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Frauenfußball
Unterdrückte Pionierinnen im Pott

Nach faschistischer Diktatur und Zweiten Weltkrieg entdeckten in den 50er Jahren auch zahlreiche Mädchen und Frauen den Spaß am Fußballspiel. Nach dem "Wunder von Bern" 1954, entwickelt sich Nordrhein-Westfalen zur Hochburg des Frauenfußballs, insbesondere das Ruhrgebiet.

Von Klaas Reese |
    Exponat im Deutschen Fußball-Museum in Dortmund, Bierkrug Frauenfußball DSV Fortuna 55
    Exponat im Deutschen Fußball-Museum in Dortmund, Bierkrug Frauenfußball DSV Fortuna 55 (firo Sportphoto)
    "Ich wollte immer in einer Mannschaft spielen", sagt Christa Kleinhans, Jahrgang 1937 aus Dortmund-Hörde, die den Erinnerungskrug der Frauenmannschaft von Fortuna Dortmund 1955 stiftete. "Und wenn ich so schlapp gewesen wär, glauben se man, die hätten mich niedergemacht, ja, die hätten bestimmt gedacht: 'Was will denn die Schixe?' Aber ich war voll anerkannt und wenn es zum Wählen ging, ich weiß nicht, ob sie sich das vorstellen können: Tipp, topp, tipp, topp. Dann wurde gewählt, da war ich eine der Ersten, die vorne mitmischte."
    Doch während etwa in den Niederlanden Mitte 1955 bereits zahlreiche Frauenfußball-Clubs gegründet waren, winkte der Deutsche Fußball-Bund ab. DFB-Präsident Dr. Peco Bauwens war davon überzeugt, dass Fußball kein Frauensport ist. "Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen. Das ist keine Sache für den DFB", schrieb Bauwens.
    "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut"
    Doch Frauen-Teams wie Gruga Essen, Fortuna Dortmund oder 1. FC Mönchen Gladbach locken tausende Zuschauer in die Stadien. Auf Antrag des Fußballverbandes Niederrhein muss sich der DFB am 30. Juli 1955 auf seinem sogenannten Bundestag in Berlin dann doch mit dem Thema Damenfußball beschäftigen.
    Die Herren Funktionäre stellen fest: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand."
    Schließlich wird aus "ästhetischen Gründen und grundsätzlichen Erwägungen" und unter Androhung von Strafe bei Zuwiderhandlung der Beschluss gefasst "unseren Vereinen nicht zu gestatten, Damenfußball-Abteilungen zu gründen oder Damenfußball-Abteilungen bei sich aufzunehmen, unseren Vereinen zu verbieten, soweit sie im Besitz eigener Plätze sind, diese für Damenfußballspiele zur Verfügung zu stellen, unseren Schieds- und Linienrichtern zu untersagen, Damenfußballspiele zu leiten."
    "dermaßen schäbig, gemein"
    Christa Kleinhans sagt: "Das war diskriminierend für uns gewesen. Und beschämend für den DFB. Ich kann mich natürlich an die Quereleien und die Quälereien, kann man schon sagen, vom DFB kann ich mich gut erinnern, Das war dermaßen schäbig, gemein, wie man uns behandelt hat, ja, also das ist zwar schon jetzt 50 Jahre her, aber so was bleibt einem dann in Erinnerung.
    Im konservativen Nachkriegsdeutschland erfährt die starre Politik des DFB viel Rückhalt. Mediziner und Psychologen unterstützen das Verbot des Frauenfußballs. Bei den Spielen schwanken die Reaktionen der vorwiegend männlichen Zuschauer zwischen Spott und Begeisterung. Weibliche Fußballpioniere wie Erika Flügge und Helga Nell von Rhenania Essen oder Waltraud Christian von Fortuna Dortmund müssen sich einiges anhören:
    Erika Flügge: "Da kamen wirklich Kommentare. Die blöden Weiber, die sollen lieber am Kochtopf bleiben! Guck mal, dat sind doch alles Mannweiber!"
    Helga Nell: "Damenfußball und so, ja, und dann musste man schon mal sich die Backe abputzen, wurd man angespuckt, waren immer so n paar Quertreiber.
    Waltraud Christian: "Mein erstes Spiel, das war natürlich ein großes Gelächter, ja das hab ich jetz noch in den Ohren, als wir aufliefen, wie dort gelacht wurde."
    Nach den Spielen ernten die Spielerinnen aber oft Lob und Anerkennung. In Essen wird 1956 sogar eine eigene Vertretung ins Leben gerufen, der Westdeutsche Damen-Fußball-Verband e.V. Und am 23. September 1956 findet das erste Länderspiel einer deutschen Damen-Fußballelf statt. Die Wochenschau berichtet über den 2:1-Sieg:
    Pionierinnen des Frauenfußballs im Ruhrgebiet – und in Deutschland
    Der damalige Kommentar: "Die Gleichberechtigung schreitet auch in Fußballstiefeln voran. Essen war Schauplatz des ersten Länderkampfes der deutschen Frauen in Schwarz-weiß gegen Holland. 18.000 Zuschauer waren Zeuge dieses historischen Tages. Der Name Beckmann wird zweifellos in die Damenfußballgeschichte eingehen, denn die Mittelstürmerin schoss das erste deutsche Länderspieltor."
    Christa Kleinhans ist erst ab dem zweiten Länderspiel dabei und bestreitet danach noch rund 150 Länderspiele. Der DFB muss anerkennen, dass der Frauenfußball genauso berechtigt ist wie Fußballspiele von Männern. Kleinhans‘ Wirken kann deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es macht sie – wie auch Ihre Mitspielerinnen - zu wahren Pionierinnen des Frauenfußballs im Ruhrgebiet – und in Deutschland.
    Christa Kleinhans: "Wir wollten nur Fußball spielen, mehr nicht. Wir wollten Anerkennung haben und diesen alten Männern zeigen: "Seht her! Wir können Fußball spielen. Wir lassen uns durch euer dummes Verbot das Fußballspielen nicht vermiesen."