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Stagnation im Frauenfußball
DFB will Anzahl der Mädchenmannschaften verdoppeln

Der Aufwind im Frauenfußball macht sich hierzulande noch nicht bemerkbar. DFB-Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch sieht dennoch eine positive Entwicklung. Der Verband wolle die Zahl der Mädchenteams in den kommenden Jahren deutlich erhöhen. Auch die Bundesliga soll attraktiver werden.

Sabine Mammitzsch im Gespräch mit Maximilian Rieger | 07.05.2022
Svenidis Jonsdottir vom VfL Wolfsburg
Warten auf den Boom im deutschen Frauenfußball: Wolfsburgs Sveindis Jonsdottir (IMAGO/Fotografie73)
91.000 Zuschauer beim Champions-League-Spiel zwischen dem FC Barcelona und dem VfL Wolfsburg, mehr als zehn Millionen Pfund TV-Geld pro Saison in der englischen Super League - der Frauenfußball befindet sich international im Aufwind. Doch in Deutschland merkt man davon weiterhin wenig.
Die Frauen-Bundesliga hat wirtschaftlich noch viel Potenzial, dies zeigen auch die Zahlen des Saisonreports, den der Deutsche Fußball-Bund (DFB) für die Spielzeit 2020/21 veröffentlicht hat. Demnach haben die zwölf Vereine zwar einen Rekordumsatz von insgesamt 15 Millionen Euro erzielt. Demgegenüber standen aber auch Investitionen in Höhe von 30 Millionen Euro.
Zugleich stagniert das öffentliche Interesse - insgesamt gab es rund 20 Stunden weniger Fernsehberichterstattung als in der Vorsaison. Und die Fan-Zahlen in den Stadien bleiben seit Jahren bei durchschnittlich nur 1000 Fans stecken.

Mammitzsch sieht trotz Kritik Fortschritte

Vor allem bei den großen Klubs in der Bundesliga, die sich international mit den weitaus besser aufgestellten Klubs aus Frankreich oder England messen, wuchs zuletzt die Ungeduld und die Kritik am DFB, der die Bundesliga vermarktet. Vieles ginge zu langsam voran, bemängelte Karin Danner, Managerin vom FC Bayern gegenüber der Sportschau. Andere Länder hätten deutlich größere Sprünge gemacht.
Bianca Rech, Sportliche Leiterin bei den Münchnerinnen, forderte im Deutschlandfunk-Interview professionellere Rahmenbedingungen, damit sich die Spielerinnen zu einhundert Prozent, hauptberuflich auf den Fußball konzentrieren könnten.
Sabine Mammitzsch, neue DFB-Vizepräsidentin und im Verband zuständig für den Frauenfußball, wollte dennoch nicht von Stagnation sprechen und verwies dabei auf die Zahlen des Saisonreports: "Die Erträge gehen nach oben. Der Personalaufwand geht nach oben. Die Vereine investieren, vor allem die Lizenzvereine haben den Wert der Marke Frauenfußball erkannt. Wir gehen in die richtige Richtung", sagte Mammitzsch im Deutschlandfunk. Die Entwicklung brauche aber noch Zeit: "In zwei bis drei Jahren wollen wir den Ertrag verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen."

Neuer TV-Vertrag soll deutliches Plus bringen

Eine zentrale Rolle bei der Vermarktung spiele dabei der neue TV-Vertrag, der ab der Saison 2023/24 verhandelt werde: "Da müssen wir ein deutliches Plus erzielen." Hoffnung mache es, dass der Frauenfußball auch beim DFB-Präsidium im Fokus steht. "Da weht auf jeden Fall ein anderer Wind", so Mammitzsch. Im DFB-Präsidium mit seinen 15 aktiven Mitgliedsposten säßen inzwischen fünf Frauen, die künftig für noch mehr Sichtbarkeit sorgen wollen.
Professionelle Strukturen müssten aber vor allem die Vereine schaffen. Der FC Bayern sei hier Vorreiter, dort könnten die Frauenteams die medizinische Abteilung nutzen und würden auch finanziell unterstützt.
Auch gesellschaftlich müsse sich noch einiges ändern. Der DFB wolle seinen Beitrag für mehr Diversität und mehr Selbstbewusstsein bei Frauen leisten. Das Champions-League-Spiel in Barcelona mit mehr als 90.000 Fans habe gezeigt, dass dies in anderen Ländern möglich sei. "Wir müssen dahin kommen, dass es egal ist, ob man sich ein Männer- oder ein Frauenspiel anguckt. Das ist unsere Vision."

Nachwuchsfußball - Rückgang bei den Mädchenteams

Dies müsse der DFB aber auch in die Landesverbände tragen, damit die Gremien ihren Nachholbedarf erkennen könnten. Vor allem an der Basis, im Nachwuchsbereich und im Breitensport, ist die Zahl der Mädchen-Mannschaften seit 2010 um 40 Prozent zurückgegangen. Mammitzsch führt dies auch auf ein geändertes Freizeitverhalten zurück, dies mache sich auch bei den Jungen bemerkbar.
Oft fehlten Mädchen zudem die Vorbilder. Um wieder mehr Mädchen für den Fußball zu gewinnen, setzt der DFB auch auf die neuen Spielformen mit kleineren Teams.

Mammitzsch: "Zahl der Mädchenteams verdoppeln"

Mammitzsch kündigte verschiedene Projekte gemeinsam mit den Landesverbänden an, um den Mädchenfußball wieder stärker zu verankern und früh Selbstbewusstsein zu schaffen - schon bei den unter Zehnjährigen, in den Kindergärten, etwa mit einem Mädchenfußballtag.
Bis zum nächsten DFB-Bundestag in drei Jahren gebe es die klare Zielsetzung, die Mannschaftszahlen im Breitensport zu verdoppeln. "In meinem Landesverband Schleswig-Holstein wollen wir die Zahlen bei den Mädchen um 30 Prozent erhöhen. Das müssen wir auch auf breiter Ebene schaffen."