Ein kühler, sonniger Frühlingstag im Wolfsburger Frauenfußball-Stadion. Gerade hat die Torschützenkönigin der Bundesliga, die Polin Ewa Pajor, ihr Team gegen den MSV Duisburg in Führung gebracht. In Euphorie geraten die 1.650 Zuschauer deshalb noch lange nicht. Zu vorhersehbar ist der Sieg der Favoritinnen, zu langweilig die Liga. Gibt auch Ralf Kellermann zu, der Sportliche Leiter des VfL.
"Das war in den letzten Jahren ja anders. Und das war auch mit ein Grund, warum viele Spielerinnen auch aus dem Ausland nach Wolfsburg gewechselt sind, oder in die Bundesliga gewechselt sind, weil: Jedes Spiel wurde man gefordert, jetzt in diesem Jahr ist es wirklich so, dass Bayern und wir da vorne weg marschieren, und ich glaube, dass es im nächsten Jahr ähnlich aussieht, dass die beiden Kader die mit Abstand stärksten sind, aber, ja, wir können ja jetzt nicht absichtlich Gas rausnehmen, das ist auch nicht unser Anspruch."
Keine Chance auf internationaler Ebene
Zum dritten Mal hintereinander gewann der VfL Wolfsburg soeben das Double aus Meisterschaft und Pokal. Internationale Erfolge bleiben jedoch inzwischen aus. In der Champions League schieden die Wölfinnen bereits im Viertelfinale aus. Die großen Klubs in England, Spanien und Frankreich, die man auch aus dem Männerfußball kennt, haben aufgeholt und investieren kräftig in den Frauenfußball. Die Bundesliga muss aufpassen, sagt Ralf Kellermann.
"Wenn die Liga schlechter wird, wenn die besseren Spielerinnen aus dem Ausland wieder woanders hingehen, dann werden auch deutsche Nationalspielerinnen das Land verlassen, dann wird die Liga noch schlechter, werden sich junge Spielerinnen schlechter entwickeln, das ist ein Teufelskreis, den man dann auch bei Olympischen Spielen, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften sehen kann."
Zuschauerzahlen sinken
Noch ist es nicht so weit. Aber der Boom, den die Frauenfußball-WM im eigenen Land 2011 ausgelöst hatte, ist spürbar vorüber. Die Zuschauerzahlen in den Stadien sinken kontinuierlich. Im Durchschnitt auf unter 1.000.
Wenn die Top-Klubs nicht aufpassen, rennen ihnen bald auch ihre größten Nachwuchstalente weg. Denn die wenigsten von ihnen schaffen den Sprung in die erste Mannschaft, in die Bundesliga. Melina Loeck, Torfrau, und Anna-Lena Stolze, Mittelfeldspielerin, beide 18 Jahre alt, sind nah dran. In der vergangenen Saison gehörten sie zum 25-köpfigen Kader der Wölfinnen. Einsatzzeiten hatten sie jedoch kaum.
Melina Loeck: "Der VfL Wolfsburg ist bei Frauen einfach ein europäischer Top-Klub, da ist es ganz normal, dass es schwer ist, in die erste Mannschaft zu kommen, man kann das ein bisschen vergleichen mit Bayern München bei den Männern. Also da schaffen es ja auch die wenigsten aus dem Jugendbereich in die Herrenmannschaft, weil einfach viele von außerhalb geholt werden, weil es notwendig ist, um auf so einem hohen Niveau spielen zu können."
Anna-Lena Stolze: "Ja, enttäuscht ist man, glaube ich, immer bei so was, natürlich hat man das auch im Hinterkopf, aber da ist auch eine Absprache mit dem Trainer, dass ich anstatt hier vielleicht auf der Bank zu sitzen oder nur wenige Minuten Spielzeit zu bekommen, wenn das Spiel entschieden ist, lieber in der zweiten Mannschaft spiele, dort 90 Minuten meine Erfahrungen sammeln kann."
Studium als zweites Standbein
Beide haben von klein auf in Jungenmannschaften Fußball gespielt, seit vier Jahren sind sie beim VfL. Melina Loeck hat ihren Schritt nach Wolfsburg bisher keine Sekunde bereut. Mittlerweile studiert sie nebenbei Gesundheitsmanagement. Per Fernstudium. Sollte es mit der Profikarriere nichts werden, hat sie eine Alternative. Anna-Lena Stolze hat gerade ihr Abitur gemacht, sie konzentriert sich jetzt voll auf Fußball. Aber sie hadert: Mit sich und ihren Erwartungen.
"Vielleicht schon weiter zu sein in der fußballerischen Entwicklung, vielleicht schon mehr in der ersten Liga zu spielen, so was halt. Man weiß halt nicht, wo es besser vielleicht gelaufen wäre. Aber natürlich: man guckt auf andere Spieler in Deutschland und möchte vielleicht auch langsam Erste Bundesliga spielen."
Der Sportliche Leiter in Wolfsburg, Ralf Kellermann, ist überzeugt: Die beiden können es schaffen, wenn auch nicht sofort: "Vielleicht müssen die auch irgendwann mal den Umweg gehen und ein Jahr ausgeliehen werden und dann zurückkommen, aber das Potenzial haben sie auf jeden Fall."
Abgang ins Ausland als weitere Option
Anna-Lena Stolze will ihr Potenzial möglichst bald abrufen. Ihr Weg ist klar, sagt sie: "Natürlich in die erste Liga, sei es hier oder sei es in einem anderen Land vielleicht, aber das sind natürlich meine Ziele. Es werden immer mehr Länder, die gut werden und vielleicht auch besser als die Bundesliga, deswegen würde ich das nicht ausschließen. England ist natürlich die erste Wahl, denke ich."
Und so könnte die Investmentoffensive der europäischen Klubs am Ende dazu führen, dass aus der Bundesliga nicht nur die Spitzenspielerinnen weggekauft werden, sondern auch verheißungsvolle Nachwuchstalente. Eine Entwicklung, die im Männerfußball schon lange zu beobachten ist.