Es war das erwartbare Fazit von FIFA-Präsident Gianni Infantino zur Frauen-WM. Der Schweizer verbuchte sie als vollen Erfolg. Und sprach in seiner Rede von einer "Transformation", die das Event in Australien und Neuseeland im Fußball der Frauen bewirkt habe.
"Etwas grundlegend Neues" sei erreicht worden in Sachen Fan-Andrang und TV-Einschaltquoten, nachdem die WM 2019 mit "über einer Million Zuschauerinnen und Zuschauern in den Arenen und über einer Milliarde vor dem Fernseher" bereits "ein Wendepunkt" gewesen sei. Doch diese Marken wurden laut Infantino jetzt übertroffen: "Zwei Millionen Fans kamen in die Stadien der beiden Gastgeberländer, zwei Milliarden verfolgten die Partien am Bildschirm."
Der FIFA-Präsident sagte in beinahe pastoralem Ton: Die Menschen schauten "die Weltmeisterschaft an, weil sie großartig ist, weil sie großartigen Sport bietet, weil sie unterhaltsam ist – weil die Menschen sie lieben."
Kritik an Infantinos "Marketing-Sprech"
Doch was hat diese WM für den Fußball der Frauen abseits von den glänzenden FIFA-Geschäftszahlen wirklich verändert? Berater Jörg Neblung, der unter anderem Nationalspielerin Klara Bühl betreut, bezeichnete im Dlf-Interview die Einlassungen Infantinos als "Marketing-Sprech": "Er versucht natürlich, sein Produkt in den schillerndsten Farben darzustellen."
Neblung führt die verbesserte Situation des Frauenfußballs nicht nur auf diese WM zurück: "Das ist definitiv keine 'Transformation'. Es ist einfach eine Weiterentwicklung. Das Interesse ist kontinuierlich gewachsen in den letzten Jahren. Und kulminiert jetzt in dieser Weltmeisterschaft. Er ist natürlich dann auch schlau genug, die wirklich spektakulären Zahlen aus Australien ranzuziehen, wo niemals zuvor im linearen Fernsehen eine Sendung mehr Einschaltquote generiert hat."
Fußball der Frauen wird interessanter für Beratungsagenturen
Es sei "tatsächlich in der ganzen Welt" etwas passiert, "die Aufmerksamkeit nimmt zu, die Umsätze, der Profit wächst – Herr Infantino freut sich". Dabei hat auch Neblung als Berater durchaus Grund zur Freude angesichts dieser wirtschaftlichen Entwicklung des Frauenfußballs.
Er rechnet für die Zukunft mit dem Einstieg von immer mehr Beratungsagenturen und prognostiziert: "Ich mutmaße, dass spätestens im nächsten Jahr die Eine-Million-Euro-Ablöse-Marke fallen wird. Wir sind jetzt schon im Bereich einer halben Million ungefähr. Das vor drei Jahren gefühlt noch unvorstellbar."
Nebeneffekte des gestiegenen Interesses von Beratungsagenturen an Spielerinnen sieht Neblung auch: "Es wird inzwischen mehr abgeworben, es wird aggressiver. Wir haben einen Ellbogenmarkt, wo vorher alles eher Blumenwiese war."
"Kein generisch gewachsener Markt"
Grundsätzlich müsse man aber sehen: "Wir haben eine Blase im Frauenfußball in Deutschland und Europa, die entstanden ist dadurch, dass die Vereine in Vorleistung gehen und investieren." Es handele sich also nicht um einen "generisch gewachsenen Markt, der tatsächlich peu à peu mehr Umsätze erzielt über Sponsoring-Erlöse und Zuschauereinnahmen."
Der deutsche und europäische Fußball der Frauen werde in seiner Entwicklung getrieben durch die Investitionen der Vereine, die Geld aus ihrem Männer- in den Frauenbereich transferieren, "weil sie der Meinung sind, da müssen wir jetzt dabei sein oder das ist ein wachsender Zukunftsmarkt".
Mindestgehälter für deutsche Profi-Frauenliga
Mehr Sichtbarkeit im TV und mehr "Follower" für die Spielerinnen in sozialen Medien bedeuteten jedenfalls für die Spielerinnen mehr "Einkommensmöglichkeiten über Vermarktung", was generell erstmal "gut fürs Geschäft" sei.
Die steigenden Gehälter für Fußballerinnen begrüßt der Spielerberater. Er stellte im Deutschlandfunk-Gespräch auch eine Forderung: "Wir müssen in Deutschland jetzt endlich mal dazu kommen, dass wir eine Profi-Liga an den Start bringen, wo eben Mindestgehälter garantiert werden." Bei den Männern gelten die 1. und 2. Bundesliga (unter dem Dach der DFL) sowie die 3. Liga (DFB) als Profi-Ligen.
Zweite Mannschaften wichtig als Ausbildungsebene
Dies sei wichtig, damit die deutsche Frauen-Liga nicht abgehängt werde. Die Position der deutschen Fußballbundesliga der Frauen als einst attraktivste in Europa habe sich verändert. So sind mittlerweile die Investments in die englischen, spanischen, italienischen und französischen Ligen stark gestiegen.
Beim spielerischen Niveau sei die Bundesliga immer noch weit vorne, für Spielerinnen sei aber die englische Women's Super League, das "gelobte Land England" mit seinen Profi-Strukturen inzwischen das Maß der Dinge. Neblung verweist auch auf die jüngste Entwicklung in Italien: "Wir müssen uns darum kümmern, dass wir das Level der Liga auch offiziell mit einem Profi-Stempel versehen. Die Italiener haben das innerhalb von fünf Monaten aus der Taufe gehoben. Dann haben zwei Vereine gesagt: Wir können Mindestgehälter nicht mitgehen. Die sind dann, obwohl sportlich qualifiziert, abgestiegen."