Archiv

Frauen-WM
Deutsche Schiedsrichterinnen vergeblich gesucht

Der deutsche Fußball hat ein Nachwuchsproblem: Es fehlen die Schiedsrichter. Besonders gravierend ist der Mangel bei den Schiedsrichterinnen. Bei der Frauen-WM 2023 stand keine deutsche Unparteiische als Spielleiterin auf dem Feld.

Von Lilli Heim |
Die englische Schiedsrichterin Rebecca Welch beim WM-Achtelinale zwischen Australien und Dänemark im Einsatz.
Bei der Frauenfußball-WM in Australien und Neuseeland war keine deutsche Schiedsrichterin dabei. Ein Problem: Es fehlt der Nachwuchs. (dpa / picture alliance / Michael Memmler)
Im deutschen Fußball gibt es ein Nachwuchsproblem bei den Unparteiischen. Das zeigt sich in rückläufigen Zahlen. Besonders fehlt es an Schiedsrichterinnen. Unparteiische Frauen machen in Deutschland nur knapp drei Prozent aus.
Das ist besonders bei der Frauen-WM in Australien und Neuseeland aufgefallen. Das erste Mal seit Jahren war nur eine Schiedsrichterassistentin nämlich Katrin Rafalski vor Ort. Sie war bei zwei Gruppenspielen im Team der Schweizer Schiedsrichterin Esther Staubli im Einsatz.
Die Schiedsrichterassistentin Katrin Rafalski schaut bei dem Spiel der 3. Liga zwischen SC Verl und FSV Zwickau in Paderborn vom Rand zu.
Die Schiedsrichterassistentin Katrin Rafalski war als einzige deutsche Unparteiiische bei der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland dabei. (dpa / picture alliance / Nico Paetzel)
Wer bei einer WM, also international pfeifen will, muss auf der FIFA-Liste stehen. Ausgewählt von der FIFA- Schiedsrichterkommission.

Riem Hussein konnte sich für die WM 2023 nicht qualifizieren

Eine deutsche Schiedsrichterin hatte es in den erweiterten Kader für die WM geschafft: Riem Hussein. Aufgrund einer Verletzung konnte sie sich letztlich nicht qualifizieren.
Die schwarzhaarige Hussein im gelben Dress hebt die linke Hand. Dahinter unscharf Bandenwerbung.
Schiedsrichterin Riem Hussein wurde für die WM 2023 nicht berücksichtigt (Revierfoto / dpa)
Um aber erstmal dahin zu kommen, haben Unparteiische einen langen Weg vor sich, denn jede Schiedsrichterkarriere beginnt im Ehrenamt. Oft sind es selbst leidenschaftliche Fußballer oder Fußballerinnen, die das Spiel auch mal von einer anderen Seite kennenlernen wollen.
Wer einmal die Grundausbildung hinter sich hat, kann sich durch gute Leistungen nach und nach in höhere Ligen pfeifen. Bis in den professionellen Bereich. So wie Fabienne Michel. Sie pfeift in der 1. Bundesliga der Frauen, der 3. Bundesliga der Männer und seit einem Jahr auch bei der FIFA. Ab der Landesliga wurde sie regelmäßig beobachtet und benotet.

Schiedsrichterei bleibt meistens ein Ehrenamt

Am Ende einer Saison wird dann immer abgewogen, wer in eine höhere Liga darf.
„Da spielen dann mehrere Faktoren eine Rolle, also zum einen natürlich auch Noten, Alter. Aber auch werden überhaupt Plätze frei? Wie viele Plätze werden frei? Da gehört sicherlich auch immer hier und da mal noch ein Quäntchen Glück mit dazu. Also es ist von mehreren Faktoren abhängig und so geht man dann eben Liga für Liga, sowohl im Herren als auch im Frauenbereich nach oben.“
Aber auch im Profifußball, bleibt das Schiedsrichteramt meistens ein Ehrenamt. Der Großteil der Unparteiischen hat daneben einen Voll- oder Teilzeitjob. Das alles unter einen Hut zu bringen, kann eine Herausforderung sein. Das kann auch Christine Baitinger bestätigen. Sie ist die sportliche Leiterin für die Schiedsrichterinnen beim DFB und war selbst viele Jahre als Schiedsrichterin tätig.
„Es war der Spagat zwischen Hobby-Fußball, was vom zeitlichen Aufwand her kein Hobby mehr war, das eigene Privatleben und natürlich das berufliche. Auch heute ist es noch so, dass unsere Schiedsrichterinnen alle voll berufstätig sind. Und wenn sie dann das Hobby Schiedsrichter nebenher machen möchten und viel Training, viel Lehrgänge, viel Vor- und Nachbereitung der Spiele haben, dann ist ein zeitliches Management und das müssen sie leisten können.“
Einige wenige können von den Vergütungen zwar leben, aber diese reichen nicht um nach der Schiedsrichterkarriere ausgesorgt zu haben, erklärt die 49-Jährige.

Gewalt spielt eine Rolle

Dazu kommt, dass Fußball-Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen mit Gewalt - verbal und körperlich - kämpfen müssen. Das ist vor allem im Breitensport keine Seltenheit. Auch explizit gegen Frauen, erklärt Petra Tabarelli. Sie ist Historikerin und ist im Podcast „Früf- Frauen reden über Fußball“ zu hören.
„Es gibt zum Beispiel die Missgunst gegen Schiedsrichter und auch gegen Schiedsrichterinnen. Bei Schiedsrichterinnen kommt dann natürlich auch noch Sexismus dazu. Der ist bei Männern dann üblicherweise nicht vorhanden oder eher nicht vorhanden.“
Wie ein sexistischer Spruch oder eine Beleidigung aufgegriffen wird, ist Typsache, erklärt Christine Baitinger vom DFB:
"Jede Schiedsrichterin empfindet es aber auch unterschiedlich. Grad so ein Spruch wie 'Gehe mal an den Herd'. Die eine kann darüber lachen und hat einen blöden Spruch zurück. Die andere fühlt sich damit dann natürlich schon beleidigt. Und wir müssen uns jedem einzelne annehmen, auch für den, für den verbale Beleidigungen letztendlich dann auch, der sich dadurch wirklich beleidigt fühlt. fühlt. Und das machen wir auch. Wir nehmen die Sache ernst.“  

Der mangelnde Respekt ist ein großes Problem

Um Schiedsrichterinnen zu helfen mit unangenehmen Situationen umzugehen, können sie sich zum Beispiel mit erfahrenen Schiedsrichterinnen austauschen, erklärt Petra Tabarelli:  
„Viele Schiedsrichtervereinigungen haben zum Beispiel ein Patinnensystem, das heißt eben, dass auch Schiedsrichterinnen eine Frau an die Seite bekommen, mit der sie Sachen besprechen können die vorgefallen sind, wo sie vielleicht unsicher sind, wo sie fragen haben, wo Sexismus vorgefallen ist. Wie gehe ich damit um?“
Trotzdem bleiben solche Vorfälle nicht aus, denn verhindert werden sie nicht. Der mangelnde Respekt gegen Unparteiische ist ein Grund warum es in Deutschland an Schiedsrichter-Nachwuchs fehlt.

Jahr der Schiris und Strategie FF27 für mehr Nachwuchs

Wegen dem akuten Mangel hat der DFB das Jahr der Schiris ins Leben gerufen: Das Ziel: Die Gewinnung und Förderung von Schiedsrichtern und Schiedsrichterinnen. Christine Baitinger erklärt:
„Und es ist unser Problem, Nachwuchs zu gewinnen und dann eben auch den Nachwuchs zu erhalten. Und deshalb haben wir das Jahr des Schiris ausgerufen wir wollen für gegenseitigen Respekt werben, damit wir auch wieder an der Basis Spaß haben an unserem Hobby.“
Der DFB will dabei die Vereine und Verbände vor Ort unterstützen, um unter anderem Nachwuchstalente zu finden. Die Basis müsse gestärkt werden, um im Profibereich besser aufgestellt zu sein, auch international, sagt Baitinger.
Schiedsrichterinnen sollen ausdrücklich gefördert werden. Das ist unter anderem ein Ziel der Strategie FF27. Mit dieser soll bis 2027 die Zahl der aktiven Schiedsrichterinnen im DFB um ein Viertel erhöht werden. Das soll in Zusammenarbeit mit den Landesverbänden geschehen. Im Profibereich und im Breitensport.
Es scheint also noch ein weiter Weg zu sein, bis sich die Nachwuchsproblematik bei den deutschen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern aufgelöst hat. Der DFB steht in der Verantwortung seine ehrgeizigen Zielsetzungen zu erfüllen, sonst wird auch bei der kommenden Frauen-Weltmeisterschaft in vier Jahren kaum eine deutsche Unparteiische dabei sein.