In Deutschland gibt es circa 400 Frauenhäuser. Das erste Frauenhaus eröffnete am 1. November 1976 im Westberliner Stadtteil Grunewald. Seitdem haben die Einrichtungen tausenden Frauen und deren Kindern Schutz geboten, die von häuslicher Gewalt bedroht waren. Seit Jahren schlagen die Verantwortlichen zahlreicher Frauenhäuser Alarm und beklagen gleich mehrere strukturelle Probleme, vor allem gibt es deutlich zu wenig Plätze.
Warum sind Frauenhäuser wichtig?
Die Aufgabe eines Frauenhauses geht weit über die Funktion eines schützenden Zufluchtsorts hinaus. Neben einer Unterkunft können Frauen und deren Kinder dort oftmals auch eine juristische Beratung sowie eine psychologische Betreuung erhalten. Denn nicht selten sind Frauen und Kinder, die ein Frauenhaus aufsuchen, traumatisiert.
Um etwaige Verletzungen für einen möglichen Gerichtsprozess dokumentieren zu können, müssen rechtsmedizinische Untersuchungen organisiert werden. Der Grad der individuellen Gefährdung muss ebenso ermittelt werden, wie die Frage, ob verstärkte Sicherheitsmaßnahmen notwendig sind.
Wie viele Frauenhausplätze fehlen in Deutschland?
Dass es zu wenig Frauenhausplätze in Deutschland gibt, ist seit Jahren bekannt. Und die Zahl der schutzsuchenden Frauen wächst.
Aktuell gibt es in Deutschland rund 7.000 Plätze in ungefähr 400 Frauenhäusern. Damit verfehlt Deutschland die Empfehlung der Istanbul-Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen deutlich. Deutschland hat die Konvention 2017 ratifiziert und sich damit zu ihrer Umsetzung verpflichtet. Laut der Konvention bräuchte Deutschland 21.000 Plätze in Frauenhäusern, also drei Mal so viele als es derzeit gibt.
Eine Umfrage der Investigativ-Plattform Correctiv unter 200 Frauenhäusern hat ergeben, dass die vorhandenen Plätze im Jahr 2022 durchschnittlich zu 83 Prozent belegt waren und vielerorts schutzsuchende Frauen abgewiesen werden mussten.
Ein Beispiel aus Berlin: Die BIG-Hotline berät bei häuslicher Gewalt. Im Jahr 2022 haben 3.409 Anruferinnen darum gebeten, an ein Frauenhaus vermittelt zu werden. 2.066 von ihnen mussten abgewiesen werden.
Warum fehlen so viele Frauenhausplätze?
Die Frauenhausplätze fehlen hauptsächlich aufgrund einer zu knappen und uneinheitlich organisierten Finanzierung. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags formulieren das Problem so: "Ein bundesweiter, einheitlicher und verbindlicher Rechtsrahmen für die Finanzierung von Frauenhäusern existiert nicht. Rechtsvorschriften und Finanzierungsbeiträge für Frauenhäuser unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland."
In manchen Ländern, zum Beispiel in Thüringen oder Nordrhein-Westfalen, gebe es zwar gesetzliche Vorgaben, in vielen anderen aber bloß Verwaltungsvorschriften. „In den meisten Bundesländern besteht für Frauenhäuser eine Finanzierung über Zuwendungen aus Haushaltsmitteln des Landes sowie der Kommune. Weitere Finanzierungsquellen sind etwa Spenden, Eigenmittel der Einrichtungsträger und Kostenbeteiligungen von Frauen“, heißt es in dem Papier weiter. Kurz gesagt: Hier offenbart sich ein Flickenteppich der Finanzierung.
Zum Teil können sich Frauenhäuser Geld von den Heimatkommunen der Frauen zurückholen. Aber jede Kommune erstattet anders, häufig abhängig von sozialen Leistungen. Also ein noch größerer Flickenteppich – mit konkreten Folgen. Denn aus diesem Grund haben zum Beispiel Studentinnen und BAföG-Empfängerinnen, Frauen, die noch nicht fünf Jahre in Deutschland leben oder Frauen mit höherem Einkommen ohne Anspruch auf Sozialleistungen zu den meisten Frauenhäusern keinen Zugang.
Erschwerend hinzu kommt, dass die deutschlandweite Abdeckung mit Frauenhäusern keinesfalls optimal ausfällt. Vor allem im ländlichen Raum gibt es – gemessen an der Einwohnerzahl – oft nicht genug Einrichtungen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus erklärt das mit den historisch gewachsenen Strukturen von Frauenhäusern: „Es ist es eher so, dass wir dort, wo es engagierte Frauenbewegungen gegeben hat, eine bessere Versorgungsstruktur haben. Gerade in ländlichen Bereichen beispielsweise ist die Versorgungsstruktur nicht so gut.“
Mit welchen Problemen haben Frauenhäuser noch zu kämpfen?
- Überbelegung: Die meisten Frauenhäuser sind ständig überfüllt (*). Doch schon eine volle Auslastung führt zu Problemen. Der Grund: Damit die Gewaltschutzsysteme richtig funktionieren können, müssten schutzsuchenden Frauen eigentlich immer freie Plätze zur Verfügung stehen. Denn wenn die Frauen sich entscheiden, ihren gewalttätigen Partner zu verlassen oder von der Polizei aus dem Haus geholt werden, benötigen sie sofort eine Unterkunft.
- Sicherheit: Der technische Fortschritt stellt Frauenhäuser vor große Herausforderungen. Nicht selten verraten Smartphones, Smartwatches oder sogenannte Smart Toys den Aufenthaltsort von Frauen und Kindern. Dadurch steigt die Gefahr, dass sie von Tätern geortet und weiterhin bedroht werden.
- Gestresstes Personal: Wie stark ist eine Person in Gefahr? Welcher Elternteil hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder? In welcher psychischen Verfassung sind die von Gewalt betroffenen Frauen? Die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser müssen sich oft schnell und um viele Dinge gleichzeitig kümmern. Das führt neben der ohnehin schon hohen psychischen Belastung zu Stress.
Was tut die Politik für Frauenhäuser?
Die Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder abzusichern. Konkret heißt es darin: „Wir werden das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen. Wir bauen das Hilfesystem entsprechend bedarfsgerecht aus. Der Bund beteiligt sich an der Regelfinanzierung.“
Die Umsetzung dieser Vorhaben lässt bislang aber auf sich warten. Das von den Grünen geführte Bundesfamilienministerium arbeitet seit einiger Zeit an einem Entwurf für ein Gewalthilfegesetz. Durch dieses soll „jede von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt betroffene Frau mit ihren Kindern einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung erhalten“, erklärt das Ministerium. Eine Umsetzung sei noch in dieser Legislaturperiode geplant.
Der Städte- und Gemeindebund bezweifelt, dass das geplante Gewalthilfegesetz wirklich Abhilfe schaffen kann: „Ein bundesgesetzliches 'Gewalthilfegesetz' bzw. bundesgesetzlicher Rechtsanspruch auf einen Platz in einem Frauenhaus wird die eigentlichen Defizite jedoch nicht bekämpfen können. Vielmehr sollte man sich auf die Weiterentwicklung der bestehenden Finanzierungsstrukturen für Frauenhäuser konzentrieren.“
Noch bis Ende 2024 läuft zudem ein Investitionsprogramm des Bundes, das den Bau und Umbau von Frauenhäusern fördern soll. Seit 2020 waren dafür jährlich 30 Millionen Euro vorgesehen. Vertreterinnen von Frauenhäusern beklagten jedoch teilweise eine zu komplizierte Antragstellung. Bundesfamilienministerin Lisa Paus geht davon aus, dass dieses Programm deutschlandweit zu knapp 70 zusätzlichen Frauenhäusern führen sowie zusätzliche Plätze in schon bestehenden Einrichtungen schaffen werde.
Dass die Politik Veränderungen bewirken kann, zeigt das Beispiel Sachsen: Dort wurden die Mittel in den vergangenen Jahren verdreifacht. Nun gibt es dort in jedem Landkreis ein Frauenhaus.
(*) Anmerkung der Redaktion: Wir haben einen Satz präzisiert.
jma