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Frauenmorde in Europa
Wenn das Geschlecht Gefahr bedeutet

Wenn Frauen ermordet werden, weil sie Frauen sind, heißt das Femizid. Gewalt gegen Frauen gehört auch in Deutschland und Europa zum traurigen Alltag. Häufig geht sie vom Partner oder von Familienangehörigen aus. Das hat auch mit der gesellschaftlichen Stellung von Frauen zu tun.

    Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November. Plakat in der Fußgängerzone Königstraße in Stuttgart weist darauf hin, dass an jedem dritten Tag in Deutschland eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet wird.
    Gewalt gegen Frauen gibt es immer noch viel zu viel, aber inzwischen wird anders darüber geredet als früher. (imago / Arnulf Hettrich)
    Schwere Gewalttaten von Männern an Mädchen und Frauen sind weltweit ein Problem. Auch in Europa ist die Zahl der Feminizide trotz neuer Strafgesetze nach wie vor besorgniserregend. Laut einer UN-Studie wurden im Jahr 2017 in Europa mindestens 3.000 Frauen von ihren Partnern oder Familienangehörigen getötet.
    Daten des Europäische Netzwerk für Datenjournalismus aus dem Jahr 2015 zeigen, dass Italien, Deutschland und Großbritannien gemessen an absoluten Zahlen zu den Ländern gehören, in denen die meisten Frauenmorde registriert werden. Die Motive sind vielfältig. Viele Morde geschehen aus Eifersucht und Angst vor Trennung. Doch Femizide haben auch etwas mit der gesellschaftlichen Stellung von Frauen zu tun. Die Zahl der Morde insgesamt ist rückläufig, die der Morde an Frauen sinkt jedoch weniger stark und bleibt nahezu konstant. Das zeigen Beispiele aus ganz Europa.

    Großbritannien: Warnsignale häuslicher Gewalt

    Häusliche Gewalt beginnt oft subtil. Sie reicht von Beleidigungen, Herabwürdigungen bis hin zur Unterdrückung - später kommt die körperliche Gewalt dazu. Seit fünf Jahren ist "coercive control" - "geistige Unterwerfung" - in Großbritannien strafbar. Dennoch ist die Zahl der Frauen, die in Großbritannien von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet worden sind, um fast ein Drittel gestiegen. Die meisten dieser Morde passieren im ersten Jahr nach der Trennung. "Das ist eine sehr gefährliche Zeit", berichtet eine Therapeutin in unserer Reportage, "auch für die Kinder."
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    Italien: Berichterstattung über vermeintliche "Familiendramen"

    In Italien werden jährlich etwa 100 Frauen von ihren Partnern, Ex-Partnern oder Liebhabern getötet. Die Medienwissenschaftlerin Cristina Martini untersucht die Berichterstattung über solche Fälle - und findet häufig Formulierungen, die auf eine Mitschuld der Frauen hindeuten. "Viele Schlagzeilen lassen vermuten, dass das Opfer mit seinem Verhalten die Tat provoziert habe", sagte sie dem Deutschlandfunk. Beispielsweise weil sie eine andere Beziehung hatte oder ihren Ehemann verlassen wollte. "Hier wird Eifersucht mit Besitzanspruch verwechselt", so Martini. "Diese Kultur des Besitzanspruchs ist das wirkliche Motiv für geschlechtsspezifische Gewalt, die Vorstellung, dass die Frau, egal ob Freundin, Mutter, Schwester oder Ehefrau, dem Mann gehört." Ein wiederkehrendes Stereotyp in der Berichterstattung sei zudem das des Streits. In Wahrheit handele es sich aber um eine Aggression mit einem Aggressor und einem Opfer - nicht um einen Streit auf Augenhöhe.
    Auch Italiens Gesetzgebung war lange Zeit rückständig: Erst seit 1996 gilt sexuelle Gewalt als eine Straftat gegenüber einer Person, vorher war das ein Verstoß gegen die Öffentliche Ordnung.
    Mord ist Mord ist Mord
    Bei Gewaltverbrechen in Familien – meist von Männern an Frauen – sprechen Medien häufig von "Beziehungsdrama", "Eifersuchtstat" oder "Tragödie". Damit würden die Taten aber verharmlost, sagen Kritiker. Doch langsam tut sich auch in deutschen Redaktionen etwas.
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    Türkei: Initiative gegen Frauenmorde macht der Justiz Druck

    Die Gesetze in der Türkei sind eindeutig. Doch oft würden die Bestimmungen von den Behörden und Sicherheitsdiensten nicht ausreichend angewandt, kritisiert die Initiative "Wir stoppen Frauenmorde". Die Richter seien zu nachlässig mit Frauenmördern. 474 Frauen in der Türkei wurden nach Zählung der Vereinigung im vergangenen Jahr von ihren Ehemännern, Partnern oder Ex-Partnern getötet.
    Frauen der türkischen Initiative "Wir stoppen Frauenmorde" demonstrieren vor einem Gerichtsgebäude
    Die Initiative „Wir stoppen Frauenmorde“ versucht mit unterschiedlichen Mitteln, auf die Mordfälle in der Türkei aufmerksam zu machen. (Deutschlandradio / Susanne Güsten )
    In der Initiative "Wir stoppen die Frauenmorde" haben sich tausende Frauen aus dem ganzen Land zusammengetan, um Gewalt gegen Frauen entgegenzutreten. Ihre Prozessbeobachterinnen wollen Öffentlichkeit herstellen und Richter unter Druck setzen, das Strafrecht voll auszuschöpfen. Denn vor Gericht würden häufig alle möglichen Vorwürfe gegen das Opfer erhoben - "als könne es einen vernünftigen Grund für so eine Tat geben", erklärt Aktivistin Duygu Bayburt. "Wir erinnern die Richter daran, dass für die Tötung eines Menschen die volle Strafe verhängt werden muss und dass es da keine Nachlässe oder Abstriche geben darf. Und manchmal ist es tatsächlich unsere Anwesenheit, die den Ausschlag beim Strafmaß gibt."
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    Spanien: Feministinnen fordern Modernisierung des Strafrechts

    Spanien gilt europaweit als Vorreiter in Sachen Schutz vor sexueller Gewalt. Bereits seit 2004 gibt es ein Gesetz gegen geschlechtsspezifische Gewalt. So werden beispielsweise Fälle von Gewalttaten, die Partner oder Ex-Partner an Frauen begehen, an speziellen Gerichten verhandelt. Auch Kinder von Getöteten erhalten als Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt besonderen Schutz. Trotzdem fordern Feministinnen eine Modernisierung des Strafrechts. Die Definition von geschlechtsspezifischer Gewalt im Gesetz sei nicht mehr zeitgemäß, findet die Juristin Lucía Avilés.

    Die neue Linkskoalition in Spanien hat eine entsprechende Reform angekündigt – Gegenwind kommt aber von der Rechtsaußen-Partei Vox, die seit November drittstärkste Fraktion im Parlament ist. "Klar macht mir Vox Angst", sagt die Aktivistin Lorena Moreno. Mit großen Demonstrationen will sie sich und der Welt beweisen, dass die Mehrheit in Spanien immer noch feministisch denkt und fühlt.
    Aktivistin Lucía Avilés
    Aktivistin Lucía Avilés (Deutschlandradio/ Julia Macher)
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    Frankreich: Prävention und Opferschutz

    Wie Prävention vor Gewalt schützen kann, zeigt Frankreich. Die Regierung von Staatspräsident Emmanuel Macron stellte im vergangen Jahr ein Paket mit 40 Maßnahmen vor. Potentielle Opfer sollen unter anderem von der Polizei und der Justiz besser vor Gewalt geschützt werden und es soll mehr Präventionsmaßnahmen geben.
    Aktions-Plakate gegen Sexismus
    Poster, Videoclips, Slam-Gedichte: Mit solchen Aktionen sollen Jugendliche sensibilisiert werden oder Bühnensketche zu verfassen. (Deutschlandradio / Suzanne Krause)
    Eine Beobachtungsstelle "Gewalt gegen Frauen" im Département Seine-Saint-Denis, im Pariser Norden gelegen und als sozialer Brennpunkt bekannt, gilt als Pionierin im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Die Stelle arbeitet mit anderen staatlichen Einrichtungen zusammen. Schulungen zum Umgang mit Opfern häuslicher Gewalt und spezielle Notfall-Handys gehören zu den Präventionsmaßnahmen, außerdem Workshops mit Jugendlichen. "Wir geben den Teenagern Mittel an die Hand, damit sie zu positiven Helden im Kampf gegen Gewalt an Mädchen und später an jungen Frauen werden", sagt Mitarbeiterin Carole Barbelane-Biais.
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    Betroffene in Deutschland können sich an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben wenden. Dort kann man sich sich rund um die Uhr anonym und kostenfrei beraten zu lassen.