto‘ beworben und auf vermeintlich weibliche Bedürfnisse zugeschnitten. In einige Wägen seien beispielsweise Kristallglasvasen eingebaut worden. Damit hätten die E-Autos immer weniger dem gesellschaftlichen Männlichkeitsideal entsprochen – mit weitreichenden Folgen:
„Benziner setzten sich als dominierende Technologie durch und bescherten uns Lärm, Gestank und Umweltschäden. Wie wäre die Technologiegeschichte verlaufen, wenn man das Elektroauto um die Jahrhundertwende nicht als weiblich abqualifiziert hätte?“
„Benziner setzten sich als dominierende Technologie durch und bescherten uns Lärm, Gestank und Umweltschäden. Wie wäre die Technologiegeschichte verlaufen, wenn man das Elektroauto um die Jahrhundertwende nicht als weiblich abqualifiziert hätte?“
Das Elektroauto ist ein Beispiel der Autorin für ihre These, wonach gesellschaftlich zementierte Geschlechterbilder wichtige Innovationen ausbremsten – das gelte nicht nur für grundlegende Technologien wie die Elektromobilität, sondern auch für lebenspraktische Alltagshilfen wie den Rollkoffer.
Erstaunlich sei dieser Befund allerdings nicht, konstatiert die Autorin. So erhielten beispielsweise von Frauen gegründete Unternehmen in den USA weniger als drei Prozent der gesamten Risikokapitalinvestitionen.
„Dass über 97 Prozent des Wagniskapitals an Männer vergeben wird, bedeutet auch, dass unsere Software, unsere Apps und Social-Media-Netzwerke, künstliche Intelligenz und Hardware von Männern sowohl erfunden als auch entwickelt und finanziert werden.
Erstaunlich sei dieser Befund allerdings nicht, konstatiert die Autorin. So erhielten beispielsweise von Frauen gegründete Unternehmen in den USA weniger als drei Prozent der gesamten Risikokapitalinvestitionen.
„Dass über 97 Prozent des Wagniskapitals an Männer vergeben wird, bedeutet auch, dass unsere Software, unsere Apps und Social-Media-Netzwerke, künstliche Intelligenz und Hardware von Männern sowohl erfunden als auch entwickelt und finanziert werden.
Patriarchale Strukturen prägend
Dieses eklatante wirtschaftliche Ungleichgewicht sei aber kein Phänomen des digitalen Zeitalters, sondern Ausdruck jahrtausendealter patriarchaler Strukturen. So habe bereits die Wahl des Materials, das für eine bestimmte Technik verwendet wird, die Vorstellung geprägt, dass Frauen viel seltener als Männer an technologischen Prozessen beteiligt gewesen seien, schreibt Marçal:
„Zu jedem Zeitpunkt der Geschichte wurden bestimmte Materialien eher der männlichen und andere eher der weiblichen Sphäre zugeschlagen. Entsprechend wurden manche als hochtechnologisch angesehen und andere nicht.“
Weiche Materialien gälten demnach als „weiblich“, harte hingegen als „männlich“. Das hat, so schreibt die Autorin, auch Auswirkungen auf die Tätigkeiten, die mit unterschiedlichen Hilfsmitteln ausgeübt werden. Ein klassisches Beispiel sei die Geburtshilfe: Die Hebamme arbeite dabei vor allem mit ihren Händen und verfüge über ein oft über Generationen weitergegebenes und als „weiblich“ angesehenes Körperwissen; der männliche Arzt hingegen, der sich ein akademisches Wissen angeeignet habe, arbeite, beispielsweise bei einem Kaiserschnitt, mit Instrumenten wie dem Skalpell aus Stahl – ein Material, das mit Männlichkeit assoziiert werde:
„Eine Hebamme ist in der Lage, mit der Hand in den Geburtskanal zu greifen und die Haltung eines Kindes zu verändern, dessen Schulter im Becken der Mutter feststeckt. Das ist alles andere als kinderleicht, es braucht dazu jahrelange Übung. Doch es gehört nun mal zu unseren Vorannahmen, dass von Hand ausgeführte Arbeiten weniger Können erfordern als die mithilfe von Gerätschaften ausgeführten.“
„Zu jedem Zeitpunkt der Geschichte wurden bestimmte Materialien eher der männlichen und andere eher der weiblichen Sphäre zugeschlagen. Entsprechend wurden manche als hochtechnologisch angesehen und andere nicht.“
Weiche Materialien gälten demnach als „weiblich“, harte hingegen als „männlich“. Das hat, so schreibt die Autorin, auch Auswirkungen auf die Tätigkeiten, die mit unterschiedlichen Hilfsmitteln ausgeübt werden. Ein klassisches Beispiel sei die Geburtshilfe: Die Hebamme arbeite dabei vor allem mit ihren Händen und verfüge über ein oft über Generationen weitergegebenes und als „weiblich“ angesehenes Körperwissen; der männliche Arzt hingegen, der sich ein akademisches Wissen angeeignet habe, arbeite, beispielsweise bei einem Kaiserschnitt, mit Instrumenten wie dem Skalpell aus Stahl – ein Material, das mit Männlichkeit assoziiert werde:
„Eine Hebamme ist in der Lage, mit der Hand in den Geburtskanal zu greifen und die Haltung eines Kindes zu verändern, dessen Schulter im Becken der Mutter feststeckt. Das ist alles andere als kinderleicht, es braucht dazu jahrelange Übung. Doch es gehört nun mal zu unseren Vorannahmen, dass von Hand ausgeführte Arbeiten weniger Können erfordern als die mithilfe von Gerätschaften ausgeführten.“
Globaler Blick auf Geschlecht und Innovation
Spätestens an dieser Stelle wird klar: Marçal fächert ihre Studie über das Verhältnis von Geschlecht und Innovation immer weiter auf und berührt dabei interessante Grundsatzfragen – zum Beispiel diejenige, was wir eigentlich unter „Technologie“ verstehen, und wie monetäre und gesellschaftliche Anerkennung damit verknüpft sind, wie wir diese Frage beantworten. Stellenweise spannt die Autorin den inhaltlichen Bogen allerdings so weit, dass der Bezug zum Thema nicht immer gleich ersichtlich ist – etwas engere Leseführung wäre da wünschenswert gewesen.
Dieser globale Blick der Autorin macht aber gleichzeitig den Reiz des Buches aus: Es ist viel mehr als nur eine unterhaltsam geschriebene Sammlung von Erfindungen, die rigiden Geschlechterrollen lange Zeit zum Opfer gefallen sind; „Die Mutter der Erfindung“ ist auch ein energisches Manifest über die Verbindung von Natur und Technik, in dem die Autorin eine klassische, ökofeministische Argumentation mit Technikaffinität verknüpft.
Katrine Marçal plädiert entschieden dafür, dass Frauen viel stärker an Innovationsprozessen beteiligt werden. Das sei auch deshalb notwendig, weil vielfältige Ideen benötigt würden, um die Folgen der Klimakrise abzumildern. Hochentwickelte Technologie könnte, so lautet die recht oberflächlich gehaltene Vision der Autorin, zudem auch das Patriarchat überwinden helfen: Roboter, deren Stärken auf einer, Zitat, „bestimmten Form von rationaler, akademischer Männlichkeit“ beruhten, könnten künftig bestimmte Aufgaben übernehmen, die zuvor viel menschliche Arbeitskraft gebunden hätten. Dann schlüge endlich die Stunde weiblich konnotierter Fähigkeiten, verheißt Marçal:
„Wenn Roboter in den Bereichen Fürsorge, emotionale Zuwendung und Beziehungen so sehr hinterherhinken, könnten wir Menschen uns auf diese Kompetenzen spezialisieren. Die Maschinen würden Jahrtausende einer patriarchalen Gesellschaftsordnung ungeschehen machen.“
Dieser globale Blick der Autorin macht aber gleichzeitig den Reiz des Buches aus: Es ist viel mehr als nur eine unterhaltsam geschriebene Sammlung von Erfindungen, die rigiden Geschlechterrollen lange Zeit zum Opfer gefallen sind; „Die Mutter der Erfindung“ ist auch ein energisches Manifest über die Verbindung von Natur und Technik, in dem die Autorin eine klassische, ökofeministische Argumentation mit Technikaffinität verknüpft.
Katrine Marçal plädiert entschieden dafür, dass Frauen viel stärker an Innovationsprozessen beteiligt werden. Das sei auch deshalb notwendig, weil vielfältige Ideen benötigt würden, um die Folgen der Klimakrise abzumildern. Hochentwickelte Technologie könnte, so lautet die recht oberflächlich gehaltene Vision der Autorin, zudem auch das Patriarchat überwinden helfen: Roboter, deren Stärken auf einer, Zitat, „bestimmten Form von rationaler, akademischer Männlichkeit“ beruhten, könnten künftig bestimmte Aufgaben übernehmen, die zuvor viel menschliche Arbeitskraft gebunden hätten. Dann schlüge endlich die Stunde weiblich konnotierter Fähigkeiten, verheißt Marçal:
„Wenn Roboter in den Bereichen Fürsorge, emotionale Zuwendung und Beziehungen so sehr hinterherhinken, könnten wir Menschen uns auf diese Kompetenzen spezialisieren. Die Maschinen würden Jahrtausende einer patriarchalen Gesellschaftsordnung ungeschehen machen.“
Katrine Marçal: „Die Mutter der Erfindung. Wie in einer Welt für Männer gute Ideen ignoriert werden“
Rowohlt Verlag, 304 Seiten, 20 Euro.
Rowohlt Verlag, 304 Seiten, 20 Euro.