Vulkan gegen Spartak 2 heißt die Partie. Die Frauen-Erstligisten spielen im Oktoberstadion. Das liegt im Nordwesten Moskaus am Ufer des Moskwa-Flusses. Spartak 2 gehört zur Sportschule des russischen Männer-Rekordmeisters. Das Vulkan-Team spielt seine erste Meisterschaft. Es trägt den Namen des Sponsors, einer Baufirma aus dem 7000 Kilometer entfernten Kamtschatka.
25 Spielerinnen gehören dazu - so wie Tanja, mit Brille und Dutt: "Bei uns spielen Mamas und Studentinnen", sagt sie, "alle, die Fußball lieben. Sie stellen sich dem Trainer vor, der entscheidet." Die 21-jährige Tanja, die heute wegen einer Erkältung ausfällt, erzählt, wie sie zum Fußball kam: "Bei uns auf dem Hof waren mehr Jungs als Mädchen. Also haben meine Schwester und ich nicht mit Puppen gespielt, sondern den Ball gekickt."
Mannschaftskameradin Sveta, 28 Jahre alt, ist vor zehn Jahren zum Studium nach Moskau gekommen. Die großgewachsene Blondine war Basketballerin, liebäugelte aber mit dem Fußball: "Hier in Moskau habe ich endlich eine Frauen-Mannschaft gefunden. Im Basketball bin ich Meister des Sports. Da habe ich mir gedacht, jetzt musst Du auch im Fußball etwas schaffen."
Im Sommer Fußball - im Winter Futsal
Das hat Sveta auch. Sie spielt in der Oberliga Mini-Fußball auch Futsal genannt, fünf gegen fünf. Eine Disziplin, in der die russischen Frauen amtierender Europameister sind. "Im Sommer spielen wir großen Fußball draußen", erklärt Sveta, "im Winter Minifußball in der Halle".
Derzeit haben Sveta und Tanja ein Spiel und zwei bis drei Mal Training die Woche. Im "großen" Fußball sind die russischen Frauen nicht so gut. Bei der letzten EM schieden sie in der Vorrunde aus. Für die WM 2019 sind sie nicht qualifiziert. Tanja erklärt: "Wir haben unsere erste Liga. Und über uns die Oberliga. Früher gab es drei Ligen, aber da sich nicht genug Spielerinnen und Sponsoren finden, wurde eine abgeschafft."
Tanjas Liga ist in Zonen eingeteilt. Die besten zwei Teams jeder Region fahren zur russischen Meisterschaft. Und wer da vorn ist, steigt in die Oberliga auf. Sveta weiß: "Noch vor drei Jahren wurde nur der Männer-Fußball wahrgenommen. Frauen-Fußball kannten nur unsere Familien. Vielleicht hat die WM gewirkt. Jetzt sieht man auch uns."
Inzwischen nehmen Männer-Teams Frauenmannschaften unter ihre Fittiche, ergänzt Tanja. Das macht etwa der diesjährige russische Meister Lokomotive Moskau. Vom Fußball leben können Tanja, die Umweltingenieurin wird, und Sveta, die Management studiert hat, nicht. Tanja schwärmt von über 1000 Euro, die ein Team in Petersburg bekommt. Bei ihnen sei es 3 Mal weniger. So verdienen beide ihr Geld mit Marketing im Internet.
"Die spielen gut"
Sveta in hellblauem Trikot gibt auf dem Rasen alles. Hinter der Umzäunung schaut Platzwart Wladimir zu. "Das gefällt mir", kommentiert er, "so meisterhaft habe ich das bei den Frauen noch nicht gesehen. Die spielen gut." Neben ihm fachsimpelt Aleksej, der am Stadion ein Hochhaus baut: "Der Frauenfußball bei uns entwickelt sich, ich verfolge das. Die haben Kombinationen drauf, die sehen teils besser aus als bei den Männern. Noch vier bis fünf Jahre und wir haben Weltniveau. So wie unsere Männer jetzt bei der WM mit ihrer Hingabe. Niemand hat an sie geglaubt. Aber wir haben es allen gezeigt."
Tanja fiebert auf der kleinen Tribüne mit und nennt ihre WM-Favoriten. "Ich bin für Russland. Mir gefällt auch das junge französische Team. Aber eigentlich vergöttere ich Deutschland. Ich war geschockt, als die Mannschaft raus war. Wir waren extra in Sotschi beim Spiel gegen Schweden. Und saßen hinterm Tor - keine 20 Meter von uns - mein Lieblingsspieler Kroos. Sein Tor in der letzten Minute - da war ich ganz hysterisch. Hurra!"
Tanja hat eine klare Idee, warum es nicht geklappt hat: "Vielleicht war es die deutsche Mentalität, alles immer genau bis zum Ende zu führen, wie eine Maschine. Kein Spieler hat ein Risiko auf sich genommen, niemand hat die Rosine dazu getan und Tore gemacht."
Mehr Aufmerksamkeit für Frauenfußball
Die WM sieht Tanja auch ohne Toni Kroos positiv: "Sie ist ein Fest, all die Begegnungen mit Ausländern, die neuen Stadien. Und es ist eine Chance, allen zu zeigen, die vorher schlecht geredet haben: Das ist unsere russische Seele. Das sind wir - echt und lebendig."
0 : 0 steht es zur Halbzeit. Die Spielerinnen ruhen sich auf dem Rasen aus. Trainer Georgi redet ihnen ins Gewissen, dass die anderen provozieren und die Mädels keine Angst haben sollen. "Was sie gut gemacht haben", so Tanja über ihre Mannschaftskolleginnen, "ist, dass sie überhaupt zum Spiel gekommen sind. Denn die Gegnerinnen spielen ziemlich gut. Unsere Spielerinnen haben wenig Fehler gemacht. Das Wichtigste ist: Sie haben verstanden, dass sie gewinnen können." Wird Georgi als Frauentrainer belächelt? "Das war mal Exotik", sagt Tanja, "wie Beachfußball. Jetzt bekommt Frauenfußball mehr Aufmerksamkeit an den Unis und beim Nachwuchs. Das Niveau steigt. Das freut mich."
"Gut gemacht!", ruft der Trainer über das Feld und bedankt sich bei seiner Torfrau. Dann muss er los, noch eine Männermannschaft trainieren. Sein Team verliert am Ende 0 : 2 und Sveta dehnt sich müde die Wadenmuskeln. "Die erste Halbzeit war unsere", sagt sie, "da hätten wir ein Tor machen müssen. Wir haben den Ball nicht kontrolliert und mussten zu viel laufen. Aber wir trainieren weiter."