Einmal im Monat treffen sich die Frauen der Organisation "Women oft the Wall", um an der Klagemauer zu beten und in der Thora zu lesen. Das ist in dem Abschnitt der Klagemauer, an dem Frauen beten, nicht erlaubt:
"So muss es jeden Tag sein",
ruft die Frontfrau von "Women oft the Wall", Anat Hoffman, bei einem der monatlichen Gebete.
Liberale und konservative Juden legen die jüdischen Rechtsvorschriften deutlich moderater aus als die Orthodoxen – sie sehen Frauen als gleichberechtigt an und sie beten gemeinsam. Im orthodoxen Judentum beten Frauen und Männer getrennt.
"Wir begrüßen, dass sich endlich etwas bewegt"
Eine Klagemauer, das fordern die Reformer: Ein Zugang und die drei Bereiche gleichberechtigt nebeneinander - nach Geschlechtern getrennt für die orthodoxen und einen gemischten Gebetsbereich für die liberalen und konservativen Juden. Schon jetzt gibt es einen kleinen, wenig einladenden Bereich an der Klagemauer, an dem Männer und Frauen gemeinsam beten können. Der Eingang dazu befindet sich noch vor den Sicherheitskontrollen am Zugang zur Klagemauer.
"Hierher kommen Gruppen, die religiöse Zeremonien nicht nach Geschlechtern getrennt feiern möchten",
erklärt Roey Shabtay, Sprecher der Organisation "Masorti", die die konservativen Juden vertritt:
"Wir stellen dann Thora-Rollen bereit, weil sich der Staat darum nicht kümmert. Gruppen und Familien feiern hier religiöse Feste wie die Bar Mizwa."
Der bereits bestehende gemischte Bereich ist wenig bekannt. Über den Ausbau gab es jahrelange Verhandlungen mit der Regierung. Jizhar Hess, der Geschäftsführer der Organisation "Masorti", hat mitverhandelt:
"Die Vereinbarung mit der Regierung, die wir am 31.Januar 2017 unterzeichnet haben, ging viel weiter als das, was jetzt gebaut wird. Aber wir begrüßen es, dass sich endlich etwas bewegt."
"Nicht der jüdische Standard"
Nach Protesten der orthodoxen Juden wurde das Vorhaben im Juli 2017 auf Eis gelegt. Nun haben die Bauarbeiten vor wenigen Wochen begonnen.
"Wie man hier sieht, fangen sie neben dem Eingang mit den Bauarbeiten an",
sagt Roey Shabtay von "Masorti":
"Der nächste Schritt muss dann sein, diesen Pavillon größer zu machen, damit mehr Menschen direkt an der Mauer beten können."
Der gemischte Bereich ist durch einen Wall, auf dem der Zugang zum muslimischen Tempelberg verläuft, von der eigentlichen Klagemauer getrennt. Die Klagemauer ist das höchste Heiligtum der Juden. Nach der Überlieferung war diese Mauer Teil des zweiten Jerusalemer Tempels. Während Roey die Pläne für den neuen gemeinsamen Gebetsbereich erklärt, kommt eine kleine Gruppe orthodoxer Juden an diesen Teil der Klagemauer. Als David stellt sich einer von ihnen vor, ein älterer großer Mann mit schwarzem Hut.
"Es ist, als würden sie mich fragen, was ich von einer Gebetszone für Baptisten halte. Das ist eine andere Religion. Was soll ich darüber für eine Meinung haben?"
Er kommt aus den USA und bezeichnet sich selbst als sehr religiös - da sei er anders als die meisten amerikanischen Juden, die dem liberalen, nicht dem orthodoxen Judentum angehören. Er macht keinen Hehl daraus, was er von dem gemischten Gebetsbereich hält:
"So beten Juden nicht. Niemand sagt, dass sie keine Juden sind, aber ihre Art zu beten ist nicht der jüdische Standard. Der gemischte Gebetsbereich? Damit habe ich nichts zu tun."
"Das wird Jahr für Jahr beliebter werden"
Roey Shabtay, der Sprecher der konservativen Juden, klinkt sich in das Gespräch ein:
"Orthodoxe und konservative Juden lesen dieselbe Halacha", sagt Roey.
"Nein, es ist nicht ein und dasselbe", erwidert David.
Die Halacha ist der Teil der jüdischen Überlieferung, der die Rechtsvorschriften enthält und unterschiedlich ausgelegt wird. Die Ultraorthodoxen sind Teil der israelischen Regierung - deshalb muss Premier Netanjahu Rücksicht auf ihre Anliegen nehmen. Andererseits sind Gerichtsverfahren anhängig, die die Gleichstellung aller Strömungen des Judentums an der Klagemauer einfordern.
"Ich glaube, die Ultraorthodoxen haben kalte Füße bekommen wegen der Vereinbarung, weil sie verstanden haben, dass sich etwas ändern wird",
sagt "Masorti"-Geschäftsführer Hess:
"Wenn Familien an der Klagemauer gemeinsam Familienfeste feiern können und nicht nach Geschlechtern getrennt, dann werden sie sich für die gemischte Feier entscheiden. Das wird Jahr für Jahr beliebter werden."
Das ist die Hoffnung der reformorientierten Juden. Gleichzeitig wächst der Bevölkerungsanteil der Ultraorthodoxen in Israel, weil diese Familien sehr kinderreich sind. Deren politischer Einfluss dürfte erst kleiner werden, wenn es eine Regierung ohne Beteiligung der ultraorthodoxen Schas-Partei in Israel geben sollte.